Der Säugling und die Säuglingin

Zur Vorbereitung eines Vortrags über »Gegenbegriffe, Dichotomien und Alternativen in der Jurispudenz« wollte ich mich über »asymmetrische Begriffsbildung« kundig machen und dazu – mit Hilfe von Katrin Wille[1] – in kritischer Absicht Luhmann lesen. Doch vor dem kritischen Blick steht bei der Lektüre eines Textes von Niklas Luhmann immer wieder das Staunen über dessen Formulierungskunst, Scharfsinn und Witz. In diesem Fall geht es um den Aufsatz »Frauen, Männer und George Spencer Brown« aus dem Jahre 1988[2]. So ganz nebenher zieht Luhmann die feministische Vergewaltigung der Sprache in Lächerliche:

»Die Sprachempfehlung mag sich durchsetzen, zumindest in offiziellen Dokumenten immer auch das andere Geschlecht mitzuerwähnen: Minister/Ministerin, Säugling/Säuglingin usw.« (S. 64)

Da bin ich froh, dass ich meine Fahne nicht mehr in den Wind hängen muss und mich dem sprachlichen Gendering verweigern kann.

Luhmanns Text bietet auch sonst viele geistreiche, meist zynische Formulierungen, mit denen Gerburg Jahnke ein abendfüllendes Programm bestreiten könnte. Über asymmetrische Begriffbildung steht dort auch etwas. Aber das überzeugt mich nicht.

Nachtrag: Der beste Weg, sich gegen die Unsitte des sprachlichen Gendering zu wehren, ist wohl die Ironie. Beim einem Gänseessen wurde ich darauf aufmerksam gemacht, wie beleidigend doch die Gans als generische Femininum ist. Künftig kommt nur noch die Ganterin auf den Tisch.

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[1] Katrin Wille, Gendering George Spencer Brown? Die Form der Unterscheidung und die Analyse von Unterscheidungsstrategien in der Genderforschung, in: Christine Weinbach (Hg.), Geschlechtliche Ungleichheit in systemtheoretischer Perspektive, 2007, 15-50.

[2] Zeitschrift für Soziologie 17, 1988, 47-71.

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