Travelling Models IV: Noch einmal: Diffusion von Recht

In diesem Beitrag will ich notieren, wie ich, mit Frage nach der Relevanz der Diffusionsforschung für Rechtsvergleichung und Rechtssoziologie Kopf, Texte von Rogers und Greenhalgh u.a. gelesen habe.

Während bei Rogers Innovationen in der Landwirtschaft das zentrale Thema sind [1]Everett M. Rogers, Diffusion of Innovations, 5. Aufl., New York, NY 2003. Ich zitiere nach der 3. Aufl. von 1983, die als PDF im Internet zur Verfügung steht., blicken Greenhalgh u. a. zwar in erster Linie auf Forschungen aus dem Gesundheitssektor, berücksichtigten aber auch, ähnlich wie Rogers, Übersichtsartikel und wichtige empirische Untersuchungen aus anderen Bereichen [2]Trisha Greenhalgh/Glenn Robert/Fraser Macfarlane/Paul Bate/Olympia Kyriakidou, Diffusion of Innovations in Service Organisations: Systematic Literature Review and Recommendations for Future Research, … Continue reading, unter anderem Kommunikationswissenschaft und Marketing, Organisationswissenschaft, Management und Entwicklung (development). Dagegen vernachlässigen sie völlig, ebenso wie Rogers, Untersuchungen zu Diffusion von Recht. Das fällt umso stärker auf, als sie das umfangreiche Material, auf das sie sich beziehen, in verschiedene Traditionslinien ordnen »defined as a coherent body of theoretical knowledge and a linked set of primary studies in which successive studies are influenced of previous studies« (2004:583). Es gibt wohl kaum eine handfestere Traditionslinie der Diffusionsforschung als die Rechtsvergleichung. Der rechtssoziologische Forschungsstrang law and devlopment [3]Vgl. Klaus F. Röhl, Entwicklungshilfe durch Recht und die Konvergenzthese, in: Michael Bäuerle u. a. (Hg.), Demokratie-Perspektiven, Festschrift für Brun-Otto Bryde zum 70. Geburtstag, Tübingen … Continue reading steht ihr kaum nach. Der »Fehler« beider besteht nur darin, dass sie sich nicht selbst als solche einordnen. Die Traditionslinien beziehen ihren Zusammenhang in erster Linie aus einer engeren Sparten- oder Fachzuordnung wie Landwirtschaft, Gesundheitswesen, Entwicklungshilfe oder Recht. Man kann sie aber auch mit den großen Themenfelder sozialer Wandel, Globalisierung und Evolution verbinden.

Rogers hatte für den Erfolg von Innovationen fünf Kriterien genannt: The five attributes of innovations are (1) relative advantage, (2) compatibility, (3) complexity, (4) trialability, and (5) observability. (1983:211). Zwar wiederholt Rogers öfter, es komme auf die Wahrnehmung dieser Eigenschaften durch die potentiellen Übernehmer an. Dennoch werden diese Attribute von einem objektiven Standpunkt aus beschrieben. Greenhalgh u. a. (2004:589f) kritisieren das Rogersmodell:

»These early studies produced some robust empirical findings on the attributes of innovations, the characteristics and behavior of adopters, and the nature and extent of interpersonal and mass media influence on adoption decisions. But the work had a number of theoretical limitations, notably the erroneous assumptions that (1) the only relevant unit of analysis is the individual innovation and/or the individual adopter; (2) an innovation is necessarily better than what has gone before and adoption is more worthy of study than is nonadoption or rejection; (3) patterns of adoption reflect fixed personality traits; and (4) the findings of diffusion research are invariably transferable to new contexts and settings.«

Sie sehen die Dinge etwas soziologischer oder interaktionistischer. Aber der Abstand bleibt gering.

Figure 2 aus Greenhalgh

Aus Greenhalgh u.a. 2004, 593

Zum Innovationsbegriff: Die moderne Diffusionsforschung hat den Kulturbegriff des Diffusionismus durch den Begriff der Innovation ersetzt.

»An innovation is an idea, practice, or object perceived as new by an individual or other unit of adoption.« (Rogers 2003, 13)

Eine Innovation ist kleiner als »Kultur«, bei der man zunächst an eine eher ganzheitliche Lebensform denkt. Innovationen sind bloße Brocken vermutlich mit der Folge, dass sie ich relativ leicht aus einer kulturellen Umgebung in eine andere übertragen lassen. Bei der Diffusion von Recht geht es in der Regel auch nicht bloß um kleine Brocken in Gestalt vereinzelter Normen, sondern um kompaktere Institutionen, die eher ganze Kulturen affizieren. Dennoch meint Twining (2005:227f), das von Rogers an kleinförmigen Innovationen entwickelte Konzept der Diffusion sei auch für eine großflächige, ideologiegetriebene Rezeption und bei großen kulturellen Unterschieden – wie im Falle der Türkei – relevant. Man könne mindestens die gleichen Fragen aufwerfen, nämlich:

»What were the conditions of the process, and the occasion for its occurrence? What was diffused? Through what channel(s)? Who were the main change agents? To what extent were the characteristics of the change agents and their contexts similar or different? When and for how long did the process occur? Why did it start at that particular time? What were the main obstacles to change? How much did the object of diffusion change in the process? What were the consequences of the process and what was the degree of implementation, acceptance and use of the diffused objects over time? « (2005:221)

Zum Diffusionsbegriff: Greenhalgh u. a.(2004:582) unterscheiden zwischen »diffusion (passive spread)« und dissemination (active and planned efforts to persuade target groups to adopt an innovation)«. Bei einer Betrachtung aus historischer Distanz lässt sich zwischen selbsttätiger Verbreitung und intendierter Übertragung nur schwer unterscheiden. Daher deckt der Diffusionsbegriff gewöhnlich beides [4]So explizit bei Rogers, der allerdings zwischen zentralisierter und dezentralisierter Diffusion unterscheiden will (1983:7). Bei Bedarf lässt sich der Unterschied als Diffusion im engeren und im weiteren Sinne kennzeichnen.

Ein wichtiger Effekt der Globalisierung ist die ungeplante Verbreitung von Rechtskonzepten, Rechtsbegriffen und konkreteren Normen und Institutionen. Zu denken ist etwa an die individuelle Berufung auf Menschenrechte oder auf die Verwendung des amerikanischen Copyright-Zeichens ©. Auch die von der Open-Content-Bewegung erfundene GNU-Lizenz ist über alle Welt »diffundiert«. (Die vielgepriesene Mediation als Alternative zum Gerichtsverfahren ist dagegen ein Diffusionsflop.) Die intendierte Harmonisierung des Rechts beobachtet man zurzeit vor allem in der europäischen Union und, sehr viel schwächer ausgeprägt, auf globaler Ebene. Für eine eher punktuelle Verbreitung von Recht sorgen die Weltbank und andere Institutionen der Entwicklungshilfe.

In vielen Fällen dürften die selbsttätige Ausbreitung allgemeinerer Ideen und Konzepte und die geplante und implementierte Übernahme von Einstellungen, Regeln und Organisationsformen Hand in Hand gehen. Die selbsttätige Ausbreitung von Innovationen führt zu der informellen Institutionalisierung, die eine formelle Organisation erst erfolgreich macht. Insofern ist es sicher auch für das Recht zutreffend, wenn Greenhalgh u.a. von einem Kontinuum zwischen Diffusion i. e. S. und intendierter Verbreitung ausgehen (2004:601).

Planung, Steuerung, Implementierung: Die politisch mit Hilfe von Recht geplante und ins Werk gesetzte Verbreitung von Innovationen wird von der Diffusionsforschung nur am Rande wahrgenommen (Greenhalgh u. a. 2004:610). Implementation ist dagegen ein Kernbegriff der Diffusionsforschung (Rogers 1983:174ff; Greenhalgh u. a. 2004:610f). Er deckt sich aber nicht mit dem Implementationsbegriff, wie er in der Rechtssoziologie im Zusammenhang mit der Steuerungsdiskussion geläufig ist.

Die Diffusionsforschung unterscheidet verschiedene Stadien der Diffusion beginnend mit awareness und/oder knowledge und endend mit der Routinisierung. Vor der letzteren kommt die Implementierung. Sie folgt auf das Stadium der Entscheidung und äußert sich in Aktivitäten zu deren Umsetzung (»the early usage activities that often follow the adoption decision«; Greenhalgh u. a. 2004:610). Die rechtssoziologische Implementationsforschung befasst sich dagegen mit Fällen, in denen die Entscheidung zur Annahme von Innovationen auf politischer Ebene verbindlich durch Rechtssetzung getroffen wird und sodann von Organisationen umgesetzt werden muss. Die Diffusionsforschung geht grundsätzlich von (mehr oder weniger) freiwilligen Übernahmeentscheidungen von aus. Der Befehl zur Innovation gilt als eher kontraproduktiv:

»Authoritative decisions (e.g., making adoption by individuals compulsory) may increase the chance of initial adoption by individuals but may also reduce the chance that the innovation is successfully implemented and routinized.« (Greenhalgh u.a. 2004:599f)

Immerhin gibt es einige Ratschläge, wie sich geplante Innovationen erfolgreich gestalten lassen.

»When a planned dissemination program is used for the innovation (e.g., led by an external change agency), it will be more effective if the program’s organizers (1) take full account of potential adopters’ needs and perspectives, with particular attention to the balance of costs and benefits for them; (2) tailor different strategies to the different demographic, structural, and cultural features of different subgroups; (3) use a message with appropriate style, imagery, metaphors, and so on; (4) identify and use appropriate communication channels; and (5) incorporate rigorous evaluation and monitoring of defined goals and milestones.« (Greenhalgh u. a. 2004:603)

Auch bei der Frage, was denn als erfolgreiche Implementierung von Innovationen anzusehen ist, gibt es Differenzen, jedenfalls wenn die Innovation in einer Rechtsreform besteht. Ausgerechnet Rogers liefert dafür ein Beispiel:

»Sometimes the adoption of an innovation does indeed represent Identical behavior; for example, the California Fair Trade Law of 1931, the first law of its kind, was adopted by ten other states complete with three serious typographical errors that appeared in the California bill.« (1983:175)

Auch Rechtsvergleichung begnügt sich oft damit, die positivrechtliche Ausbreitung von Normen und Institutionen zu konstatieren, etwa indem sie beschreibt, welche Staaten in der Welt Verfassungsgerichte nach amerikanischem oder deutschem Muster eingerichtet haben. Rechtssoziologie interessiert sich dagegen vor allem für die Differenz zwischen Formalstruktur und Realität von Institutionen. Oft besteht nur eine sehr äußerliche Ähnlichkeit der Institutionen, die tatsächlich von Land zu Land und teilweise von Ort zu Ort ganz unterschiedlich funktionieren. Ich selbst weise allerdings gerne darauf hin, dass man auch Institutionen, die zunächst nur auf dem Papier stehen, nicht gleich völlig abschreiben sollte. Früher oder später erscheinen NGOs oder (im Ausland ausgebildete) Juristen, die sich auf das Papier berufen. Aber auch die Menschen, die mit Organisationen zu tun haben, deren Realität weit von den formalen Vorgaben abweicht, lernen schnell, sich opportunistisch von Fall zu Fall auf diese Vorgaben zu berufen.

Der Gegenstand der Diffusion: Rogers hat vor allem die Ausbreitung technologischer Innovationen im Blick.

»Almost all of the new ideas discussed in this book are technological innovations. A technology is a design for instrumental action that reduces the uncertainty in the cause-effect relationships involved in achieving a desired outcome. Most technologies have two components: (1) hardware, consisting of the tool that embodies the technology as material or physical objects, and (2) software, consisting of the knowledge base for the tool.« (1983:35)

Nach einer Studie, die die Weltbank zusammen mit der Afrikanischen Entwicklungsbank erstellt hat, sind Mobiltelefone in Afrika ein großer Erfolg. [5]The Transformational Use of Information and Communication Technologies in Africa. Zur Erklärung bietet sich die Diffusionstheorie von Rogers an, und tatsächlich findet man im Internet eine Diplomarbeit, die das versucht. [6]Charity Holloway Mobile Phone Diffusion In Africa The Adoption of mobile phones in Africa and the Diffusion of Innovation, 2012?, http://charityholloway.com/projects/MobileAfrica.pdf. Vermutlich sind die Handys im Tschad einfacher und preiswerter. Aber ein Handy bleibt ein Handy in Deutschland wie im Tschad. Allerdings werden sich die Netzbetreiber kaum auf eine monatliche Abrechnung mit nachträglicher Zahlung einlassen, sondern sie werden auf Prepaid-Karten setzen. Wahrscheinlich sind auch, wo Strom aus dem Netz keine Selbstverständlichkeit ist, andere Batterietechniken notwendig. Rogers würde insoweit von re-invention sprechen, auch wenn nur die Peripherie betroffen ist.

Bei anderen technischen Innovationen ist die Sache komplizierter. Technologien haben nicht nur einen harten Kern und eine »Software«-Umgebung, sondern sie sind auch sozial eingebettet. Das hat Richard Rottenburg eindrucksvoll am Beispiel der Wasserversorgung in drei Städten in Tansania gezeigt. [7]Richard Rottenburg, Weit hergeholte Fakten, Eine Parabel der Entwicklungshilfe, Stuttgart 2002. Auch hier gab es mit dem Leitungsnetz und den Wasserwerken einen harten Kern, freilich mit allerhand weichen Stellen in Gestalt von Leitungsverlusten. Das Hauptproblem lag aber darin, die an das Leitungsnetz angeschlossenen Verbraucher überhaupt zu registrieren, um sie dann zur Zahlung zu veranlassen. Dass deutsche Modell des Anschluss- und Benutzungszwangs lag da jenseits der Vorstellungswelt. Rogers‘ Diffusionstheorie ist letztlich ein Technologieakzeptanzmodell. Als Technologie hat man auch in Tansania die zentrale Wasserversorgung vermutlich bereitwillig akzeptiert.

Bei der Ausbreitung von Recht fehlt es an einem vergleichbar harten Kern. Es geht vielmehr um immaterielle Innovationen in Gestalt von Prinzipien und Regeln, allgemeinen Konzepten und konkreten Organisationsformen. Näher am Recht scheint daher der Gegenstand der Diffusion bei Greenhalgh u. a. liegen:

»We defined innovation in service delivery and organization as a novel set of behaviors, routines, and ways of working that are directed at improving health outcomes, administrative efficiency, cost effectiveness, or users’ experience and that are implemented by planned and coordinated actions.«

Aber der Abstand bleibt. Hier geht es zwar ohne Hardware, aber doch um instrumentelle Effektivität und monetäre Effizienz. Im Grunde sind auch hier nur immaterielle Technologien gemeint, ähnlich wie in der Landwirtschaft eine neue Fruchtfolge in der Medizin etwa eine Checkliste für Untersuchungen.

Innovationen in Organisationen: Bei Greenhalgh u. a. geht es nicht um Individuen, sondern um Organisationen. Auch Rogers befasst sich in seinem Kapitel 10 mit Innovationen in Organisationen. Rogers behandelt Organisationen dabei analog zu Individuen und die Übernahme von Innovationen entsprechend als eine organisationsinterne Angelegenheit. Bei Organisationen als Übernehmern zeigen sich ähnliche Verläufe wie bei Individuen. Greenhalgh u. a. sind insoweit offener, als sie auch Veränderungen der Organisation selbst, etwa durch neue Managementstrukturen im Blick haben. Dabei berücksichtigen sie auch Interorganisationsbeziehungen. Aber die soziale Einbettung der Organisation bleibt auch bei ihnen weitgehend unberücksichtigt.

»Complex innovations in service organizations can be conceptualized as having a ›hard core‹ (the irreducible elements of the innovation itself) and a ›soft periphery‹ (the organizational structures and systems required for the full implementation of the innovation); the adaptiveness of the ›soft periphery‹ is a key attribute of the innovation The concept of a soft periphery links with Rogers’s aforementioned concept of reinvention and with ›innovation-system fit‹ as an important feature of system readiness.« (Greenhalgh u.a. 2004:597)

Pro-innovation bias: Mit der Umstellung auf Innovationen ist der Fortschrittsglaube des alten Diffusionismus nicht völlig ausgestorben. In der Definition von Rogers erscheint der Neuigkeitswert von Innovationen als relativ. Tatsächlich ist aber an Neuerungen im Sinne von Fortschritt gedacht. Wer zu spät kommt, ist ein laggard. Rogers attestiert der von ihm ausgewerteten Diffusionsforschung selbst einen pro-innovation bias (1983:92), ohne daraus für sich Konsequenzen zu ziehen. [8]Volker Hoffmann, Book Review: Five editions (1962-2003) of Everett Rogers: Diffusion of Innovations, zitiert nach ders., Reader »Knowledge and Innovation Management«, 2011, S. 72. Dennoch bleiben einige Hinweise von Rogers bedenkenswert. Als Ursachen für den pro-innovation bias nennt Rogers an erster Stelle den Umstand, dass viele Untersuchung von change-agencies in Auftrag gegeben werden, die die Verbreitung einer Innovation betreiben, weil sie diese für fortschrittlich halten. Es kommt hinzu, dass erfolgreiche Innovationen interessanter erscheinen und auch Spuren hinterlassen, die sich leichter beschrieben und gemessen werden können, als erfolglose:

»As a general result of the pro-innovation bias, we know much more (1) about the diffusion of rapidly diffusing innovations than about the diffusion of slowly diffusing innovations, (2) about adoption than about rejection, and (3) about continued use than about discontinuance.« (1983:94)

Neutraler als der Innovationsbegriff sind daher die traveling models. Sie sind, wie die Diffusion von Recht, nicht auf neu erfundene Gestaltungen beschränkt, sondern erfassen auch traditionelle Rechtsformen, wenn sie nur für die Zielgruppe neu sind. Die traveling models sind auch nicht von vornherein auf weitere Ausbreitung angelegt. Auch eine singuläre Übernahme ist von Interesse. Zwar ist der Erfolgsgedanke nicht von vornherein ausgeschlossen. Aber Scheitern, Veränderung oder Verfälschung kommen doch eher in den Blick.

Zum Weg der Diffusion: Zwischen Start und Ziel der Verbreitung liegen bei Rogers und bei Greenhalgh u. a. nicht eigentlich regionale und kulturelle Grenzen. Zwar schreibt Rogers im Vorwort zur 3. Auflage: » … the diffusion paradigm that is presented in this book is less culture-bound than in my previous books.« Aber vielleicht liegt genau darin das Problem, dass man sich die Diffusion als kulturunabhängiges Phänomen vorstellt. Bei Rogers geht es eigentlich nur um die Ausbreitung einer Innovation innerhalb ein und derselben Gesellschaft. Hier sind es in erster Linie Individuen, die neue Erfindungen, Techniken, Moden usw. aufnehmen. Sie werden in Kategorien eingeteilt, wie sie in einer modernen, differenzierten Gesellschaft anzutreffen sind, nämlich als Innovators, Early Adopters, Early Majority, Late Majority und Laggards und auch ihre Entscheidungsprozesse verlaufen grundsätzlich individuell, wiewohl Rogers konzediert, dass etwa bei Entscheidungen über die Geburtenkontrolle in China oder Bali die Gruppe mitbestimmt (1983:173). Von Greenhalgh u. a. werden diese Kategorien zwar als Stereotypen kritisiert, aber letztlich doch nur durch differenziertere Kriterien ersetzt, die die interaktive Komponente stärker berücksichtigen (2004:598ff).

Auch die Wege, auf denen eine Innovation kommuniziert wird, führen zu einer gewissen Fremdbestimmung der Individuen. Hier erweist sich erweist sich soziale Homophilie als Diffusionsverstärker (Rogers 1983:273ff). Analog gibt es in der Rechtsoziologie eine Tradition, die Diffusion von Recht innerhalb einer relativ geschlossenen Gesellschaft zu verfolgen. Die Frage wird gewöhnlich als solche nach der Verbreitung von Rechtskenntnissen und nach der Verhaltenswirksamkeit von Recht behandelt. »More effective communication occurs when two individuals are homophilous.« Dieser Satz von Rogers (1983:19) könnte auch aus einem rechtssoziologischen Text stammen.

Wo Homophilie nicht ohne weiteres gegeben ist, können Mittelspersonen eine Brücke bauen:

»Change agents employed by external agencies will be more effective if they are (1) selected for their homophily and credibility with the potential users of the innovation; (2) trained and supported to develop strong interpersonal relationships with potential users and to explore and empathize with the user’s perspective; (3) encouraged to communicate the users’ needs and perspective to the developers of the innovation; and (4) able to empower the users to make independent evaluative decisions about the innovation (Greenhalgh u.a. 2004:613).«

Dagegen haben Rechtsvergleichung und Ethnologie regelmäßig Konstellationen im Blick, bei denen regionale und/oder kulturelle Grenzen überwunden werden. Greenhalgh u. a. sind immerhin bei der Auswertung von development studies auf die Relevanz kultureller Grenzen gestoßen (2004:590):

»Two important contributions from this tradition have been (1) that the meaning of an innovation for the agency that introduces it may be very different from that held by the intended adopters and (2) that ›innovation-system fit‹ (related to the interaction between the innovation and its potential context) is generally a more valid and useful construct than ›innovation attributes‹ (often assumed to be fixed properties of the innovation in any context.«

Re-invention: Nur selten verbreiten sich Innovationen als 1:1 Kopie. Meistens werden sie in irgendeiner Weise angepasst, und sei es auch nur die Peripherie Größe, Verpackung oder Gebrauchsanweisung.

»… diffusion scholars now recognize the concept of re-invention, defined as the degree to which an innovation is changed or modified by a user in the process of its adoption and implementation. « (Rogers 1983:175)

Bei technologischen Innovationen sind die Anpassungsmöglichkeiten begrenzt. Sie beziehen sich vor allem auf die Peripherie und auf den Verwendungszweck. Bei immateriellen Innovationen sind die Anpassungsmöglichkeiten größer. Hier gilt:

»If potential adopters can adapt, refine, or otherwise modify the innovation to suit their own needs, it will be adopted more easily.« (Greenhalgh 2004:596)

Rogers sah in dem Konzept der re-invention zwar einen Fortschritt der Diffusionsforschung, behandelte die Veränderung der Innovation im Zuge ihrer Verbreitung aber immer noch als Ausnahme. »Re-invention is no necessarily bad« (1983:178), auch wenn sie ihre Ursache oft in Unwissenheit und schlechter Lernleistung habe (S. 180). Und es gibt auch ein psychisches Bedürfnis, eine fremden Innovation etwas Eigenes hinzuzutun:

»Local pride of ownership of an innovation may also be a cause of re-invention.« (Rogers 1983:180)

Sogar Freud wird dazu bemüht:

»This pride in their re-invention is an example of what Freud called ›the narcissism of small differences.‹ « (Rogers 1983 S. 181)

Konstruktivistisch denkende Soziologen und Ethnologen sind radikaler. Schon Twinings Latour-Zitat »No transportation without transformation« deutet auf eine größere Bedeutung des Anpassungsprozesses hin. Auf Latour berufen sich auch die Ethnologen um Richard Rottenburg und beziehen von ihm die Metapher der Übersetzung (translation). Darauf wird zurückzukommen sein.

Zum Antrieb der Diffusion: Diffusion ist ein universales soziales Phänomen. Angesichts dieser Tatsache bleibt die Frage, was die Diffusion antreibt, unterbelichtet. Rogers baut implizit auf rational choice, wenn er als erstes Merkmal von Innovationen, das ihre Verbreitung begünstigt, deren Vorteilhaftigkeit gegenüber vorhandenen Problemlösungen nennt:

»Relative advantage is the degree to which an innovation is perceived as being better than the idea it supersedes. The degree of relative advantage is often expressed in economic profitability, in status giving, or in other ways.« (1983:213)

» … relative advantage is a sine qua non for adoption.« (Greenhalgh u. a. 2004:594)

Alle anderen Merkmale erscheinen als sekundär. Das gilt auch für die Dynamik der Kommunikation und Interaktion. Bloße Nachahmung, Überredung, Meinungsführer oder der Druck der Gruppe sind letztlich nur Variablen, die die Diffusionsrate beeinflussen.

»Compatibility is the degree to which an innovation is perceived as being consistent with the existing values, past experiences, and needs of potential adopters. An idea that is not compatible with the prevalent values and norms of a social system will not be adopted as rapidly as an innovation that is compatible.« (Rogers 1983:15; ähnlich Greenhalgh u. a. S. 596, 602)

Da die Literatur zum Neoinstitutionalismus nicht ausgewertet wird, werden auch die drei von Dimaggio und Powell genannten Mechanismen nicht genannt, die Institutionen zur Annahme von Innovationen treiben und letztlich zur Isomorphie führen, Diese wären:

»1) coercive isomorphism that stems from political influence and the problem of legitimacy; 2) mimetic isomorphism resulting from Standard responses to uncertainty; and 3) normative isomorphism, associated with professionalization.« [9]Paul DiMaggio/Walter W. Powell, The Iron Cage Revisited: Institutional Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields, American Sociological Review 48 , 1983, 147-160. Deusch als … Continue reading

In diese Richtung deutet immerhin folgendes Zitat:

»Interorganizational networks promote the adoption of an innovation only after this is generally perceived as ›the norm‹.« (Greenhalgh u. a. 2004:609)

Makrosoziologische Variablen wie politischer oder ökonomischer Zwang und Entwicklungstheorien wie Modernisierung und Evolution haben im Konzept von Rogers und Greenhalgh keinen Platz.

Evolution: Dem alten Diffusionismus wird vorgeworfen, er habe Kultur in Leerstellen diffundieren lassen. Dem konkurrierenden Evolutionismus wird letztlich eine sozialdarwinistische Grundeinstellung vorgehalten, nach der die stärkere Kultur sich durchsetzt. Von Evolution in der Diffusionstheorie ist bei Rogers und Greenhalgh nicht die Rede. Die Vorstellung einer kulturellen Evolution erlebt jedoch zurzeit eine erstaunliche Renaissance. Nicht zuletzt in der Rechtssoziologie spielt sie eine große Rolle [10]Vgl. dazu den Eintrag Evolution des Rechts – mehr als eine Metapher oder nicht einmal das? vom 12. Februar 2009. Hier will ich noch auf vier Cluster von einschlägiger Literatur hinweisen. Der … Continue reading, nachdem sich Luhmann ausführlich der Evolution des Rechts gewidmet hat. Deshalb muss jedenfalls die Frage erlaubt sein, ob und wie Diffusion und Evolution zusammengebracht werden können. Die Antwort liegt nahe, dass die Evolutionstheorie zur Interpretation der Ergebnisse der Diffusionsforschung dient. Dazu kann sie versuchsweise den generalisierten Darwinismus von Hodgson/Knudsen [11]Geoffrey M. Hodgson/Thorbjørn Knudsen, Why We Need a Generalized Darwinism, and why Generalized Darwinism Is Not Enough, Journal of Economic Behavior & Organization 61, 2006, 1-19. zugrunde legen. Er besagt, dass die soziokulturelle Evolution, betrachtet man sie aus der Distanz, darwinistisch ist, denn sie folgt den drei Grundprinzipien des Darwinismus, Variation, Vererbung und Selektion. Wo immer diese Prinzipien am Werk sind, findet Evolution statt. Das bedeutet umgekehrt: Auch soziokulturelle Entwicklungen lassen sich nicht ohne Rückgriff auf diese drei Prinzipien erklären. Dabei passen Innovation und Variation gut zusammen. Den Diffusionsprozess kann man auch als Selektionsprozess deuten. Kandidaten der Selektion sind wohl nicht Innovationen, die es nicht schaffen, sondern vorhandene Objekte, Ideen und Verhaltensweisen, die verdrängt werden. Nach der Analogie zur Vererbung suche ich immer noch vergeblich.

Fazit: Es ist also allerhand zu bedenken, wenn man sich bei der sozialwissenschaftlichen Diffusionsforschung Rat holen will. Was als solche angeboten wird, scheint bisher doch noch zu sehr auf die Verbreitung von materiellen und immateriellen Technologien und von marktgängigen Produkten, Dienstleistungen und Immaterialgütern zentriert zu sein. Twinings Versuch, die Rezeption Schweizerischen Rechts in der Türkei mit Hilfe dieser Diffusionsforschung neu zu interpretieren, überzeugt mich nicht. Die Fragen, die mit ihrer Hilfe generiert werden, bleiben doch so allgemein, dass man sie wohl auch ohne diesen Umweg stellen kann. Dennoch: man kann nicht mehr über sozialen Wandel, Globalisierung oder gar Evolution reden, ohne das Phänomen der Diffusion zur Kenntnis zur nehmen, und sei es auch nur, um den eigenen Standpunkt von der Diffusionsforschung a là Rogers abzusetzen.

Nachtrag: Ein aktueller Beitrag zur Diffusion der speziellen Materie des Immigrationsrechts.

Shachar, Ayelet and Ghezelbash, Daniel, How and Why “Ideas Travel” in Migration Law and Policy (May 26, 2024). Forthcoming in: Kevin Cope, Stella Burch Elias, and Jill Goldenziel (eds), The Oxford Handbook of Comparative Immigration Law (Oxford University Press), UNSW Law Research Paper No. 24-14, Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4842136

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Everett M. Rogers, Diffusion of Innovations, 5. Aufl., New York, NY 2003. Ich zitiere nach der 3. Aufl. von 1983, die als PDF im Internet zur Verfügung steht.
2 Trisha Greenhalgh/Glenn Robert/Fraser Macfarlane/Paul Bate/Olympia Kyriakidou, Diffusion of Innovations in Service Organisations: Systematic Literature Review and Recommendations for Future Research, Milbank Quarterly 82, 2004, 581-629.
3 Vgl. Klaus F. Röhl, Entwicklungshilfe durch Recht und die Konvergenzthese, in: Michael Bäuerle u. a. (Hg.), Demokratie-Perspektiven, Festschrift für Brun-Otto Bryde zum 70. Geburtstag, Tübingen 2013, 675-710.
4 So explizit bei Rogers, der allerdings zwischen zentralisierter und dezentralisierter Diffusion unterscheiden will (1983:7).
5 The Transformational Use of Information and Communication Technologies in Africa.
6 Charity Holloway Mobile Phone Diffusion In Africa The Adoption of mobile phones in Africa and the Diffusion of Innovation, 2012?, http://charityholloway.com/projects/MobileAfrica.pdf.
7 Richard Rottenburg, Weit hergeholte Fakten, Eine Parabel der Entwicklungshilfe, Stuttgart 2002.
8 Volker Hoffmann, Book Review: Five editions (1962-2003) of Everett Rogers: Diffusion of Innovations, zitiert nach ders., Reader »Knowledge and Innovation Management«, 2011, S. 72.
9 Paul DiMaggio/Walter W. Powell, The Iron Cage Revisited: Institutional Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields, American Sociological Review 48 , 1983, 147-160. Deusch als Paul J. DiMaggio/Walter W. Powell, Das „stahlharte Gehäuse“ neu betrachtet: Institutionelle Isomorphie und kollektive Rationalität in organisationalen Feldern, in: Sascha Koch/Michael Schemmann (Hg.), Neo-Institutionalismus in der Erziehungswissenschaft, Grundlegende Texte und empirische Studien, Bd. 6, Wiesbaden 2009, S. 57-84.
10 Vgl. dazu den Eintrag Evolution des Rechts – mehr als eine Metapher oder nicht einmal das? vom 12. Februar 2009. Hier will ich noch auf vier Cluster von einschlägiger Literatur hinweisen. Der erste umfasst Arbeiten von Evolutionsspezialisten, die von der Biologie herkommen. Es handelt sich besonders um Robert Boyd, Peter J. Richerson ihre Schüler und Mitarbeiter. Das zweite Cluster enthält Arbeiten aus dem Max Planck Institute of Economics in Jena. Das dritte besteht aus den Beiträgen zu einem Symposium on Evolutionary Approaches to (Comparative) Law, das 2010 in Ghent stattfand. Das vierte Cluster ist ein Sammelsurium aus Internetressourcen, die von SEAL, der Society for Evolutionary Analysis in Law, auf ihrer Webseite gesammelt werden.
11 Geoffrey M. Hodgson/Thorbjørn Knudsen, Why We Need a Generalized Darwinism, and why Generalized Darwinism Is Not Enough, Journal of Economic Behavior & Organization 61, 2006, 1-19.

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Zur weiteren Vorbereitung auf eine Besprechung des Bandes »Travelling Models in African Conflict Management, Translating Technologies of Social Ordering« herausgegeben von Andrea Behrends, Sung-Joon Park und Richard Rottenburg (Leiden 2014) ist ein Blick auf den Begriff der Diffusion und damit verbundene Theorien hilfreich.

William L. Twining hat in zwei Aufsätzen, die aneinander anschließen, die dogmatisch orientierte Rechtsvergleichung, soweit sie sich mit der Frage der einseitigen oder wechselseitigen Beeinflussung verschiedener Rechtskreise befasst, mit der sozialwissenschaftlichen Diffusionstheorie konfrontiert – und beklagt, dass diese nicht rezipiert worden sei. [1]William L. Twining, Diffusion of Law: A Global Perspective, Journal of Legal Pluralism and Inofficial Law 49, 2004, 1-45; ders., Social Science and Diffusion of Law, Journal of Law and Society 32 , … Continue reading

Twining erinnert zunächst daran, dass die Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert einmal parallel zu Anthropologie und Soziologie über die Diffusion von Recht nachgedacht habe. Er nennt Gabriel Tarde, Henry Maine und Max Weber und verweist darauf, Diffusion habe als Gegenmodell zu einer naturgesetzlichen Evolution des Rechts gedient (2004:8; 2005:208). In der frühen Ethnologie kannte man ganz analog eine Konkurrenz von Evolutionismus und Diffusionismus. Für beides hat man heute wenig übrig. Als Autoren des Diffusionismus werden insbesondere Friedrich Ratzel und Leo Frobenius genannt. Wenn überhaupt, rekurriert man heute eher auf Franz Boas.

»Kritik am Diffusionismus … Erfindungen müssen nicht singuläre Ereignisse sein, sondern können durchaus unabhängig voneinander erfolgen. Die Bedeutung von Artefakten erschließt sich nur im sozialen Kontext und nicht im Archiv eines Museums durch einen Kulturvergleich. Aus der Ferne betrachtet könnte der Diffusionismus als eine frühe Form der Globalisierungstheorie erscheinen, doch wurden zentrale Elemente wie die Machtverhältnisse und der kreative Prozess der Aneignung nicht thematisiert. Gegen einen gemäßigten Diffusionismus, der die Verbreitung von Dingen und Gedanken in Zeit und Raum thematisiert, dürfte auch heute wenig einzuwenden sein. Die diffusionistische Forschung übersah jedoch die Pluralität der Deutungsmöglichkeiten von Dingen. Heute geht man davon aus, dass es kein ›Ding an sich‹ gibt, sondern Bedeutungen stets in den Interaktionen geschaffen werden.« [2]Frank Heidemann, Ethnologie, 2001, 62f; vgl. auch die ausführliche Webseite »Anthropological Theories«.

Inzwischen gibt es jedoch eine umfangreiche Literatur, die sich mit der Ausbreitung von Technologien und Unterhaltungsangeboten, Sprache und Religion, Sport und Musik oder Medizin befasst. Twining stellt fest, dass die Rechtswissenschaft den Kontakt mit dieser Forschung verloren habe, bemerkt freilich – mit gutem Grund – auch umgekehrt, dass die verschiedenen Sozialwissenschaften den großen – wie ich hinzufüge: faktengesättigten – Bestand an rechtsvergleichender Literatur nicht zur Kenntnis nehmen (2005:204f.). Deshalb stellt er (2005) einige Höhepunkte der rechtsvergleichenden Forschung dar. Einen Grund, der die juristische Rechtsvergleichung an einer interdisziplinären Orientierung hindert, sieht Twining darin, dass man von einem Exportmodell des Rechts geblendet sei. Das erläutert er in dem ersten Aufsatz von 2004. Im Zusammenhang mit den »Travelling Models« ist es vielleicht von Interesse, dass Twining zu Beginn seiner Laufbahn als Rechtslehrer sieben Jahre im Sudan (Khartum) und in Tansania unterrichtet hat. Vieles, was in der Abhandlung von 2004 zu lesen ist, könne aus der Feder eines Rechtsethnologen stammen.

Twining geht von dem fiktiven Extremfall aus, dass Land A von Land B unverändert ein Gesetz übernimmt, welches dort seither unverändert und unangefochten in Geltung und Wirkung ist. Dieser Fall dient als bloße Kontrastfolie dazu, zwölf Merkmale aufzuzeigen, die das Exportmodell charakterisieren, und um zu betonen, dass keines dieser Merkmale unverzichtbar ist und jedes von ihnen in großen Variationen auftreten kann. [3]Die folgende Liste entspricht der Tabelle von bei Twining 2006, 205f.

1. Ursprung – Ziel: Der Transfer muss nicht bipolar, das heißt von einem bestimmten Exporteur zu einem Importeur ablaufen. Alle Kombinationen kommen vor. Eine Quelle, mehrere Empfänger, mehrere Quellen, ein Empfänger, mehrere Quellen und mehrere Empfänger.
2. Ebenen: Der Transfer muss nicht auf einer Ebene und auch nicht auf Staatsebene stattfinden. Auf beiden Seiten können lokale, regionale oder transnationale Einheiten beteiligt sein.
3. Wege: Transfer verläuft nicht unbedingt in einer Richtung. Der Weg ist oft komplex. Es gibt wechselseitigen Einfluss und Re-Export.
4. Das fremde Recht kann explizit oder implizit, förmlich oder informell übernommen werden.
5. Gegenstand des Transfers können nicht nur Rechtsnormen, Rechtsbegriffe und Institutionen sein, sondern Rechtsphänomene aller Art einschließlich Ideologien, Theorien, Mentalitäten, Methoden, offizielle und inoffizielle Praktiken von Professionellen und Laien, dazu Organisation und Methoden der Juristenausbildung, der Rechtserziehung, literarische Genres, Formen der Dokumentation, Symbole, Rituale u. a. mehr.
6. Als Akteure beim Rechtstransfer kommen nicht bloß Regierungen in Betracht, sondern auch kommerzielle und andere Nicht-Regierungsorganisationen, Armeen, Individuen (Schriftsteller, Lehrer, Aktivisten, Lobbyisten oder Wissenschaftler) oder Gruppen, die ihr Recht mitbringen, wie z. B. Siedler, Missionare, Kaufleute, Sklaven, und Angehörige von Religionen.
7. Nicht immer lässt sich der Rechtstransfer genau datieren. Oft ist der Übernahmeprozess langfristig und ein Ende ist nicht in Sicht.
8. Typisch ist die Vorstellung, dass der Transfer von einem fortschrittlichen zu einem entwicklungsbedürftigen Rechtssystem verläuft, das modernisiert werden soll, in dem Lücken gefüllt oder vorhandenes Recht ersetzt werden soll. Umgekehrt kommt aber auch die Retraditionalisierung »moderner« Rechtsordnungen vor.
9. Auf der einen Seite steht die Vorstellung, das Recht unverändert oder mit geringen Anpassungen übernommen wird. Aber es gilt viel eher: »No transportation without transformation.« [4]Das Zitat bezieht Twining von Bruno Latour, Aramis or the Love of Technology, Harvard UP, 1996, S. 119, und bemerkt dazu: In cultural geography a basic notion is that the diffusing item is both a … Continue reading
10. Die vereinfachende Vorstellung geht dahin, dass das übernommene Recht eine Leerstelle ausfüllt oder vorhandenes Recht vollständig ersetzt. Es kann aber auch zu einer Assimilierung kommen oder es bilden sich verschiedene Rechtsschichten im Sinne eines pluralen Rechts. Manchmal bleibt das übernommene Recht bloße Fassade. Auch dauernder Widerstand gegen das übernommene Recht kommt vor.
11. Nach der vereinfachenden Vorstellung ist die Übernahme des Rechts technisch-instrumentell motiviert. Es handelt sich vornehmlich um »Juristenrecht«, dem politische und ideologische Motive fehlen. Rechtstransfer hat aber auch immer ideologische und kulturelle Aspekte.
12. Eine neue Tendenz in der Literatur, die sich mit der Ausbreitung von Recht befasst, geht dahin, von Erfolg oder Misserfolg einer Übernahme zu sprechen und diese möglichst auch zu messen (»audit culture«).

Was die sozialwissenschaftliche Diffusionstheorie betrifft, so stützt sich Twining zunächst auf die Arbeit von Everett M. Rogers, die ich bereits im Beitrag vom 11. 7. 2011 angesprochen habe. [5]Everett M. Rogers, Diffusion of Innovations, 5. Aufl., New York, NY 2003. Ich zitiere nach der 3. Aufl. von 1983, die als PDF im Internet zur Verfügung steht. Zusammenfassungen der elf Kapitel sind … Continue reading Rogers gilt als Klassiker der Diffusionstheorie.

Twining zieht ferner eine Untersuchung von Trisha Greenhalgh u. a. heran, die ab 2001 im Auftrag des UK Department of Health der Diffusion und Nachhaltigkeit von Innovationen im Gesundheitswesen nachging.

Greenhalgh u. a. haben einen Literaturbericht erstellt, der sich auf 1024 Quellen stützt. Die wesentlichen Ergebnisse wurden zunächst 2004 in einem Aufsatz zusammengefasst [6]Trisha Greenhalgh/Glenn Robert/Fraser Macfarlane/Paul Bate/Olympia Kyriakidou, Diffusion of Innovations in Service Organisations: Systematic Literature Review and Recommendations for Future Research, … Continue reading, der vollständige Bericht ist 2005 unter dem gleichen Titel als Buch erschienen. [7]Das Buch habe ich bisher nicht in der Hand gehabt. Rogers berief sich in der ersten Auflage von 1962 auf 506 empirische Untersuchungen. Bis zur fünften Auflage von 2003 hatte sich die Zahl der in Bezug genommenen Untersuchungen auf 5200 reichlich verzehnfacht. Kein Wunder, dass Greenhalgh u. a. sich mit den methodischen Herausforderungen einer solchen Kompilation befasst haben. [8]Storylines of Research in Diffusion of Innovation: A Meta-Narrative Approach to Systematic Review, Social Science & Medicine 61, 2005, 417–430. Hoffmann hält Rogers in seiner ausführlichen Rezension vor, dass er manches gerade gebogen habe, um sein Theoriegebäude zu bestätigen. Ich vermag das nicht selbst zu beurteilen. Greenhalgh u. a. denken soziologischer als Rogers. Ihre Aussagen sind weniger plakativ. Doch wenn Twining (2005:228) zwischen den Arbeiten von Rogers und Greenhalgh u. a. erstaunliche Konvergenzen feststellt, so ist das wohl doch in der Sache begründet:

»However, a striking feature of Rogers’s and Greenhalgh’s analyses is the unexpected connections, analogies, and generalizations that have emerged. Surprising leaps are taken from hybrid corn to poison pills; from hard tomatoes to modern maths; from family planning to transnational social movements.«

Die Anwendung sozialwissenschaftlicher Theorien auf die Diffusion von Recht erfordert Klarstellungen und Modifikationen, die bislang nicht ausgearbeitet worden sind. Auch wenn ich diese Lücke nicht füllen kann, so will ich doch im nächsten Beitrag berichten, wie ich mit dieser Fragestellung im Kopf Texte von Rogers und Greenhalgh u.a. gelesen habe.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 William L. Twining, Diffusion of Law: A Global Perspective, Journal of Legal Pluralism and Inofficial Law 49, 2004, 1-45; ders., Social Science and Diffusion of Law, Journal of Law and Society 32 , 2005, 203-240.
2 Frank Heidemann, Ethnologie, 2001, 62f; vgl. auch die ausführliche Webseite »Anthropological Theories«.
3 Die folgende Liste entspricht der Tabelle von bei Twining 2006, 205f.
4 Das Zitat bezieht Twining von Bruno Latour, Aramis or the Love of Technology, Harvard UP, 1996, S. 119, und bemerkt dazu: In cultural geography a basic notion is that the diffusing item is both a stimulus to a new innovation and itself subject to modification as it spreads.
5 Everett M. Rogers, Diffusion of Innovations, 5. Aufl., New York, NY 2003. Ich zitiere nach der 3. Aufl. von 1983, die als PDF im Internet zur Verfügung steht. Zusammenfassungen der elf Kapitel sind abgedruckt in dem Reader »Knowledge und Innovation Management«von Prof. Volker Hoffmann, Universität Hohenheim, dort S. 37-50. Dort S. 64-74 auch eine kritische Besprechung des Werk von Rogers, wie es sich über fünf Auflagen entwickelt hat.
6 Trisha Greenhalgh/Glenn Robert/Fraser Macfarlane/Paul Bate/Olympia Kyriakidou, Diffusion of Innovations in Service Organisations: Systematic Literature Review and Recommendations for Future Research, Milbank Quarterly 82, 2004, 581-629
7 Das Buch habe ich bisher nicht in der Hand gehabt.
8 Storylines of Research in Diffusion of Innovation: A Meta-Narrative Approach to Systematic Review, Social Science & Medicine 61, 2005, 417–430.

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Travelling Models II: Modelltransfer in der Governance-Forschung

Dieser und noch einige weitere Beiträge dienen (mir) zur Vorbereitung auf eine Besprechung des Bandes »Travelling Models in African Conflict Management, Translating Technologies of Social Ordering« herausgegeben von Andrea Behrends, Sung-Joon Park und Richard Rottenburg (Leiden 2014). Dieser Band ist gemeint, wenn »Travelling Models« in Anführungszeichen steht. [1]Der am 27. 8. 2014 Eintrag angekündigte Eintrag zur Diffusion folgt als nächster.

Governance-Forschung ist Rechtssoziologie unter fremdem Namen. Sie hat sich in der Wissenschaftslandschaft so breit gemacht, dass sie sich nicht mehr übersehen lässt. Das gilt natürlich aus meiner Sicht in erster Linie im Verhältnis zur Rechtssoziologie und Rechtsvergleichung. Das gilt aber auch für die Ethnologie im Allgemeinen und die »Travelling Models« im Besonderen. 2012 gab es in der Reihe Ethnoskripts des Instituts für Ethnologie der Universität Hamburg ein Schwerpunktheft »Governance«. Im Eintrag vom 23. 10. 2013 hatte ich dieses Heft dahin kommentiert, ich könne nicht erkennen, warum die Ethnologen dem Governance-Begriff nachliefen, es sei denn um an dem Momentum, mit dem dieser Begriff sich durchgesetzt hat, zu partizipieren. Aber das Thema des Modelltransfers ist in der Governance-Forschung so aktuell, und es wird dort so breit bearbeitet, dass man darüber nicht ganz hinweggehen kann. Dabei fällt auf, dass die Governance-Forschung mit Scheuklappen durch die Wissenschaftswelt geht. Von Ethnologie scheint man da noch nie etwas gehört zu haben.

Wo immer man sich in Deutschland mit öffentlichem Recht, Verwaltung, Europäisierung und Globalisierung befasst, ist auch von Governance die Rede, sei es auf breiter Front in Speyer, sei es in Hamburg [2]Hoffmann-Riem, Trute, Pilniok., sei es im Max-Planck-für Gesellschaftsforschung in Köln. [3]Dort gibt es einen Forschungsbereich »Governance of Global Structures«. Ich schätze besonders die Arbeiten von Quack und Djelic. Diese Begriffsverwendung sei hier mit einem Zitat kommentiert:

»Nun ist ja bekanntlich keine Form des Denkens davor gefeit, der Marktlogik unterworfen und in der Form des Begriffsdropping für Zwecke der Eigenreklame oder der Beförderung einer bestimmten Denkschule eingesetzt zu werden; jeder Person, die je Forschungsanträge geschrieben hat, ist diese Form des instrumentellen Denkens vertraut.« [4]Birgit Wagner, Kulturelle Übersetzung. Erkundungen über ein wanderndes Konzept, 2008: http://www.kakanien.ac.at/beitr/postcol/BWagner2.pdf.

Berlin ist das Zentrum der deutschen Governance-Forschung. Bis 2011 hatte das Wissenschaftszentrum Berlin eine Forschungsprofessur und Querschnittsgruppe »Neue Formen von Governance« um Gunnar Folke Schuppert. Zurzeit gibt es dort in der Forschungseinheit »Internationale Politik und Recht« um Michael Zürn eine Unterabteilung »Global Governance«. Am produktivsten ist aber der Sonderforschungsbereich 700 »Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit« an der FU. Er gibt im Nomos Verlag »Schriften zur Governanceforschung« heraus und hat von 2006 bis heute über 60 Working Papers veröffentlicht.

Der SFB 700 ist thematisch sehr nahe an der Ethnologie, weil er die »Räume begrenzter Staatlichkeit« in den Blick nimmt, die das bevorzugte Forschungsfeld der Ethnologen sind. Noch näher kommt er den »Travelling Models« scheinbar durch acht Working Papers, bei denen schon im Titel von »Governance Transfer« die Rede ist. Tatsächlich ist der Abstand enorm, denn die Governanten befassen sich auf der Makroebene mit dem Transfer von Menschenrechten, Demokratie, Rule of Law und Good Governance. Sie legen ein Exportmodell zugrunde, das anscheinend nicht so glatt funktioniert. Im Namen der Exporteure wird beklagt: »The differences we find between the governance transfers of our nine ROs indicate that the process of diffusion we may observe is ›localized‹ (Acharya 2004 ), meaning that it is driven or at least mitigated by region-specific, domestic factors.« Was die Lokalisierung betrifft, kommen sie also nicht weiter als bis 2004. Wenn es dann heißt: »The literature does not provide a theoretical approach that would be capable of explaining our double finding of growing similarities and persisting differences in governance transfer by regional organizations.« (S. 23), möchte man ihnen vorschlagen, sich den Hallenser Anthropologen Rat zu holen.

Eines der jüngsten Forschungspapiere (Nr. 60 von 2013) von Johannes Kode befasst sich mit »Social Conditions of Governance: Social Capital and Governance in Areas of Limited Statehood«. Darin wird ausführlich theoretisiert, dass »Governance ohne Staat»« stattfinden könne, wenn nur hinreichend Sozialkapital vorhanden sei. Für die Behauptung, »Governance without a state appears to be an empirical reality in many parts of the world«, werden Autoren aus dem eigenen Hause benannt, die ihrerseits konzipieren. [5]Nämlich Tanja A. Börzel/Thomas Risse, Governance without a State: Can It Work?, Regulation & Governance 4, 2010, 113-134. Diese führen (auf S. 120) zwar einige Beispiele für Ordnungsinseln an, zitieren dafür aber wiederum fast nur Autoren aus dem eigenen Hause. [6]Überhaupt erklärt sich die Produktivität des SFB erklärt sich zum Teil daraus, dass man sich immer wieder selbst zitiert und wiederholt. Das wichtigste Beispiel ist wohl Somaliland. Die Gewährsleute sprechen hier allerdings von einer »de facto state entity«. [7]Tobias Debiel/Rainer Glassner/Conrad Schetter/Ulf Terlinden, Local State‐Building in Afghanistan and Somaliland, Peace Review 21 , 2009, 38-44, S. 41.

[Nachtrag vom 1. 11. 2014: Ich bin darauf hingewiesen worden, dass Kode in seinem Paper als empirischen Beleg für »Governance ohne Staat« im weiteren Verlauf des Artikels die Autoren Raeymaekers, Rosenau/Czempiel, Richards/Khadija/Vincent, Reno, Mitchell, Lund, Debiel/Glassner/Schetter/Terlinden sowie Colletta/Cullen und Brinkerhoff et al. heranzieht, so dass unzutreffend der Eindruck erweckt werde, er habe sich auf »nur« auf Autoren aus dem eigenen Hause gestützt.]

Zu den umsichtigeren Autoren aus dem SFB zählt Antje Draude. Das zeigte sich schon in ihrer Diplomarbeit, die als Monographie veröffentlicht worden ist [8]Anke Draude, Der blinde Fleck der Entwicklungstheorie. Von der Unüberwindbarkeit der Modernisierungstheorie im Korruptionsdiskurs, 2007.. Mit Interesse habe ich von ihr auch gelesen »Governance in der postkolonialen Kritik: Die Herausforderung lokaler Vielfalt jenseits der westlichen Welt« [9]SFB Working Paper 24, 2010.

Über die Person einer Autorin des Bandes »Travelling Models«, bin ich auf einen gehaltvollen Beitrag zum Interdisziplinaritätshema gestoßen: Veronika Fuest, Alle reden von Interdisziplinarität aber keiner tut es – Anspruch und Wirklichkeit interdisziplinären Arbeitens in Umweltforschungsprojekten, 2004. Anscheinend funktioniert nicht einmal – wie ich sie nennen möchte – die kleine Interdisziplinarität. Gemeint ist die Kooperation zwischen Nachbardisziplinen und hier wiederum zwischen Forschergruppen, aus dem weiteren Bereich der Sozialwissenschaften, die auf dem gleichen Themenfeld tätig sind. Das betrifft nicht nur den SFB 700 in Berlin, sondern auch das GIGA Institut für Afrika-Studien in Hamburg. Die Hallenser (und andere) Ethnologen sind dort anscheinend unbekannt. Sonst hätten etwa Nadine Ansorg und Kim Schultze, Friedensinseln in Subsahara-Afrika, GIGA Focus Afrika, 2014, 1-8, den Text von Behrends und Schlee zitieren können oder gar müssen, in dem diese die These begründen, sei ein Irrtum, dass Ethnizität Ursache von Konflikten sei. [10]Andrea Behrends/Günther Schlee, Lokale Konfliktstrukturen in Darfour und dem Osten des Tschad oder: Was ist ethnisch an ethnischen Konflikten, in: Walter Feichtinger/Gerald Hainzl (Hg.), … Continue reading Auch der Artikel von Matthias Basedau, Annegret Mähler und Georg Strüver, Neue Erdölfunde in Afrika: Können Konflikte vermieden werden? [11]GIGA Focus 7, 2010, 1-8. bietet sich für wechselseitige Bezugnahmen an. Der naive Jurist sucht ferner nach einer Verbindung zwischen dem »Forschungsteam Natürliche Ressourcen und Sicherheit« im GIGA-Institut und dem Projekt »Oil and Social Change in Niger and Chad«, an dem Ethnologen aus Göttingen und Halle beteiligt sind. Sollte es da zwischen den verschiedenen Institutionen der Afrika-Forschung Wahrnehmungssperren geben?

Immerhin, die Zusammenarbeit zwischen vier Max-Planck-Instituten, darunter demjenigen für ethnologische Forschung in Halle, dem dortigen Seminar für Ethnologie und der Universität Freiburg scheint auf den ersten Blick zu funktionieren. Jedenfalls haben sie sich unter der Bezeichnung »International Max Planck Research School on Retaliation, Mediation and Punishment« zusammengefunden. Es gibt eine lange Liste von 71 Veröffentlichungen, die man sich zurechnet. Auch das Seminar für Ethnologie an der Universität Halle unter der Leitung von Richard Rottenburg ist beteiligt. Von dort heißt es vielversprechend: »His research focuses on the anthropology of law, organization, science and technology (LOST).« [12]Vgl. dazu den Eintrag vom 2. 8. 2014.

Noch einmal zurück zu den Transfer-Papers aus Berlin. In allen acht ist mindestens im Vorwort jedenfalls einmal von der »diffusion of a global governance script« die Rede. Beklagt wird auch der schlechte Zustand der »Diffusions- und Vergleichenden Regionalismusforschung«. [13]Bei Tanja A. Börzel/Vera van Hüllen/Mathis Lohaus, Governance Transfer by Regional Organizations, SFB-Governance Working Paper Nr. 42, Januar 2013. Zugegeben: Ich habe die Papiere nicht gründlich gelesen, sondern eher nur gescannt. Aber auch dabei hätte ich eigentlich auf eine Darstellung des beklagten Forschungszustandes treffen müssen. Fehlanzeige. Das ist Anlass, im nächsten Eintrag auf die Diffusion von Recht einzugehen, zumal Diffusion auch bei den Ethnologen ein eher ungeliebtes Thema ist.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Der am 27. 8. 2014 Eintrag angekündigte Eintrag zur Diffusion folgt als nächster.
2 Hoffmann-Riem, Trute, Pilniok.
3 Dort gibt es einen Forschungsbereich »Governance of Global Structures«. Ich schätze besonders die Arbeiten von Quack und Djelic.
4 Birgit Wagner, Kulturelle Übersetzung. Erkundungen über ein wanderndes Konzept, 2008: http://www.kakanien.ac.at/beitr/postcol/BWagner2.pdf.
5 Nämlich Tanja A. Börzel/Thomas Risse, Governance without a State: Can It Work?, Regulation & Governance 4, 2010, 113-134.
6 Überhaupt erklärt sich die Produktivität des SFB erklärt sich zum Teil daraus, dass man sich immer wieder selbst zitiert und wiederholt.
7 Tobias Debiel/Rainer Glassner/Conrad Schetter/Ulf Terlinden, Local State‐Building in Afghanistan and Somaliland, Peace Review 21 , 2009, 38-44, S. 41.
8 Anke Draude, Der blinde Fleck der Entwicklungstheorie. Von der Unüberwindbarkeit der Modernisierungstheorie im Korruptionsdiskurs, 2007.
9 SFB Working Paper 24, 2010.
10 Andrea Behrends/Günther Schlee, Lokale Konfliktstrukturen in Darfour und dem Osten des Tschad oder: Was ist ethnisch an ethnischen Konflikten, in: Walter Feichtinger/Gerald Hainzl (Hg.), Krisenmanagement in Afrika, Erwartungen, Möglichkeiten, Grenzen, Wien 2009, 159-178.
11 GIGA Focus 7, 2010, 1-8.
12 Vgl. dazu den Eintrag vom 2. 8. 2014.
13 Bei Tanja A. Börzel/Vera van Hüllen/Mathis Lohaus, Governance Transfer by Regional Organizations, SFB-Governance Working Paper Nr. 42, Januar 2013.

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Travelling Models I: Rechtsvergleichung

Vor vier Jahren habe ich in zwei Einträgen die travelling models der Hallenser Ethnologen angesprochen. [1]Treibball in die Rechtssoziologie vom 2. Juli 2010 und Wandernde Rechtskonzepte vom 18. September 2010. Damals gab es ein Paper im Internet, das längst wieder verschwunden ist. In diesem Jahr nun ist der angekündigte Sammelband mit dem entsprechenden Titel erschienen. Die Lektüre war durchaus erfreulich, wiewohl die leise Kritik, die ich im Eintrag vom 18. 9. 2010 angedeutet habe, sich als berechtigt erweist.

Andrea Behrends/Sung-Joon Park/Richard Rottenburg (Hg.), Travelling Models in African Conflict Management, Translating Technologies of Social Ordering, Leiden 2014 [2]Das Buch ist weitgehend bei Google-Books einsehbar.

Doch bevor ich mich an einem Bericht über diesen Band versuche, muss ich ein bißchen zur Selbstverständigung reflektieren. Denn einerseits zählen Ethnologie und/oder Anthropologie zu den interessantesten Nachbarwissenschaften der Rechtssoziologie. Andererseits »ticken« die Ethnologen anders, so dass ich ständig in Gefahr bin, etwas falsch zu verstehen oder zu bewerten. Im Vorgriff auf Richard Rottenburg kann ich auch sagen: Ethnologie und (meine) Rechtssoziologie leben mit einem unterschiedlichen kulturellen Code. Unter einem kulturellen Code versteht Rottenburg das Hintergrundverständnis, das die Weltwahrnehmung und -Deutung lenkt. Soweit es um Wissenschaft geht, würde man freilich eher von einem epistemischen Paradigma sprechen. Ethnologen suchen ständig nach Vielfalt. Von nicht wenigen Rechtssoziologen wird dieses Vorverständnis geteilt. Sie sehen sich als Rechtspluralisten und suchen und schätzen die Vielfalt des Rechts. Ich selbst dagegen suche, ohne die Vielfalt zu leugnen oder gar gering zu schätzen, nach der Einfalt in der Vielfalt, das heißt, nach Konvergenz.

Dabei geht es nicht allein um Konvergenz und Differenz auf der Objektebene. Schon hinsichtlich Theorie, Methode und Themenwahl lässt sich über die Disziplingrenzen hinweg nach Konvergenz und Differenzen fragen. Die Konvergenz erscheint mir frappierend, wenn man die Parallelen zwischen Rechtsvergleichung und/oder Rechtssoziologie einerseits und Ethnologie und/oder Anthropologie andererseits ansieht. Dann erscheinen sogar fachinterne Differenzierungen, etwa die zwischen Funktionalisten und Kulturalisten, selbst wiederum als Einfalt der Vielfalt, das heißt letztlich als Konvergenz.

Bei den »Travelling Models« geht es um den Transfer von Ideen oder Konzepten zur Gestaltung der Gesellschaft. Die von den Hallenser Ethnologen als travelling models untersuchten Konzepte haben alle in irgendeiner Weise Rechtscharakter. »Travelling Law«, also der Transfer von Recht, die freiwillige oder erzwungene, beabsichtigte oder unbeabsichtigte Übernahme einer ganzen Rechtsordnung oder einzelner Teile in andere Länder mit einer anderen kulturellen Umgebung ist ein Standardthema von Rechtsvergleichung und Rechtssoziologie – die sich bei seiner Behandlung kaum auseinanderhalten lassen. Das Thema wird heute bevorzugt im Zusammenhang mit der Globalisierung erörtert, und dabei geht es immer wieder um Pluralität, Divergenz und Konvergenz des Rechts.

In der Rechtsvergleichung gibt es im Prinzip drei unterschiedliche Ansätze. Der erste ist die dogmatisch orientierte Regelvergleichung. Sie kommt typisch zum Einsatz, wenn in einem Gerichtsverfahren das Internationale Privatrecht auf ausländisches Recht verweist, etwa für die Frage, wie das inländische Vermögen eines hier verstorbenen Ausländers vererbt wird (Art. 25 EGBGB). Die Regelvergleichung hat zu einer enormen Anhäufung von Einzelwissen geführt, das freilich so vergänglich ist wie das positive Recht selbst.

Schon die bloße Regelvergleichung kommt nicht ohne eine funktionalistische Betrachtungsweise aus, denn die Regeln fremder Rechte sind oft anders benannt und geordnet, so dass man nicht einfach auf bestimmte Regeln zugreifen kann, sondern zunächst das Sachproblem identifizieren muss, für das eine Regel gesucht wird. In diesem Sinne ist die klassische Rechtsvergleichung seit Ernst Rabel, Konrad Zweigert und Hein Kötz funktionalistisch. Sie hat zudem ein praktisches Ziel, nämlich die Suche nach vergleichsweise besseren Problemlösungen. Diese Art der Rechtsvergleichung hat insofern Konvergenz im Hinterkopf, als sie rechtspolitisch in das Geschäft der Harmonisierung oder gar Vereinheitlichung des Rechts eingespannt ist.

Die explizit funktionalistische Rechtsvergleichung geht noch einen Schritt weiter. [3]Ausführlich zur funktionalistischen Rechtsvergleichung Julie de Coninck, The Functional Method of Comparative Law: Quo Vadis?, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht … Continue reading Sie nimmt an, dass die zu regelnden Probleme in verschiedenen Gesellschaften mehr oder weniger gleich sind, und meint, nur im Hinblick auf vergleichbare Problemlagen lasse sich das Recht überhaupt vergleichen. Mindestens hinsichtlich dieses Ausgangspunkts denkt sie universalistisch. Die funktionalistische Rechtsvergleichung entspricht damit dem Vorschlag, mit dem Walter Goldschmidt das Malinowski-Dilemma der Anthropologie lösen wollte, das Problem nämlich, das sich ergibt, wenn man einerseits soziale Institutionen als Produkt einer spezifischen Kultur erklärt, andererseits aber auch die Institutionen als solche vergleichen möchte. Dann fehlt ein tertium comparationis, wenn man nicht davon ausgeht, dass Institutionen jeweils bestimmte gleichartige Probleme lösen. [4]Walter Goldschmidt, Comparative Functionalism: An Essay in Anthropological Theory, Berkeley 1966. Das ist allerdings noch nicht der Weisheit letzter Schluss, den auch Problemwahrnehmung und Definition sind nicht kulturunabhängig.

Die funktionalistische Rechtsvergleichung ist geneigt, auf globaler Ebene eine gewisse Konvergenz der Problemlösungen wahrzunehmen. Bei ihrer Vergleichsarbeit sucht sie nicht bloß nach formellem Recht, dass für die Probleme relevant ist, sondern zieht auch einschlägige informelle Institutionen heran. Damit rückt sie in die Nähe des Neoinstitutionalismus. [5]Dazu voraussichtlich demnächst Travelling Models IV.

Seit nunmehr etwa 30 Jahren hat als dritter der kulturwissenschaftliche Ansatz in Rechtssoziologie und Rechtsvergleichung Eingang gefunden. [6]Ausführlicher Rechtssoziologie-Online § 15, Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft. Er äußert sich in zwei ganz unterschiedlichen Betrachtungsweisen. Die eine betont, dass an die Stelle von Rechtsvergleichung Rechtskulturvergleichung treten solle. Dieser Ansatz, der vor allem auf Arbeiten von Lawrence M. Friedman zurückgeht, sieht das Recht selbst als kulturelles Phänomen, das viel mehr umfasst als das offizielle Recht, nämlich das praktisch gelebte Recht und als dessen Grundlage das Rechtsbewusstsein der Menschen. Es geht gewissermaßen um eine ganzheitliche Betrachtung eines Rechtssystems oder bestimmter Teile. Bevorzugte Untersuchungseinheiten sind nationale Rechtssysteme. Dann ist etwa von den Unterschieden amerikanischer und deutscher Rechtskultur die Rede. Nicht selten wird aber auch die Besonderheit von lokalen Rechtskulturen (local legal cultures) herausgestellt.

Den Gegenpol zur funktionalistischen Rechtsvergleichung, auf den es mir hier ankommt, bildet eine kulturalistische Rechtsvergleichung, die auf Kultur als externe Umgebung des Rechts abstellt. Während der Begriff der Rechtskultur auf Systemeigenschaften des Rechts abzielt, wird »Kultur« hier als Gegenstück zum Recht verstanden, etwa wenn man sagt, das liberal-demokratische Rechtskonzept der westlichen Industrienationen vertrage sich nicht mit der islamischen Kultur (was ich nicht sage). »Kultur« als Umwelt des Rechts kann so zur Erklärung bestimmter Eigenschaften des Rechts dienen.

Die kulturalistische Rechtsvergleichung lässt sich von der Idee bestimmen, dass jede Kultur ein in sich geschlossenes Gefüge eigener Art bildet, ein Ensemble von aufeinander abgestimmten Lebensformen, Verhaltensweisen und Normen, dass die Kulturen untereinander inkommensurabel sind und dass es auch keinen neutralen Maßstab, gibt an dem sie sich messen lassen. Alle Beobachtungen und Interpretationen werden danach von der Zugehörigkeit zu einer Kultur gesteuert und sind insofern relativ. Kulturalistische Rechtsvergleichung sucht daher, anders als die funktionalistische, nicht nach Übereinstimmungen oder gar Konvergenzen in den vielen verschiedenen Rechtsordnungen, sondern sie bleibt bei der Feststellung von Differenzen stehen, um sie aus dem jeweils unterschiedlichen kulturellen Kontext zu erklären. [7]Zur Kritik der funktionalistischen Methode durch »kritische Differenztheoretiker« De Coninck S. 323 ff. Konsequent führt die Wertschätzung kultureller Vielfalt auch zur Wertschätzung von rechtlicher Differenz. Wenn und weil jede Kultur ihre eigene Identität besitzt, ist sie notwendig besonders. Wenn das Recht in die umgebende Kultur eingebettet ist, so muss es notwendig anders sein. [8]Roger B. M. Cotterrell, Comparative Law and Legal Culture, in: Mathias Reimann/Reinhard Zimmermann (Hg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, Oxford 2006, 709-737. S. 711f. Da die Interpretation von Recht und damit auch die Praxis jeweils von einem kulturell geprägten Vorverständnis geleitet werde, lasse sich auch durch eine Angleichung der Regeln letztlich keine Harmonisierung des Rechts erreichen. [9]Pierre Legrand, European Legal Systems Are Not Converging, The International and Comparative Law Quarterly 45, 1996, 52-81.

Da es heute stets um Globalisierung geht, kann man den Gegensatz zwischen funktionalistischer und kulturalistischer Rechtsvergleichung sehr verkürzt dahin formulieren: Die einen haben im Hinterkopf die These von der Konvergenz des Rechts im globalen Maßstab, die anderen arbeiten mit der Vorannahme, dass das Recht wie die Kultur prinzipiell vielfältig bleibt. Es steht sozusagen global legal pluralism [10]Wenn von Rechtspluralismus die Rede ist, meint man allerdings in erster Linie dass zur selben Zeit und am gleichen Ort verschiedene Rechts zur Auswahl stehen, konkurrieren oder sich bekämpfen. Zum … Continue reading gegen die Vorstellung einer globalen Konvergenz des Rechts. Der unterschiedliche Ausgangspunkt dürfte eigentlich kein Problem sein, wenn man den Gegensatz als Frage an die Empirie formuliert, nämlich als Frage, ob und wieviel Konvergenz sich beobachten lässt bzw. umgekehrt, ob und wieviel Differenz [11]Zum Unterschied von Konvergenz und Homogenität einerseits und Divergenz und Differenz im Sinne von Diversität oder Vielfalt andererseits vgl. den Eintrag vom 1. 10. 2012 »Die Einfalt der … Continue reading verbleibt.

Die Übertragung von Institutionen oder auch nur singulären Normen aus einem Rechtskreis in einen anderen wird unter Stichworten wie Einfuhr und Ausfuhr, Rezeption und Oktroyierung von Recht, Rechtstransfer, legal transplant [12]Z. B. John Stanley Gillespie, Transplanting Commercial Law Reform, Developing a »Rule of Law« in Vietnam, Aldershot 2006; Gail J. Hupper, The Academic Doctorate in Law: A Vehicle for Legal … Continue reading oder imposition of law [13]Sandra B. Burman/Barbara E. Harrell-Bond (Hg.), The Imposition of Law, New York 1979. abgehandelt. Die Stichworte konnotieren eher mit intendiertem Handeln. Daneben steht die unbeabsichtigte Diffusion von Ideen, Konzepten und auch konkreten Normierungen. Dazu im nächsten Eintrag.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Treibball in die Rechtssoziologie vom 2. Juli 2010 und Wandernde Rechtskonzepte vom 18. September 2010. Damals gab es ein Paper im Internet, das längst wieder verschwunden ist.
2 Das Buch ist weitgehend bei Google-Books einsehbar.
3 Ausführlich zur funktionalistischen Rechtsvergleichung Julie de Coninck, The Functional Method of Comparative Law: Quo Vadis?, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 74, 2010, 318-350.
4 Walter Goldschmidt, Comparative Functionalism: An Essay in Anthropological Theory, Berkeley 1966.
5 Dazu voraussichtlich demnächst Travelling Models IV.
6 Ausführlicher Rechtssoziologie-Online § 15, Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft.
7 Zur Kritik der funktionalistischen Methode durch »kritische Differenztheoretiker« De Coninck S. 323 ff.
8 Roger B. M. Cotterrell, Comparative Law and Legal Culture, in: Mathias Reimann/Reinhard Zimmermann (Hg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, Oxford 2006, 709-737. S. 711f.
9 Pierre Legrand, European Legal Systems Are Not Converging, The International and Comparative Law Quarterly 45, 1996, 52-81.
10 Wenn von Rechtspluralismus die Rede ist, meint man allerdings in erster Linie dass zur selben Zeit und am gleichen Ort verschiedene Rechts zur Auswahl stehen, konkurrieren oder sich bekämpfen. Zum Rechtspluralismus ausführlich Klaus F. Röhl/Stefan Machura, 100 Jahre Rechtssoziologie: Eugen Ehrlichs Rechtspluralismus heute, Juristenzeitung, 2013, 1117-1128.
11 Zum Unterschied von Konvergenz und Homogenität einerseits und Divergenz und Differenz im Sinne von Diversität oder Vielfalt andererseits vgl. den Eintrag vom 1. 10. 2012 »Die Einfalt der Vielfalt«.
12 Z. B. John Stanley Gillespie, Transplanting Commercial Law Reform, Developing a »Rule of Law« in Vietnam, Aldershot 2006; Gail J. Hupper, The Academic Doctorate in Law: A Vehicle for Legal Transplants?, SSRN: http://ssrn.com/abstract=1126358; Vlad Perju, Constitutional Transplants, Borrowing, and Migrations, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1982230; Holger Spamann, Contemporary Legal Transplants – Legal Families and the Diffusion of (Corporate) Law, Brigham Young University Law Review, 2009, 1813-1877. Einen neuen Band zum Thema habe ich noch nicht in der Hand gehabt: Eugenia Kurzynsky-Singer (Hg.), Transformation durch Rezeption?, Möglichkeiten und Grenzen des Rechtstransfers am Beispiel der Zivilrechtsreformen im Kaukasus und in Zentralasien, 2014.
13 Sandra B. Burman/Barbara E. Harrell-Bond (Hg.), The Imposition of Law, New York 1979.

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»Erotisches Kapital«: Nachträge statt Fortsetzung

Die Fortsetzung des Eintrags vom 24. 2. lässt schon über einen Monat auf sich warten. Der Grund ist simpel. Ich habe mich mit dem Thema übernommen, und zwar gleich mehrfach. Erstens braucht es für eine handfeste ökonomische Analyse sozialer Beziehungen Kompetenz und Übung, an denen es mangelt. Zweitens müsste man, um den »Markt« mit seinen Akteuren, Ressourcen und Bedürfnissen handfest zu beschreiben, wohl doch tiefer in die Literatur über Sexualität im Allgemeinen und Besonderen einsteigen, als ich Lust habe. Drittens stößt man überall auf foucaultischen Konstruktivismus, der mir eher fernliegt. Und viertens steht man bei diesem Thema stets ganz nahe an dem Abgrund feministischer Verdammnis. Ich will versuchen, mich jedenfalls oberflächlich aus der Affäre zu ziehen. Heute reicht es aber nur zu zwei Nachträgen, die immerhin zeigen mögen, dass ich das Thema nicht aufgegeben habe.
1. Ausgangspunkt war die Annahme, dass die männliche Nachfrage nach sexuellen Begegnungen mit Frauen das Angebot = weibliche Nachfrage um etwa das Zehnfache übersteigt. In den letzten Wochen häufen sich in den Gazetten, ausgelöst wohl durch ein Buch »Die versteckte Lust der Frauen« (das ich nicht gelesen habe), Berichte, nach denen Frauen in ihrem sexuellen Appetit mit den Männern gleichgezogen hätten [1]Angeführt werden Daniel Bergner, Die versteckte Lust der Frauen. Ein Forschungsbericht, 2014; sowie Volkmar Sigusch, Sexualitäten, Eine kritische Theorie in 99 Fragmenten, 2013.. Es hat sich in den letzten Jahrzehnten viel verändert. Aber darauf will ich mich nicht einlassen, denn die patriarchalische Sozialstruktur, die es zu erklären gilt, ist älter. Die Frage lautet, um sie noch einmal zu wiederholen, warum es Frauen im Laufe der Geschichte nicht gelungen ist, ihre überlegene Position auf dem Markt der sexuellen Beziehungen in Status und Macht umzusetzen.
2. Aus dem Leserkreis bin ich auf zwei Rezensionen des Hakim-Buchs aufmerksam gemacht worden: Andreas Schmitz/Hans-Peter Blossfeld, Rezension von Catherine Hakim: Erotic Capital: The Power of Attraction in the Boardroom and the Bedroom, New York: Basic Books, 2011, in: European Sociological Review, März 2012. Zur deutschen Übersetzung des Buches haben dieselben Autoren ihre Rezension der der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 64, 2012, 836-838, veröffentlicht.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Angeführt werden Daniel Bergner, Die versteckte Lust der Frauen. Ein Forschungsbericht, 2014; sowie Volkmar Sigusch, Sexualitäten, Eine kritische Theorie in 99 Fragmenten, 2013.

Ähnliche Themen

»Erotisches Kapital« und »Sexdefizit«: Auf dem Weg zur ökonomischen Analyse des Geschlechterverhältnisses

Wo bleibt die Frauenpower? Mit dieser Frage und der Ankündigung einer Fortsetzung endete der Eintrag vom 29. 12. 2013. Ich hatte zwar schon einige Literatur gesammelt und eine gewisse Vorstellung, wie es weitergehen könnte, hatte aber nicht bedacht, dass ich zunächst einigen Prämissen, die sich vielleicht als Vorurteile herausstellen könnten, gründlicher nachgehen müsste. Diese Arbeit will und kann ich nicht leisten. Deshalb begnüge ich mich damit, diese Prämissen hier offen zu legen.

1. Der sexnegative Feminismus, der in jedem Geschlechtsverkehr eine kleine Vergewaltigung erblickt, ist ein Eigentor.
2. Der Belohnungswert sexueller Befriedigung ist für Frauen an sich nicht geringer als für Männer.
3. Weil der Verkehr für Frauen andere Folgen haben kann als für Männer, hat die Evolution Frau und Mann mit einem unterschiedlichen Appetenzverhalten hinsichtlich sexueller Kontakte mit dem anderen Geschlecht ausgestattet.

Dies vorausgeschickt, lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, dass die männliche Nachfrage nach Sexualität größer ist als das weibliche Angebot.

Hakim, die viele Quellen ausgewertet hat, kommt zu dem Ergebnis, »dass der männliche Bedarf an sexueller Betätigung und sexueller Vielfalt über das ganze Leben gesehen im Durchschnitt zwei bis zehnmal höher ist als das sexuelle Interesse von Frauen« [1]Catherine Hakim, Erotisches Kapital, 2011, S. 73. Ich will und kann die Quellen, auf die Hakim und andere sich stützen, nicht prüfen und diskutieren. [2]Zusätzlich habe ich nur noch Roy F. Baumeister/Kathleen R. Catanese/Kathleen D. Vohs, Is There a Gender Difference in Strength of Sex Drive? Views, Conceptual Distinctions, and a Review of Relevant … Continue reading Nur einen ganz kleinen Zweifel will ich anmelden. Wenn in den zitierten Untersuchungen immer wieder davon die Rede ist, Männer berichteten über zehnmal so viele Sexualpartner wie Frauen, dann stellt sich doch die Frage, wo diese Partner(innen) in der Statistik bleiben. Eine gewisse Bestätigung für den männlichen Nachfrageüberhang liefert immerhin die Tatsache, dass Prostitution ein weibliches Phänomen ist, mag es hier und da auch Strichjungen oder Callboys geben. Eine Nebenrolle spielen Männer, die das weibliche Geschlecht angenommen haben. Die Nachfrage kommt praktisch ausschließlich von der Männerseite.

Den männlichen Nachfrageüberhang bezeichnet Hakim als Sexdefizit. Frauen sind damit Anbieter eines knappen Gutes. Dieses Angebot hat Hakim auf den Begriff des erotischen Kapitals gebracht.

Wenn dem so ist – und davon gehe ich aus –, drängt sich die Frage auf, warum Frauen den Nachfrageüberhang auf der Männerseite oder umgekehrt ihr erotisches Kapital nicht in einen Machtgewinn umsetzen können. Wo also bleibt die Frauenpower? Selbstverständlich kommt es immer wieder vor, dass Frauen ihre sexuelle Attraktivität benutzen, um dadurch Vorteile jenseits einer bloß sexuellen Beziehung zu erlangen. Soziologisch geht es jedoch um die Frage, ob und wie der männliche Überhang an Nachfrage nach Sexualität strukturell auf das Geschlechterverhältnis einwirkt. Nach der Situationslogik des Tausches könnte man vermuten, dass sich die Sozialstruktur ganz allgemein im Sine eines Matriarchats und einer Diskriminierung der Männer entwickelt hätte. Aber soziale Institutionen entwickeln sich nicht ohne weiteres »logisch«. Vielleicht hilft die ökonomische Analyse des Geschlechterverhältnisses hier weiter.

Der Begriff der Sexualökonomie ist durch den Psychoanalytiker Wilhelm Reich vorgeprägt oder gar belastet. Reich gründete 1934 im dänischen Exil eine Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie, die vier Jahre Bestand hatte. [3]Wikipedia, Artkel »Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie« Das sollte aber kein Hindernis sein, diesen Begriff unbefangen für eine ökonomische Analyse der Sexualbeziehungen zu verwenden. Dabei sollte klar sein, dass es allenfalls am Rande wie bei der Prostitution um einen direkten Tausch von Sexualität gegen Geld oder andere materielle Werte geht, sondern viel allgemeiner um sozialen Tausch, bei dem Angebot und Nachfrage nach Sexualität im weitesten Sinne eine Rolle spielen.

Die ökonomische Analyse des Geschlechterverhältnisses nach dem Vorbild der Arbeiten von Gary Becker hat sich bisher auf die Partnerwahl und die Arbeitsverteilung innerhalb der Ehe konzentriert. Dabei wurden die sexuellen Beziehungen als solche nicht in Rechnung gestellt. Das beginnt sich jetzt zu ändern. Auf der einen Seite sind es Psychologen, die die weibliche Sexualität als Handlungsressource in den Blick nehmen. [4]Roy F. Baumeister/Kathleen D. Vohs, Sexual Economics: Sex as Female Resource for Social Exchange in Heterosexual Interactions, Personality and Social Psychology Review 8, 2004, 339-363; dies., Sexual … Continue reading Sie ordnen sich selbst nicht der ökonomischen Analyse, sondern der sozialen Austauschtheorie zu. Auf der anderen Seite sind es Soziologen, an ihrer Spitze Hakim [5]Catherine Hakim, Erotic Capital, European Sociological Review 26, 2010, 499-518., die analog zu den Begriffen Sozialkapital, Humankapital und kulturelles Kapital das Konzept des erotischen Kapitals entwickeln.

Den Begriff des sexuellen Kapitals hatte bereits Robert T. Michael als Erweiterung des Konzepts »Gesundheitskapital« zur Debatte gestellt. [6]Robert T. Michael, Sexual Capital: An Extension of Grossman’s Concept of Health Capital, Journal of Health Economics 23, 2004, 643-652. Michael definiert: »A person’s sexual capital will be defined as the present value of flow of benefits from sexual enjoyment over the remaining lifetime.«, um dann zu erklären, welchen Risiken dieses Kapital ausgesetzt ist – vor allem dem Risiko der Ansteckung mit HIV beim Geschlechtsverkehr – und mit welchen Kosten es erhalten werden muss. Die Definition erfasst deshalb auch nur den Gebrauchswert des Sexualkapitals, nicht seinen Tauschwert, um den es geht, wenn Angebot und Nachfrage zur Debatte stehen.

Hakims Konzept ist eine offene Analogie zu Bourdieus Trias von ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital [7]Pierre Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183-198.. Doch sie gibt dieser Analogie eine individualistische Färbung, mit der die Fragestellung, um die es mir geht, nicht zu beantworten ist. Mindestens die populäre oder gar populistische Ausschlachtung des Konzepts durch das nachfolgende Buch lässt sich aus gutem Grund kritisieren, denn sie läuft darauf hinaus, den Einzelkampf mit den »Waffen einer Frau« zu legitimieren. [8]Aus der feministischen Szene gab es wütende Kommentare, z. B. auf dem Blog »Another Angry Woman« Eine ernsthafte Rezension habe ich nicht gefunden. Immerhin war Hakim im WZB zu einer … Continue reading Ganz abgesehen davon, dass eine solche Aufwertung des (individuellen) erotischen Kapitals eine Mehrheit von Minderbemittelten zurücklässt, sind Paarbeziehungen und andere Begegnungen zwischen Frau und Mann sehr viel komplexer. Das ändert aber nichts daran, dass sich solche Beziehungen und Begegnungen mit den Instrumenten der Tauschtheorie und/oder der ökonomischen Analyse untersuchen lassen. Darüber will ich nach Möglichkeit in einem weiteren Beitrag berichten.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Catherine Hakim, Erotisches Kapital, 2011, S. 73.
2 Zusätzlich habe ich nur noch Roy F. Baumeister/Kathleen R. Catanese/Kathleen D. Vohs, Is There a Gender Difference in Strength of Sex Drive? Views, Conceptual Distinctions, and a Review of Relevant Evidence, Personality and Social Psychology Review 5, 2001, 242-273, herangezogen.
3 Wikipedia, Artkel »Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie«
4 Roy F. Baumeister/Kathleen D. Vohs, Sexual Economics: Sex as Female Resource for Social Exchange in Heterosexual Interactions, Personality and Social Psychology Review 8, 2004, 339-363; dies., Sexual Economics, Culture, Men, and Modern Sexual Trends, Society 49, 2012, 520-524; Kathleen D. Vohs/Jannine Lasaleta, Heterosexual Sexual Behavior Is Governed by Social Exchange and Basic Economic Principles: Sexual Economics Theory, Minnesota Journal of Law, Science & Technology 9, 2008, 785-802.
5 Catherine Hakim, Erotic Capital, European Sociological Review 26, 2010, 499-518.
6 Robert T. Michael, Sexual Capital: An Extension of Grossman’s Concept of Health Capital, Journal of Health Economics 23, 2004, 643-652.
7 Pierre Bourdieu, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183-198.
8 Aus der feministischen Szene gab es wütende Kommentare, z. B. auf dem Blog »Another Angry Woman« Eine ernsthafte Rezension habe ich nicht gefunden. Immerhin war Hakim im WZB zu einer Vortragsveranstaltung eingeladen, und auch die FAZ hielt das Buch für wichtig genug, um es kurz (von Thomas Karlauf am 8. 110. 2011) besprechen zu lassen.

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Prostitution und Frauenpower

Die aktuelle Debatte um die Kriminalisierung der Prostitution interessiert mich nicht wirklich. Und so habe ich auch nicht alle Zeitungsbeiträge und schon gar nicht das Buch von Alice Schwarzer gelesen. Gelesen habe ich aber, was Martha Nussbaum in der Stanford Encyclopedia of Philosophy über »Feminist Perspectives on Sex Markets« schreibt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Für die Rechtssoziologie interessiert aber die empirische Basis der Diskussion. Interessanter noch wäre eine prinzipielle Verzerrung der Diskussion, die auf die Wahrnehmung des Geschlechterverhältnisses im Allgemeinen zurückwirken könnte. Eine solche Verzerrung könnte durch eine ökonomische Analyse der Sexualität zu Tage treten.
Gegenüber der Prostitution sind zwei gegensätzliche Positionen denkbar und werden vertreten, eine prohibitionistische und eine individualistisch-liberale. [1]Ausführlich und differenziert Joachim Renzikowski, Reglementierung von Prostitution: Ziele und Probleme – eine kritische Betrachtung des Prostitutionsgesetzes. Gutachten im Auftrag des BMFSFJ, o. … Continue reading Die eine sieht in der Bezahlung von sexuellen Diensten eine Form der Gewaltausübung gegen Frauen und eine unmoralische Kommodifizierung der Sexualität. Konsequenz ist die Ächtung der Prostitution und ihre Bekämpfung, insbesondere auch mit strafrechtlichen Mitteln. Diese Auffassung ist so weit verbreitet, dass von einem moralischen Kreuzzug gegen die Prostitution [2]Ronald Weitzer, Moral Crusade Against Prostitution, Society 43, 2006, 3-38. die Rede ist. Heimat vieler Kreuzritter ist Schweden, von wo aus sie das »Schwedische Modell« in Europa und darüber hinaus zu verbreiten suchen. Man staunt, dass sich auch DER SPIEGEL, der sich sonst viel auf seine Liberalität zugutehält, der Kriminalisierungskampagne angeschlossen hat. [3]Dazu erfrischend und voller Information die Stellungnahme des Frankfurter Huren-Unterstützungsvereins Doña Carmen vom 29. 5. 2013.
Die andere individualistische Auffassung betont die Autonomie der Frauen, und damit deren Recht, auch sexuelle Dienstleistungen anzubieten. Sie ist der Ansicht, dass eine Entkriminalisierung den betroffenen Frauen helfen würde. Selbstverständlich besteht Einigkeit, dass bestimmte Begleiterscheinungen der Prostitution kriminalisiert bleiben und bekämpft werden müssen. Das gilt vor allem für Frauenhandel. Aber schon bei der Frage nach zulässigen Organisationsformen der Prostitution (Bordell, Zuhälter) scheiden sich die Geister, und kaum weniger umstritten ist, wieweit rechtlich nicht verbotene Prostitution öffentlich sichtbar werden darf.
Die aktuelle Debatte stützt sich auf die These, dass die Legalisierung der Prostitution in Deutschland insofern einen perversen Effekt gehabt habe, als nicht nur allgemein der Sexmarkt gewachsen, sondern insbesondere auch die illegalen Begleiterscheinungen Frauenhandel und Zwangsprostitution zugenommen hätten. »Liberale Gesetzgebung scheint ›moderne Sklaverei‹ zu begünstigen«, so wird eine neuere Studie aus der London School of Economics [4]Seo-Young Cho /Axel Dreher/Eric Neumayer, Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking? World Development 41, 2012, 67-82. angepriesen [5]In einer Pressemeldung der Universität Heidelberg.. Henning und Walentowitz sind der Herkunft der von den Autoren verwendeten Daten nachgegangen mit dem Ergebnis »bei Licht betrachtet handelt es sich um Datenmüll – bestens geeignet allerdings, um politisch opportune Botschaften zu verbreiten«. [6]Juanita Henning/Gerhard Walentowitz, 10 Jahre Prostitutionsgesetz: Mehr Menschenhandel durch Legalisierung von Prostitution? Ein aktuelles Lehrstück über den Umgang von Wissenschaft mit dem Thema … Continue reading Nicht weniger kritisch äußert sich Tim Worstall in FORBES vom 15. 6. 2013. Sein Hauptargument lautet, da werde nicht sauber zwischen Frauenhandel und illegaler Immigration prostitutionswilliger Frauen unterschieden. Der Artikel endet:
»Finally, there’s simply the sheer implausibility of the claims that 30% of all prostitutes are trafficked (sex slavery). Prostitution is the ultimate in personal services: it really is one thing where the supplier and the customer have to meet in person. There’s a claim (not one this paper makes) for the UK that 25,000 such sex slaves are in such servitude in any one year. The idea that none of them ever indicate their plight to any of the hundreds of thousands of men who make up their clientele, or that if they do none of those men reports it to police, is simply fantastical. No one with any experience of real live human beings could possibly believe it.«
Auch sonst bleibt die empirische Basis der aktuellen Diskussion dürftig. Sie kann sich allenfalls auf Einzelfallberichte berufen. Eindrucksvoll ist ein Bericht von Martin Wittmann in der Heimlichen Juristenzeitung vom 11. 4. 2008 »Prostituierte aus Nigeria: Bestellt verraten und verkauft«. Die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Untersuchung über »Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes« von 2005 [7]Cornelia Helfferich/Barbara Kavemann/Beate Leopold/Heike Rabe, Untersuchung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes, hg. vom Bundesministerium für Familie usw., Berlin 2005, online: … Continue reading ist zu langweilig, um alle 309 Seiten gründlich zu lesen. Langweilig ist auch das APuZ-Themenheft »Prostitution« vom Februar 2013. Immerhin erfährt man da, dass es keine belastbaren Zahlen zum Menschenhandel gibt, ferner dass nach Befragungen von Sexarbeiterinnen aus Bulgarien und Rumänien der weitaus größte Teil von ihnen aus freier Entscheidung zum Erwerb des Lebensunterhaltes der Prostitution nachgeht. [8]Barbara Kavemann/Elfriede Steffan, Zehn Jahre Prostitutionsgesetz und die Kontroverse um die Auswirkungen, APuZ 63, 9/2013, S. 9ff, 14.
In Schweden ist die Prostitution seit 1999 durch eine Strafandrohung für Freier indirekt verboten. Außerdem ist Zuhälterei und die Vermietung von Räumen zu Prostitutionszwecken unter Strafe gestellt. Es hat wiederholt amtlich veranlasste Gesetzesevaluierungen gegeben, alle mit dem Ergebnis, dass Freier abgeschreckt würden, die Prostitution abgenommen habe, dass der Menschenhandel zu Prostitutionszwecken zurückgegangen sei und dass die Einstellung des Publikums im Sinne des Gesetzes verändert habe. Ich kann die schwedischen Veröffentlichungen nicht lesen und beziehe mich daher auf Susanne Dodillet und Petra Östergren, die ausführen, dass die vorliegenden Daten solche Erfolgsmeldungen nicht stützen. [9]Susanne Dodillet/Petra Östergren, The Swedish Sex Purchase Act: Claimed Success and Documented Effects, Manuskript, 2011. Zudem gebe es eine ganze Reihe für die eigentlich schutzbefohlenen Sexarbeiterinnen negative Effekte. Strafe und intensive Verfolgung vertreiben gerade die Freier, die Prostituierten am wenigsten belasten. Stattdessen wächst die Zahl der risikobereiten Kunden, die sich ohnehin in der Kriminalitätszone bewegen und daher kaum abzuschrecken sind. Die Preise verfallen und die Bereitschaft zu ungeschütztem Sex und zu problematischen Praktiken steigt.
Dürftig scheint die empirische Basis auch zu sein, wenn man das sprichwörtlich älteste Gewerbe der Welt allgemeiner als Marktgeschehen betrachtet. Da wird mit großen Zahlen herumgeworfen, deren Quelle ebenso unklar ist wie eine brauchbare Interpretation. Gerheim hält in der Einleitung seines Buches über »Die Produktion des Freiers« (2012) einleitend fest, es ist »lediglich eine einzige quantitative Studie … zu verzeichnen, die von einem Annäherungswert von 18 % dauerhaft aktiver Prostitutionskunden der geschlechtsreifen männlichen Bevölkerung« ausgehe. »Die spärlichen anderen Daten bezüglich des Prostitutionsfeldes, wie 1.200.000 Kunden pro Tag, 400.000 Sexarbeiterinnen, davon ca 60 % Migrantinnen, 14,5 Mrd. Euro Jahresumsatz« … entpuppten sich bei genauerer Betrachtung lediglich als Schätzwerte oder Hochrechnung, die zum Teil auf Daten aus den 80er Jahren basierten. Gerheim resümiert, »dass zur Zeit keine verlässlichen und abgesicherten quantitativen Primärdaten über das soziale Feld der Prostitution existieren.« (S. 7)
Die beste »Marktstudie« ist wohl noch immer eine Untersuchung von Steven D. Levitt und Sudhir Alladi Venkatesh aus Chicago von 2007 zu sein: An Empirical Analysis of Street-Level Prostitution. Ich habe sie nur als Manuskript im Internet gefunden, das sich selbst als vorläufig bezeichnet. Einige der provozierenden Ergebnisse lauten etwa:
Verbrechen haben Täter und Opfer. Der Täter sucht nach einem Opfer, während potentielle Opfer möglichst vermeiden, mit ihnen zusammenzutreffen. Bei der Prostitution gibt es diese Rollenverteilung nicht. Beide suchen den Kontakt, weil beide glauben, davon zu profitieren. Und deshalb funktioniert Prostitution eben wie andere Märkte auch. Was die Preisfindung betrifft, so gibt es gängige Tarife. Im Einzelfall wird aber auch ein bißchen gehandelt, und vor allem gibt es Diskriminierung: Unappetitliche Kunden und Kunden einer anderen Rasse müssen mehr zahlen.
Der Prostitutionsmarkt ist räumlich konzentrierter als der Markt für Drogen. Das liegt einerseits daran, dass Dealer viele Kunden kennen, während Prostituierte sich an unbekannte Kunden wenden. Und es liegt andererseits daran, dass Drogenhandel viel stärker verfolgt wird, so dass räumliche Konzentration auch die Polizei leichter auf die Spur bringen würde. Auf Stundenlohn umgerechnet verdienten Prostituierte etwa drei Mal so viel wie ungelernte Arbeitskräfte. Arbeiteten sie mit einem Zuhälter, war ihr Einkommen um annähernd 50 % höher. Auch die Kunden fahren besser mit einem Zuhälter, denn diese legen Wert auf guten Service, damit die Kunden wiederkommen. In Chicago, wo die Prostitution strafbar ist, kam es doch nur relativ selten zu Strafanzeigen. Viele Polizisten verzichten darauf, wenn sie dafür umsonst bedient werden.
Auch das ist aber nur von begrenztem Interesse. Interessanter ist schon die Frage, ob das Phänomen der Prostitution nicht bloß Ausfluss der allgemeinen Marktlage im Geschlechterverhältnis ist, die durch einen männlichen Nachfrageüberhang gekennzeichnet ist. Spannend wäre aber zu wissen, warum – im Falle einer bejahenden Antwort – die Frauen ihre überlegene Marktposition nicht besser nutzen können. Wo bleibt die Frauenpower? Vielleicht kann ich dieser Frage in einem späteren Eintrag nachgehen.

Fortsetzung: »Erotisches Kapital« und »Sexdefizit«: Auf dem Weg zur ökonomischen Analyse des Geschlechterverhältnisses.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Ausführlich und differenziert Joachim Renzikowski, Reglementierung von Prostitution: Ziele und Probleme – eine kritische Betrachtung des Prostitutionsgesetzes. Gutachten im Auftrag des BMFSFJ, o. J.
2 Ronald Weitzer, Moral Crusade Against Prostitution, Society 43, 2006, 3-38.
3 Dazu erfrischend und voller Information die Stellungnahme des Frankfurter Huren-Unterstützungsvereins Doña Carmen vom 29. 5. 2013.
4 Seo-Young Cho /Axel Dreher/Eric Neumayer, Does Legalized Prostitution Increase Human Trafficking? World Development 41, 2012, 67-82.
5 In einer Pressemeldung der Universität Heidelberg.
6 Juanita Henning/Gerhard Walentowitz, 10 Jahre Prostitutionsgesetz: Mehr Menschenhandel durch Legalisierung von Prostitution? Ein aktuelles Lehrstück über den Umgang von Wissenschaft mit dem Thema »Menschenhandel«, Kritische Justiz , 2012, 460-465.
7 Cornelia Helfferich/Barbara Kavemann/Beate Leopold/Heike Rabe, Untersuchung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes, hg. vom Bundesministerium für Familie usw., Berlin 2005, online: www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/prostitutionsgesetz/.
8 Barbara Kavemann/Elfriede Steffan, Zehn Jahre Prostitutionsgesetz und die Kontroverse um die Auswirkungen, APuZ 63, 9/2013, S. 9ff, 14.
9 Susanne Dodillet/Petra Östergren, The Swedish Sex Purchase Act: Claimed Success and Documented Effects, Manuskript, 2011.

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Rechtssoziologie unter fremden Namen: Ornithologen gegen Vandalismus

Die Wirksamkeit von Verhaltensnormen ist ein zentrales Thema der Rechtssoziologie, das freilich zugunsten der komplexeren Frage nach der Wirkung von Recht etwas in den Hintergrund geraten ist. Aber mit Verhaltensnormen fängt alles an, und hier wiederum mit elementaren Normen wie dem Verbot von Sachbeschädigung und Diebstahl, die mit strafrechtlichen und zivilrechtlichen Sanktionen bewehrt sind.
Während Ökonomen darauf abstellen, dass Menschen in erster Linie auf Belohnungen und Strafen reagieren, betonen Soziologen, Psychologen und Anthropologen, dass kompliziertere Motivationsbündel und die situative Verflechtung der Variablen für die Befolgung von Rechtsnormen maßgeblich sind. Man gehorcht dem Recht, wenn man die dahinter stehende Autorität anerkennt, sich von ihnen respektvoll behandelt fühlt und die sachlichen Anforderungen des Rechts als richtig (legitim) akzeptiert. Das ist in vielen Einzeluntersuchungen bestätigt worden. [1]Verwiesen sei hier nur auf Tom Tyler, Why People Obey the Law, Yale University Press 1990; ders./Jeffrey Fagan, Legitimacy and Cooperation: Why Do People Help the Police Fight Crime in Their … Continue reading
Dass auch Ornithologen zu solcher Forschung beitragen, ist neu. Kein Wunder, wenn sie gar nicht bemerken, dass sie sich hier im Bereich der Rechtssoziologie bewegen. Deshalb ist ihre Arbeit aber nicht weniger interessant. [2]Clarin, B.-M., Bitzilekis, E., Siemers, B. M. and Goerlitz, H.: Personal Messages Reduce Vandalism and Theft of Unattended Scientific Equipment. Methods in Ecology and Evolution. Online … Continue reading
Ornithologen und andere Tierforscher platzieren nicht selten mehr oder weniger auffällige materielle Objekte in der Natur, wo sie nicht bewacht und geschützt werden können. Es geht um Fallen, Kameras, Mess- und Funkgeräte usw. Nicht selten fallen diese Gegenstände dem Vandalismus zum Opfer. Forscher vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen wollten nun wissen, ob der Umgangston von Hinweisschildern an der Ausrüstung Vandalismus verhindern kann. Dazu legten sie 60 Attrappen in vier Münchner Stadtparks aus.
Vandalismuswarnung
Tatsächlich fanden sie, dass freundlich beschriftete Ausrüstung eher in Ruhe gelassen wurde als solche mit einem neutralen oder gar drohenden Schild (Pressemitteilung vom 26. 11. 2013) [http://www.mpg.de/7628338/vandalismus]. Bei diesen gab es 36 Einwirkungen auf das Gerät. Bei den neutral beschrifteten Geräten wurden 57 Einwirkungen gezählt, bei denen mit Sanktionsdrohung 67. Das ist Wasser auf die Mühlen Tom Tylers. Allerdings geht es hier nicht bloß um respektvolle Behandlung der potentiellen Täter, sondern um eine Personalisierung derart, dass als Opfer ein individueller Diplomand erscheint und nicht bloß eine anonyme Organisation. Vielleicht wirkt auch das niedliche Eichhörnchen.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Verwiesen sei hier nur auf Tom Tyler, Why People Obey the Law, Yale University Press 1990; ders./Jeffrey Fagan, Legitimacy and Cooperation: Why Do People Help the Police Fight Crime in Their Communities, Ohio State Journal of Criminal Law 6, 2008, 231-275.
2 Clarin, B.-M., Bitzilekis, E., Siemers, B. M. and Goerlitz, H.:
Personal Messages Reduce Vandalism and Theft of Unattended Scientific Equipment. Methods in Ecology and Evolution. Online Veröffentlichung 26.11.2013.

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Rechtspluralismus und Governance

Für eine juristische Zeitschrift präpariere ich gerade einen Artikel über Eugen Ehrlich und den Rechtspluralismus. Anlass ist natürlich das Jubiläumsjahr von Ehrlichs Rechtssoziologie. Bei der Durchsicht der Literatur ist mir aufgefallen, dass unter den Stichworten Rechtspluralismus und Governance weitgehend dieselben Phänomene behandelt werden, dass aber – jedenfalls soweit ich sehe – die Überschneidung oder der Unterschied zwischen den beiden Konzepten nirgends deutlich ausgeführt wird. Wenn in Texten zum Rechtspluralismus der Governancebegriff erwähnt wird, so geschieht das doch meistens nur beiläufig, und umgekehrt. Besserung versprach ein Papier von Franz und Keebet von Benda-Beckmann, indem die Projektgruppe Rechtspluralismus am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle vorgestellt wurde. Dort las man: »Wir entwickeln Ideen für ein besseres analytisches Verständnis rechtsethnologischer Begriffe und theoretischer Annahmen, wie zu den Begriffen Recht, Rechtspluralismus, governance, Transnationalisierung von Recht, Vermögensrechte, und zu Akteur-Struktur-Fragen unter Bedingungen von Rechtspluralismus.« Julia Eckert, die dieses Thema bearbeiten sollte, hat ihren Beitrag 2004 im Journal of Legal Pluralism unter der Überschrift »Urban Governance and Emergent Forms of Legal Pluralism in Mumbai« (Bd. S. 29-60) abgeliefert. Aber so richtig bin ich daraus nicht schlau geworden, warum das Konzept das Legal Pluralism nicht genügt.

2010 erschien ein Franz von Benda-Beckmann, Keebet von Benda-Beckmann und Julia Eckert herausgegebener Band »Rules and Laws of Ruling: On the Governance of Law« (Ashgate, Farnham, 2010), der viele Beiträge enthält, die governance im Titel tragen. Wenn ich im Eingangskapitel der Herausgeber den Abschnitt »Governance and Legal Pluralism« (S. 3-6) lese, entsteht bei mir der Eindruck, dass Governance und Legal Pluralism weitgehend dasselbe Konzept verfolgen, Governance allerdings mehr mit dem Akzent auf der Schwäche staatlicher Regulierung überhaupt und zumal unter den Bedingungen der Globalisierung, der klassische Rechtspluralismus dagegen mehr mit dem Blick auf traditionale, noch nicht voll von der Modernisierung erfasste Gesellschaften. Governance richtet den Blick etwas mehr auf die Akteure als auf Normen und Prozesse. Dabei rücken Staat und Verwaltungen ein wenig mehr in den Mittelpunkt als im klassischen Rechtspluralismus. Zwar betonen die Ethnologen, sie wollten nur das analytische Konzept von governance übernehmen, nicht das normative Konzept von good governance. Aber auch hinter diesem Konzept steckt ein Erkenntnisinteresse, das stärker auf pazifizierende Ordnung gerichtet ist als der rechtsanthropologische Pluralismus. Dieser Schwenk zeigt sich bei Franz von Benda-Beckmann, Pluralismus von Recht und Ordnung, Behemoth 2008, 58-67.

2012 ist in der Reihe Ethnoskripts des Instituts für Ethnologie der Universität Hamburg ein Schwerpunktheft »Governance« erschienen. Der Governance-Begriff, so Schweitzer [1]Warum Governance? Über den Nutzen des Governance-Ansatzes für die Ethnologie und den Nutzen der Ethnologie für die Governance-Forschung«. einleitend, überwinde den zentralen Antagonismus zwischen Gesellschaft und Staat. Da sehe ich keinen Unterschied zum Rechtspluralismus. Governance könne als Brückenbegriff eine integrative Wirkung haben. Juristen erinnern sich daran, dass dasselbe auch in der Diskussion um die Reform des Verwaltungsrechts gesagt wurde. Governance schaffe, so Schweitzer, einen Rahmen für den Austausch zwischen den Disziplinen. Solche Beteuerungen sind bei Juristen inflationär [2]Röhl/Röhl, Allg. Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 60 f. mit Nachweisen.. Dass umgekehrt die Governance-Forschung allerhand von der Ethnologie lernen kann, das allerdings glaube ich gerne.

Im Mittelpunkt des Heftes steht ein Beitrag von Julia Eckert, Andrea Behrends und Andreas Dafinger »Governance – and the State: An Anthropological Approach«, der einen ethnologischen Governance-Begriff entwickelt [3]Schweitzer S. 7.. Eingangs (S. 14 f.) dort: »This concept of governance leaves behind conventional distinctions between state, civil society and the economy, between public and private and does not privilege one organization or institution, like the state, as the “natural” or “right” centre of governance. Rather, it opens up the analysis of domination, rule or government to the interdependencies between different actors that shape these, the processes within which constellations of power between such governmental actors emerge and consolidate.« Das liest sich wie eine Definition von legal pluralism. Das Governance-Konzept soll sich besser für eine vergleichende Erforschung von Normbildungs- und Verteilungsprozessen eignen [4]Eckert u. a. S. 14. Die Beispiele aus den Feldforschungen der drei Autoren überzeugen mich davon nicht. Weiter wird dann Foucaults Gouvernementalität bemüht. Das ist wohl notwendig, wenn man den Anschluss an die Kulturwissenschaften gewinnen will (S. 6), ist in der Sache aber auch kein Fortschritt.

Ich kann nach alledem nicht erkennen, warum die Ethnologen dem Governance-Begriff nachlaufen, es sei denn um an dem Momentum, mit dem dieser Begriff sich durchgesetzt hat, zu partizipieren. Ich staune, dass die Ethnologen sich nicht stark machen und selbstbewusster sagen: Ihr Newcomer von Governance, was ihr könnt, machen wir schon lange. Das Governance-Konzept ist ein modernisierter Rechtspluralismus mit politpraktischem Erkenntnisinteresse. So hat die Politikwissenschaftlerin Holzinger ihr Pluralismus-Projekt konsequent auf Governance umgestellt. [5]Traditionale Governance und moderne Staatlichkeit[http://www.polver.uni-konstanz.de/holzinger/forschung/drittmittelprojekte/traditionale-governance-und-moderne-staatlichkeit/; vgl. dazu auch meinen … Continue reading

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Warum Governance? Über den Nutzen des Governance-Ansatzes für die Ethnologie und den Nutzen der Ethnologie für die Governance-Forschung«.
2 Röhl/Röhl, Allg. Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 60 f. mit Nachweisen.
3 Schweitzer S. 7.
4 Eckert u. a. S. 14
5 Traditionale Governance und moderne Staatlichkeit[http://www.polver.uni-konstanz.de/holzinger/forschung/drittmittelprojekte/traditionale-governance-und-moderne-staatlichkeit/; vgl. dazu auch meinen Eintrag vom 14. Juli 2012.

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Amstutz über den unkritisch normativen Luhmann

Dieser Eintrag befasst sich etwas näher mit dem abschließenden Beitrag der Mitherausgebers Marc Amstutz in dem am 16. 8. hier angezeigten Sammelband »Kritische Systemtheorie.  Zur Evolution einer normativen Theorie«, der 2013 im Transcript-Verlag Bielefeld erschienen ist. Der Beitrag trägt den Titel »Der zweite Text. Für eine Kritische Systemtheorie des Rechts« (S. 365-401). Die Überschrift rührt daher, das Amstutz nach dem Vorbild Althussers [1]Lire le Capital, 1965. Luhmanns Texte, insbesondere »Das Recht der Gesellschaft« (RdG), einer dekonstruktiven Zweitlektüre unterzieht.

Bei der Erstlektüre von RdG kann Amstutz kein kritisches Potenzial der Systemtheorie entdecken. Er entdeckt dafür eine Paradoxie, nämlich die »Paradoxie der ›dynamischen Beständigkeit‹ des Rechts« (S. 376). Gemeint ist das Phänomen, dass Rechtsnormen, wiewohl sie doch von Luhmann als kontrafaktisch stabil qualifiziert worden sind, sich im Zeitlauf verändern. Nichts da von Paradoxie, denn Stabilität und Wandel sind keine Gegensätze. Kurzfristige Stabilität und langfristiger Wandel sind ebenso miteinander verträglich wie allgemeine Stabilität und punktuelle Veränderung. Und es handelt sich schon gar nicht um ein Sein-Sollen-Problem, wie Amstutz (S. 376) andeutet, denn auch die stabilisierenden Normen selbst sind reale Erwartungen und damit Fakten. Wie so oft wird auch hier eine Paradoxie konstruiert, indem der Doppelsinn von Worten ausgebeutet wird. Hier wird sogar mit doppeltem Doppelsinn manipuliert, nämlich zuerst mit Homonymie von Norm als »geltend« gedachtem Sollenssatz und als faktischer Erwartung und andererseits mit der Verwendung des Normbegriffs in der rechtssoziologischen Fremdbeschreibung des Rechts und dem Gebrauch des gleichlautenden Ausdrucks in der rechtstheoretischen Selbstbeschreibung.

Nur wenn man das Charity-Prinzip (Davidson) durch ein Malevolence-Prinzip ersetzt, kann man Luhmanns Theorie-Design die »Behauptung« zu entnehmen, dass die Normativität des Rechts von der Faktizität gesellschaftlicher Prozesse unabhängig« sei (S. 377). Kaum besser ist die These, dass für Luhmanns »unkritische Systemtheorie des Rechts Interpretation ausschließlicher Kontext des Textes [sei]. D. h. der Kontext des Textes erstreckt sich danach nicht auf Faktisches, sondern erfasst bloß interpretative Aussagen über das Recht, also nur Normatives.« (S. 378) Das Luhmann-Zitat, auf das Amstutz sich beruft (RdG S. 256), steht in einem mediensoziologischen Zusammenhang, dem man eine solche Aussage schwerlich entnehmen kann. In dem Zitat deutet Luhmann sogar an, wie der nichttextliche Kontext die Interpretation beeinflusst, nämlich auf dem Umweg über die Menschen, die die Texte handhaben, passe »sich das Recht, auch bei fixierten Texten, evolutionären Änderungen der Gesellschaft an«. Amstutz interpretiert diesen Hinweis in seinem Sinne dahin, das »Wie« und »Wer« der Interpretation betreffe nur deren institutionelle Seite, vernachlässigt aber Luhmanns Hinweis auf die Anpassung des Rechts an evolutionäre Änderungen der Gesellschaft und schlägt sich sein eigenes Argument aus der Hand mit dem Fußnotenhinweis, dass sich Interpretation nicht beschränken oder kanalisieren lasse. Dass Amstutz sich den unkritischen Luhmann als Dummie aufbaut, wird vollends deutlich in der Behauptung, Luhmann habe nicht akzeptieren können, »dass über den Weg der Interpretation Fakten die Bedeutung von Normen (mit-)bestimmen, ohne sich zu der Behauptung, »dass Normen sich nicht aus Fakten ›ableiten‹ lassen« in Widerspruch zu setzen. Was Amstutz hier als Luhmanns eigene Meinung ausgibt, erweist sich an der zitierten Stelle (RdG S. 12) als Referat eines Axioms der Rechtstheorie.

Mit einer Paradoxie ist es nicht getan. Das nächste wird gefaltet, weil die Systemtheorie »eine Beschreibung vornimmt, die im Beschriebenen selbst abläuft« (S. 380). Amstutz konzediert dass Luhmann die daraus entstehenden Rückwirkungen »natürlich« geläufig waren (S. 367). Aber Luhmann sei der Wirkung der »Beschreibung im Beschriebenen« als Kritik selbst nicht weiter nachgegangen. Er habe vielmehr betont, dass die Systemtheorie keinen externen Wertstandpunkt für Kritik bereithalte und auch keine Anweisungen für die Abänderung kritikwürdiger Zustände liefere. Die Systemtheorie basiere auf der »Annahme, dass eine Beschreibung von Fakten keinerlei kritische Bedeutung haben« könne (S. 376). Die unkritische »Beobachtung der Effekte von Beobachtungen« sei die »verhängnisvolle Konsequenz« aus der architektonischen Anlage der Systemtheorie als Beobachtungstheorie (S. 367).

Die Frage, ob das Veränderungspotential der Systemtheorie als Kritik zu verstehen sei, habe »Luhmann radikal verneint. Mit einem kaltblütigen Argument, Systemtheorie könne nicht Kritik sein, ›denn dafür fehle es […] in einer funktional differenzierten Gesellschaft an der Autorität einer Metaposition‹ «. Das Luhmann-Zitat stammt aus seiner Bielefelder Abschiedsvorlesung von 1993, in der er sich mit der Frage der Kritikfähigkeit der Systemtheorie auseinandersetzte. [2]»Was ist der Fall?« und »Was steckt dahinter?« – Die zwei Soziologien und die Gesellschaftstheorie, Zeitschrift für Soziologie 22, 1993, 245-260. Zunächst verteidigt er dort ausführlich seine Paradoxologie, um dann zu sagen: »Es braucht nicht viel Argumente, um plausibel zu machen, daß die Soziologie die Gesellschaft nur in der Gesellschaft beschreiben kann.« Luhmann verneint dort aber nach meiner Erstlektüre nicht eigentlich die Kritikfähigkeit der Systemtheorie, sondern die Möglichkeit, dass Soziologie die Gesellschaft als solche beschreibt, eben weil sie selbst keinen Standpunkt außerhalb der Gesellschaft hat. Dagegen könne sie durchaus gegenüber einzelnen Funktionssystemen einen externen Beobachtungsstandpunkt einnehmen und »damit gleichsam ein Überschußpotential für Strukturvariation erzeugen, das den beobachteten Systemen Anregungen für Auswahl geben kann«. Den Unterschied der kritischen Qualität im Vergleich zur der von Amstutz bevorzugten Auslösung »kritischer Selbstreflexionsoperationen« durch den Aufweis von »realen Widersprüchen« vermag ich nicht zu erkennen.

Ein unbefangener Anhänger Luhmanns hätte wohl kein Problem, der Systemtheorie ein kritisches Potenzial zuzutrauen. Es kommt allerdings nicht aus der Theorie als solcher, sondern aus einer gelungenen Gesellschaftsanalyse, die unvermeidlich auch Zustände beleuchtet, welche kritische Reaktionen provozieren. Es spricht auch nichts dagegen, eine analytisch-deskriptive Theorie in kritischer Absicht zu handhaben. Seit Theodore Roosevelt die »Erforscher des Elends und der Korruption« als »Schmutzaufwirbler« denunzieren wollte, ist muckraking zum Ehrentitel empirischer Soziologie geworden. Kritische Absichten verbinden sich oft mit einem Wunschbild der Gesellschaft, das in der soziologischen Theorie nichts verloren hat. Solche Kritik wird von Amstutz als »alteuropäisch« (S. 385) abqualifiziert. Auch Luhmann hat diesen Kritikbegriff in RdG S. 1115 ff kritisiert, und Amstutz stellt dementsprechend fest, die Luhmannsche Systemtheorie wolle »keine normative Kritik sein« (S. 386). Aber dann wird der Systemtheorie mit einem Zitat aus GdG S. 1119 doch wieder Normativismus unterstellt. Das Zitat lautet: »[A]uch wenn man sieht, dass die Strukturen des Gesellschaftssystems zu kaum erträglichen Folgen führen, liefert eine solche Beschreibung kein Rezept für die Herstellung eines anderen Gegenstandes der Gesellschaft [soweit das Zitat bei Amstutz; weiter geht es:], sondern nur eine Verlagerung von Aufmerksamkeiten und Empfindlichkeiten in der Gesellschaft. Nimmt man ›kritisch‹ in diesem Sinne, heißt das zunächst, daß die Soziologie die Position eines Beobachters zweiter Ordnung annimmt.« Ich verstehe Luhmann so, dass das Erträglichkeitsurteil eines des beobachtenden Soziologen ist, das der den Beobachter beobachtende (System-)Theoretiker als solches nicht übernimmt.

Ich hätte danach keine Probleme, Luhmanns »Systemtheorie als ›Ferment‹ einer Transformation der Gesellschaft« anzusehen, wiewohl sie selbst keinen Kritikmaßstab anbietet. Doch Amstutz baut hier wieder ein Paradox auf: Die gesuchte Theorie soll »zugleich Analyse und Kritik sein« und dieses Paradox soll »dahingehend entfaltet werden, dass die Analyse den Maßstab der Kritik nicht ›von außen‹ … nimmt, sondern aus den analysierten Verhältnissen selbst entwickelt« (S. 388). Gesucht wird eine »nichtnormative Kritik, die normativ bedeutsam ist« [3]Dazu wird Rahel Jaeggi zitiert: Was ist Ideologiekritik?, in: dies./Tilo Wesche (Hg.), Was ist Kritik?, 2009, 266-295.. Gefunden wird sie mit Hilfe Adornos »aus der systemischen Analyse von Selbstwidersprüchen der Realität [durch die] unmittelbar selbstreflexive Operationen der Kritik dieser Realität ausgelöst werden« (S. 388 f.). Letztlich entspreche dieses Vorgehen marxistischen Vorstellungen (S. 389). In der Tat, die Suche nach gesellschaftlichen Widersprüchen war ein Kernelement des Marxismus. Amstutz ist allerdings weit davon entfernt, die Gesellschaftsdiagnose des Marxismus wieder aufzunehmen. Als Beispiel dienen ihm vielmehr widersprüchliche Rollenzumutungen an die Rechtswissenschaft. Er demonstriert die »Widersprüchlichkeit« der Rechtswissenschaft vor dem Hintergrund der Wertlosigkeitsthese Julius von Kirchmanns. Dieser entnimmt er die Anweisung, »mit dem Widerspruch von Faktischem und Normativem konstruktiv umzugehen« (S. 393), während er Luhmanns Systemtheorie die Anweisung entnommen hatte, »die Differenz von Faktischem und Normativem in der Rechtsarbeit aufrechtzuerhalten« (S. 391). Das ist ein ungewolltes Beispiel für die von Jaeggi behandelte Ideologiekritik: Kryptonormativität bei Luhmann. Was Luhmann als Funktion des Rechts analysiert hatte, wird ihm als geheimer Wunsch ausgelegt.

Der »Realwiderspruch« auf den alles hinausläuft, wird anschließend (S. 398) so formuliert: »Die Strategie der Trennung von Sein und Sollen (Fakten/Normen), die von den vorherrschenden Auffassungen im Rechtssystem verfolgt wird, entfremdet das Recht von der Gesellschaft. Sie leugnet und invisibilisiert den Widerspruch, dass das Recht die Durkheimschen fait sociaux als irrelevant taxiert, so doch Recht seinen Daseinsgrund im Dienst an der Gesellschaft findet.« Es mag dahinstehen, ob die Anführung der faits sociaux an dieser Stelle nicht eher unpassend ist und nur als rhetorischer Hilferuf bei einer unbestrittenen Autorität fungiert. Von Interesse ist, wie denn nun der Widerspruch durch »Selbstreflexion« Kritikmaßstäbe produziert. Hier ist die Lösung: »Die … Kritische Systemtheorie des Rechts setzt an eine in den gegenwärtigen Strukturen des Rechtssystems nur latent mitgeführte, also nicht aktualisierte und im Vergleich zum vorherrschenden Modell alternative Möglichkeit, den Rechtsbetrieb zu beschreiben an. Diese latente Beschreibungsmöglichkeit beruht – im Unterschied zur These der unüberbrückbaren Diskrepanz von Fakten und Normen – auf der Beobachtung, dass das Rechtssystem auf der Basis von Erwartungen – d. h. von Strukturen anderer Sozialsysteme – operiert.« (S. 399). Anknüpfungspunkt ist dabei das »natürliche Recht« im Sinne von Kirchmanns, nämlich das Rechtsgefühl, das sich »schon für eine Antwort entschieden, ehe noch die wissenschaftliche Untersuchung begonnen hat« [4]Von Kirchmann nach Amstutz S. 392.. Das Verhältnis dieser Erwartungen zu den Rechtsnormen wird als Supplement im Sinne Derridas charakterisiert. Das hilft mir jedenfalls nicht viel weiter, denn die »Logik des Supplements« ist mir auch nach dem Studium der ausführlichen Darstellung, die Amstutz ihr früher [5]Rechtsgenesis: Ursprungsparadox und supplément, ZfRSoz 29, 2008, 125-151, S. 131-140. gewidmet hat, nicht zugänglich. Die Rechtswissenschaft habe die Aufgabe, dieses Supplement über ihre strukturelle Ankopplung als Dauerirritation in das Rechtssystem weiterzuleiten.

Damit die Lösung gelinge, so meint Amstutz, müsse zuvor die »Komplikation« der Systemzugehörigkeit der Rechtswissenschaft ausgeräumt werden. Gehört die Rechtswissenschaft zum Funktionssystem des Rechts mit seinem Recht-Unrecht-Code oder zum Wissenschaftssystem, das mit dem Wahrheitscode operiert? (S. 380-384). Nach der herkömmlichen Systemtheorie ist nicht klar, ob sie dem Rechtssystem oder dem Wissenschaftssystem zuzurechnen ist. Amstutz entscheidet sich weder für das eine noch für das andere, sondern zieht sich mit der Annahme einer strukturellen Kopplung zwischen Wissenschaft und Rechtssystem aus der Affäre. Diese Komplikation ist eher künstlich, weil Amstutz den Wissenschaftscharakter der Rechtswissenschaft offen lassen will. Das ist verständlich. Unverständlich ist jedoch, wie in diesem Zusammenhang Luhmann zitiert wird, denn die Stellen aus RdG, die Amstutz als Luhmanns Stellungnahme gegen die »Einheitsthese« zitiert (S. 416 f.), beziehen sich auf das Verhältnis von Recht und Politik.

Man könnte meinen, Amstutz habe mit dem Konzept einer Kritischen Systemtheorie des Rechts die Problematik einer soziologischen Jurisprudenz oder allgemeiner der Interdisziplinarität angesprochen, ein Problemkreis, der auch gerne als Frage nach »Recht im Kontext« behandelt wird. Amstutz hält Luhmann ja vor, er habe das juristische Entscheidungssystem allein auf den rechtstextlichen und rechtsnormativen Kontext verpflichten wollen. Luhmann hatte die Thematik in relativ frühen Arbeiten insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Folgenberücksichtigung im Recht behandelt. [6]Funktionale Methode und juristische Entscheidung, AöR 94 (1969), 1 = ders., Ausdifferenzierung des Rechts, 1981, 273; Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974. Speziell im Hinblick auf das normative Miterwarten juristischer Entscheidungen durch die umgebende Gesellschaft hat er sich 1993 noch einmal dezidiert geäußert. »Das Entscheidungssystem kann die Bedingung normativen Miterwartens nicht in die Form verbindlicher Entscheidungsprämissen bringen. … Juristisch kommt es darauf nicht an.  … Die Entscheidungsorganisationen des Rechtssystems können ihre eigene Einbettung in eine motivationale Rechtskultur nicht kontrollieren; und sie bemerken deshalb auch nicht, wenn sie damit beginnen, diese gesellschaftlichen Grundlagen ihrer Tätigkeit einem Prozeß der Erosion auszusetzen.« [7]RdG S. 148. Diese Stelle wurde von Amstutz 2008 ausführlich zitiert (ZfRSoz 29, 2008, S. 139.) Ich habe diese Luhmann-Texte bisher als funktionale Analyse ohne normativen Unterton verstanden. Amstutz ist nicht der erste, der sie ideologiekritisch hinterfragt. Damit schwächt er im Grund ihr kritisches Potenzial; denn deutlicher als an der zitierten Stelle geschehen, lässt sich wohl kaum sagen, dass das gesellschaftliche Entscheidungssystem ständig in Gefahr ist, sich von seiner gesellschaftlichen Basis zu entfremden.

Der Gedanke, dass nicht das juristische Entscheidungssystem, sondern die Rechtswissenschaft das geeignete »Medium« (S. 400) für Interdisziplinarität sein könnte, ist nicht neu. Die etablierte Jurisprudenz geht in dieser Richtung allerdings bisher nicht weiter als etwa das Bundesverfassungsgericht. Da müsste wohl eine andere Rechtswissenschaft her, um den Gerichten das »natürliche Recht« in Gestalt der Erwartungen des Publikums vorzuhalten.

»Wie verfährt die Kritische Systemtheorie des Rechts um ›Gärstoff‹ für Kritik im und für das Rechtssystem zu sein?« (S. 384) Gärstoff gibt es genug. Interessanter wäre die Frage nach dem Gärprozess. Wie lässt er sich einleiten, erhalten und steuern? Auf diese Grundfrage aller Winzer gibt die Kritische Systemtheorie keine Antwort. Dafür gibt sie sich mit voller Kraft der Täuschung hin, dass man durch die Benennung gesellschaftlicher Zustände als Widerspruch der Kryptonormativität empirischer Sozialforschung entgehen und so eine »nicht normative, aber normativ bedeutsame Kritik« üben könne.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Lire le Capital, 1965.
2 »Was ist der Fall?« und »Was steckt dahinter?« – Die zwei Soziologien und die Gesellschaftstheorie, Zeitschrift für Soziologie 22, 1993, 245-260.
3 Dazu wird Rahel Jaeggi zitiert: Was ist Ideologiekritik?, in: dies./Tilo Wesche (Hg.), Was ist Kritik?, 2009, 266-295.
4 Von Kirchmann nach Amstutz S. 392.
5 Rechtsgenesis: Ursprungsparadox und supplément, ZfRSoz 29, 2008, 125-151, S. 131-140.
6 Funktionale Methode und juristische Entscheidung, AöR 94 (1969), 1 = ders., Ausdifferenzierung des Rechts, 1981, 273; Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974.
7 RdG S. 148. Diese Stelle wurde von Amstutz 2008 ausführlich zitiert (ZfRSoz 29, 2008, S. 139.)

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