Was Plagiate anbetrifft, bin ich leidgeprüft. Zwei Mal mussten Bücher eingestampft werden, weil sie komplette Kapitel meiner Rechtssoziologie übernommen hatten. 2002 hatte ein Student, der in Fribourg/Schweiz (u. a. bei den Professoren Niggli und Amstutz) studierte, für Lernzwecke eine Zusammenfassung des Buches auf 99 Seiten verfasst und ins Netz gestellt. Nachdem ich diese Arbeit im Internet fand, habe ich sie nachträglich gebilligt und selbst noch einmal ins Netz gestellt.
Nun bin ich auf eine Webseite gestoßen, die vier Paragraphen unserer Allgemeinen Rechtslehre, nämlich § 22 Die Struktur der Rechtsnorm (S. 189-198), § 24 Von der sozialen Norm zum Recht (S. 204-217), § 54 Das Recht als dogmatisches System (S. 438-443) sowie § 56 Die Einheit der Rechtsordnung (S. 451-456) als PDF anbietet: http://www.sfb-governance.de/teilprojekte/projekte_phase_1/projektbereich_a/a3/teama3/VL_OS/. Die Veröffentlichung stammt aus dem von der DFG geförderten Sonderforschungsbereich »Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit« und ist Teil einer Vorlesung Juristische Methodenlehre von Matthias Kötter. Auch andere Autoren sind betroffen (Hoerster, Ino Augsberg, Rüthers van Aaken, Grimm). Vielleicht sind die aber gefragt worden. Wir nicht. Jedenfalls befinden wir uns da in guter Gesellschaft.
Als Autor weiß man nicht so recht, ob man sich über solche Raubkopien empören oder freuen soll, denn eigentlich liegt darin ja eine gewisse Anerkennung des Textes. Vor etwa einem Jahr habe ich im Netz eine Kopie unserer Darstellung der Diskurstheorie aus § 21 der Allg. Rechtslehre gefunden, die man nur gegen Entgelt herunterladen konnte. Das schien mir dann doch so kühn, dass ich dem Verlag Mitteilung gemacht habe. Da die 3. Aufl. von 2008 ohnehin ausverkauft ist, lohnt sich Aufregung nicht mehr. Jetzt ist es eher lustig, wie man in Berlin mit dem Urheberrecht umgeht.
Ich hoffe immerhin, die Berliner haben aus unserem Text etwas gelernt. Besonders § 24 ist einschlägig mit einer ausführlichen Darstellung des Rechtspluralismus und unser Stellungnahme zum Wandel der Staatlichkeit.
(Eintrag am 30. 9. 2013 geändert.)
2 comments on “DFG fördert Raubkopie”
Lieber Herr Prof. Röhl,
ich finde es ehrlich gesagt etwas befremdlich, die Verwendung von (vollständig richtig zitierten) Texten für Lehrzwecke in einen Kontext mit Plagiaten zu setzen (das suggeriert aber der Einstieg Ihres Textes) und als “Raubkopien” zu bezeichnen.
Der Kollege hat schlicht und einfach vergessen, Ihre Texte mit einem Passwort zu versehen, sodass sie nur für Teilnehmende seiner Lehrveranstaltung zugänglich sind.
Nach meinem Eindruck ging es ihm nicht darum, die Texte *allgemein* zugänglich zu machen und damit Ihre Urheberrechte zu verletzen.
Im Übrigen sind Sie doch selbst ein Anhänger des “Open Access”. Ist das hier wirklich so schlimm, um gleich von einer “Raubkopie” zu sprechen?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Wrase
Lieber Herr Wrase,
dass es hier nicht um ein Plagiat, sondern um eine Urheberrechtsverletzung geht, sollte aus meinem Text klar sein, dass sich meine Entrüstung in Grenzen hält, auch. Wenn das Angebot auf der persönlichen Webseite eines Kollegen gestanden hätte, hätte ich mich wohl erst an ihn selbst gewandt. Aber wenn man so etwas auf der von der DFG bezahlten Webseite eines so hochgestochenen Projekts findet, ist Nachsicht nicht angebracht. Davon abgesehen geht es hier um mehr als bloß »Passwort vergessen«. Was den »vollständig zitierten Text« betrifft, so ist doch bemerkenswert, dass auf den Kopien selbst keinerlei Hinweis auf den Urheber zu finden ist. Nach § 52a I UrhG dürfen »kleinere Teile« eines fremden Werkes eingestellt werden. Da gibt es gibt es aber eine absolute Obergrenze, die wohl bei zehn Seiten angesetzt wird und die bei 35 Seiten sicher überschritten ist. Die Veröffentlichung ist nur zulässig, soweit das zu dem jeweiligen Zweck geboten ist. Wenn seit der Lehrveranstaltung, die am 10. und 11. Juni 2010 stattgefunden hat, über drei Jahre vergangen sind, und die Texte immer noch im Netz stehen, dann ist das ziemlich grob. Sicher, ich bin Anhänger von Open Access und stelle meine Texte ins Netz, wenndas nach dem Verlagsvertrag zulässig ist. Aber das ist hier nicht der Fall, und deshalb muss ich mich wehren, damit der Verlag nicht die Lust verliert, die vierte Auflage zu drucken, die zurzeit in Arbeit ist.
Ihr
KFR