Bei Routledge, wo man aktuell 357 Handbücher zählt , die sich mit Recht (Law) befassen, ist wieder ein einschlägiger Band angekündigt, und wieder finden sich unter den 30 Autoren auch einige Prominente.[1]
Im vorausgegangenen Eintrag habe ich mir keine Mühe gegeben, das Handbuch als besondere Literaturgattung einzuordnen. Das gilt es nachzuholen.
Das Handbuch trägt seinen Namen, weil es verspricht, dass man nur einen Band in die Hand nehmen muss, um sich zu informieren. Mir geht es nur um wissenschaftliche Handbücher. Vielfach wird der Titel auch für Praxishandbücher verwendet. Beispiel wären das vom Bundesministerium der Justiz herausgegebene »Handbuch der Rechtsförmlichkeit« (2008), das Handbook: Introducing the Stateness Index StIx oder das Wikipedia Handbuch für Autoren. Extrembeispiele sind Betriebsanleitungen für technische Geräte wie Autos oder für Verfahren. Hier ist der englische Begriff des manual einschlägig.
Es ist typisch für Handbücher, dass sie ein Sachgebiet entlang einer Reihe von Stichworten abhandeln. Aber die Stichworte sind, anders als in Lexika, systematisch und nicht alphabetisch geordnet. Ihre Anzahl bleibt zweistellig, in der Regel sogar unter 30. Als Überschriften dienen meist, anders als in Lexika, nicht Stichworte im eigentlichen Sinne, sondern Mehrwort-Überschriften. Alphabetisch geordnet sind auch viele Enzyklopädien. Mit Handbüchern haben sie gemeinsam, dass sie einen (noch) größeren Sachbereich abdecken wollen. Der Vollständigkeitsanspruch unterscheidet beide von den unzähligen Gelegenheits-Sammelbänden.
Wissenschaftliche Handbücher werden meistens von mehreren Autoren erstellt. Herausgeber übernehmen vorab die Gliederung des Stoffs in separate Artikel. Untypisch sind Handbücher in Gestalt von Monografien. Untypisch sind insofern viele »Handbücher« der Juristen, die Einzelthemen in Monografien abhandeln. Mit den typischen Handbüchern haben sie gemeinsam den Anspruch, den aktuellen Wissensstand eines Sachgebiets wiederzugeben. Dabei wird die Systematik stärker betont als in den Multi-Autoren-Handbüchern. So kann das Handbuch zum Lehrbuch werden und umgekehrt, so dass manche Bände beides im Titel tragen.[2] In jüngerer Zeit differenzieren sich die Gattungen, weil Lehrbücher sich um eine didaktische Darstellung bemühen.
Enzyklopädien unterscheiden sich von Handbüchern darin, dass sie einen größeren Bereich des Wissens mit großer Detailtiefe darstellen. Die klassische Enzyklopädie der Aufklärungszeit von Diderot und d’Alembert war eine Universalenzyklopädie, die das gesamte Wissen ihrer Zeit zusammenfassen wollte[3]. Das 19. Jahrhundert nutzte den Titel aber auch für Monografien, so Hegel für seine dreibändige »Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse«. egel für seine dreibändige Jüngere Enzyklopädien sind meist Spezialenzyklopädien, die allerdings meist immer noch weiter ausgreifen als Handbücher. Für Geisteswissenschaftler unentbehrlich ist die Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft von Pauly-Wissowa-Kroll.[4] Analog unterscheiden sich Universallexika und Fachlexika. Ein Fachlexikon in diesem Sinne ist das »Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft«, bekannt unter dem Titel »Religion in Geschichte und Gegenwart« (RGG). Die Benennung dieses mehrbändigen Opus ist eher irreführend, denn in der Regel beschränken sich Wörterbücher auf kurze Erläuterungen und Definitionen. Das gilt erst recht für Fremdsprachen-Wörterbücher.
Anders als wissenschaftliche Handbücher wenden Fach-Lexika und Wörterbücher sich eher an Laien als an Wissenschaftler. Das gilt auch für Rechtswörterbücher, etwa für das von der Bundeszentrale für politische Bildung im Internet zur Verfügung gestellte Rechtslexikon. Ähnlich das Rechtslexikon.net. An das studentische Publikum richtet sich das Rechtslexikon der Plattform JURAFORUM. Von mir sehr geschätzt wird das gleichfalls an Studenten gerichtete Legal Theory Lexicon von Lawence B. Solum. Auch an Profis wiederum richtet sich Black’s Law Dictionary, das seit 1860 erscheint[5].
Von solchen Fachlexika zu unterscheiden sind die für das allgemeine Publikum bestimmten Universallexika, die als Konversationslexika seit Beginn des 18. Jahrhundert entstanden und noch im 20. Jahrhundert in jedem gut sortierten Bücherschrank vertreten waren. Heute werden sie zunehmend durch Online-Lexika, allen voran Wikipedia, verdrängt.
Eine Fortsetzung soll sich der Besonderheit der »Handbuchwissenschaft« widmen.
[1] Routledge Handbook of the Rule of Law, hg. von Michael Sevel, angekündigt für 2025. Unter den Autoren Frederick Schauer, Sanne Taekema, Mark Tushnet und Laura Nader.
[2] Z. B. Hans Schneider, Gesetzgebung. Ein Lehr- und Handbuch, 3 Aufl. 2002.https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/wissen-2021/325603/von-enzyklopaedien-zu-wikipedia-und-zurueck/
[3] Wikipedia, Geschichte und Entwicklung der Enzyklopädie. ZU Wissenschaftsgeschichte der Enzyklopädie Mathias Grote, Von Enzyklopädien zu Wikipedia und zurück?, APuZ 2021.
[4] Eine Fachbuchreihe verbirgt sich dagegen hinter dem »Handbuch der Altertumswissenschaft«. Dort haben auch bedeutende Juristen wie Franz Wieacker und Hans Julius Wolff Bände beigesteurt. Die verfügbaren Bände erscheinen im C. H. Beck Verlag.
[5] Ich habe die 5. Auflage von 1979.
[6] Thoma Kuhn, Die Struktuzr wissenschaftlicher Revolutionen, 2. Aufl. 1976, S. 16,