Dritte Auflage der Allgemeinen Rechtslehre erschienen

Im September ist die 3. Aufl. der Allgemeinen Rechtslehre erschienen. Mitautor ist Prof. Dr. Hans Christian Röhl, Universität Konstanz. Das Buch hat einen Textumfang von 674 Seiten. Dazu kommen 23 Seiten Register. Der Preis beträgt 42,00 €. Im Klappentext heißt es dazu:

Wer das Jurastudium beginnt, steht vor einer erdrückenden Fülle des Stoffes. Deshalb ist es immer wieder überraschend, wie schnell und sicher erfahrene Juristen sich mit neuen Rechtsfragen oder gar in fremden Rechtsordnungen zurechtfinden. Dabei hilft ihnen ein Bestand von Grundbegriffen und Denkfiguren, die oft gar nicht ausformuliert oder in abstrakter Rechtstheorie versteckt sind und auch kaum besonders gelernt, sondern nur durch lange Übung erworben werden.

Die Allgemeine Rechtslehre beschreibt diese Hintergrundtheorien der Jurisprudenz und führt sie mit Rechtstheorie und Rechtssoziologie zusammen. Das Ergebnis ist ein Allgemeiner Teil des Rechts und der Rechtswissenschaft, der nicht nur ein Leitfaden durch den Dschungel des positiven Rechts sein möchte, sondern auch eine Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung bietet.

Ähnliche Themen

Rechtssoziologie in Lehrdarstellungen und Readern

Die Rechtssoziologie hat lange kämpfen müssen, um sich als eigene Wissenschaftsdisziplin durchzusetzen (und heute ist sie schon wieder auf dem Rückzug). Als Zeichen für die »Reife« einer Disziplin kann die Existenz eines Fundus von Lehrdarstellungen gelten, zumal wenn sie von ihrem Inhalt mehr oder weniger übereinstimmen und so eine gewisse Kanonisierung des Stoffes erkennen lassen (was mir der Fall zu sein scheint). Deshalb habe ich hier einmal die mir bekannten Lehrdarstellungen zusammengestellt. Das Ergebnis ist von vornherein dadurch verzerrt, dass es sich auf deutsch- und englischsprachige Werke beschränkt. Für jeden Hinweis, der meine Sammlung berichtigt oder ergänzt, bin ich dankbar.

Deutsche Lehrbücher und Einführungen chronologisch:

Thomas Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie (früher: Das lebende Recht; davor: Rechtssoziologie), 4. Aufl. 2007; 1. Aufl. 1987

Manfred Rehbinder, Rechtssoziologie, 6. Aufl. 2007; 1. Aufl. als »Einführung in die Rechtssoziologie 1971

Gerhard Struck, Vorlesungsskript Rechtssoziologie für Studierende der Rechtswissenschaft, 2005

Hans Albrecht Hesse, Einführung in die Rechtssoziologie, 2004

Karl-Ludwig Kunz/Martino Mona, Rechtsphilosophie, Rechtstheorie, Rechtssoziologie. Eine Einführung in die theoretischen Grundlagen der Rechtswissenschaft, 2006

Hubert Rottleuthner, Einführung in die Rechtssoziologie, 2000

Erhard Blankenburg, Mobilisierung des Rechts. Eine Einführung in die Rechtssoziologie, 1995

Thomas Matthiesen, Das Recht in der Gesellschaft. Eine Einführung in die Rechtssoziologie, 1996

Klaus F. Röhl, Rechtssoziologie, Ein Lehrbuch, 1987

Leo Kißler, Rechtssoziologie für die Rechtspraxis, Luchterhand, Neuwied und Darmstadt, 1984

Leo Kißler, Recht und Gesellschaft. Eine Einführung in die Rechtssoziologie, Leske und Budrich, Opladen, 1984

Niklas Luhmann, Rechtssoziologie, 2. Aufl., 1983, 1. Aufl. in der Reihe rororo-Studium 1972, 2 Bde

Hans Ryffel, Rechtssoziologie. Eine systematische Orientierung, 1974

Fremdsprachige Darstellungen in Auswahl chronologisch:

Mathieu Deflem, Sociology of Law. Visions of a Scholarly Tradition, Cambridge University Press, 2008

A. Javier Trevino, The Sociology of Law. Classical and Temporary Perspectives, 2008

Denis James Galligan, Law in Modern Society, Oxford University Press, 2007

Steven Vago, Law and Society, Englewood Cliffs: Prentice-Hall, 8. Aufl. 2005

Roger Cotterrell, The Sociology of Law: An Introduction, London u.a., Butterworths, 1984, 2. Aufl. 1992, Nachdruck 2007

Renato Treves, Sociologia del diritto, Einaudi, Turin, 2. Aufl. 1988

Richard Lempert/Joseph Sanders, An Invitation to Law and Social Science: Desert, Disputes, and Distribution, University of Pennsylvania Press, Philadelphia, 1986

Vilhelm Aubert, In Search of Law, Martin Robertson, Oxford, 1983

Robert L. Kidder, Connecting Law and Society, Prentice-Hall, Englewood Cliffs, 1983

Lawrence M. Friedman, The Legal System. A Social Science Perspective, 1975, deutsch: Das Recht im Blickfeld der Sozialwissenschaften, 1981

Adam Podgórecky, Law and Society, Routledge & Kegan Paul, London und Boston 1974

C. J. M. Schuyt, Rechtssociologie. Een terreinverkenning, Universitaire Pers, Rotterdam, 1971

Nicholas S. Timasheff, An Introduction to the Sociology of Law, 1939, mehrfach nachgedruckt, zuletzt 2001 mit einer Einführung von A. Javier Trevino bei Transaction Publishers, Edison, NY, 2001

Reader

Wenn es um die »Reife« des Faches geht, sind sog. Reader kaum weniger wichtig als Lehrbücher. Der wichtigste ist »Law in Action« von Macaulay, Friedman und Mertz.[1]

Von den älteren Readern sind nach wie vor folgende wertvoll:

Vilhelm Aubert, Sociology of Law. Selected Readings, Penguin Books, Harmondsworth, 1969

Donald Black, Toward a General Theory of Social Control, 2 Bde., Academic Press, Orlando 1984

Evan, William M. (Hrsg.), The Sociology of Law, Free Press, New York/London 1980

In deutscher Sprache liegen vor:

Ernst-Eduard Hirsch/Manfred Rehbinder, Studien und Materia­lien zur Rechtssoziologie, Sonderheft 11, 1967, der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie

Erhard Blankenburg, Empirische Rechtssoziologie, Piper Sozialwissenschaft Bd. 26, München 1975

In den USA werden Reader jetzt am Fließband produziert, und zwar unter der Regie von Austin Sarat in einer »International Library of Essays in Law and Society«, die bei Ashgate erscheint und prohibitiv teuer ist. Die Reihe ist auf bald 40 Bände angeschwollen. Einen Band muss ich hier erwähnen: The Law and Society Canon, hrsg. von Carroll Seron, 2005. Gibt es also einen »Kanon« rechtssoziologischer Literatur? Darüber und erst recht über die Auswahl von Seron kann man streiten. Das ist Thema für einen späteren Beitrag.

Für den Reifezustand der Rechtssoziologie spricht schließlich das Erscheinen eines Lexikons, der dreibändigen »Encyclopedia of Law & Society«, hrsg. von David S. Clark, Sage Publications 2007. Das »Dictionnaire encyclopédique de théorie et de sociologie du droit« hrsg. von André-Jean Arnaud u. a., Paris/Brüssel 1988, habe ich nicht vergessen. Aber es zählt hier nicht, weil es die Rechtssoziologie nicht als eigene Disziplin behandelt. Wegen ihrer Unselbständigkeit lasse ich auch die einst von mir herausgegebene Abteilung »Rechtssoziologie« im Lexikon des Rechts (Luchterhand-Verlag, jetzt Wolters Kluwer) hier beiseite. Das hindert mich aber nicht, auf den dafür von Stefan Machura verfassten Artikel »Rechtssoziologisches Schrifttum« hinzuweisen.


[1] Stewart Macaulay/Lawrence M. Friedman/Elisabeth Mertz, Law in Action, Foundation Press, New York 2007. Vorgänger waren zwei Auflagen von Friedman/Macaulay, »Law and the Behavioral Sciences« von 1969 und 1977 sowie Friedman/Macaulay/John Stookey, Law & Society. Readings on the Social Study of Law, 1995. Zu dieser dieser Vorauflage die lesenswerte Rezensionsabhandlung von Jonathan Simon, Law after Society, Law & Social Inquiry, 24, 1999, 143-194.

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Crossover Parsifal

Der »Kongress der deutschsprachigen Rechtssoziologie-vereinigungen« in Luzern ist vorüber. Es handelte sich um einen Versuch, die Rechtssoziologie nach dem Vorbild der Law & Society Association interdiszlipinär zu öffnen, ein Versuch, der von Michael Wrase (Rechtssoziologie und Law and Society – Die Deutsche Rechtssoziologie zwischen Krise und Neuaufbruch, ZfRSoz 27, 2006, 289) theoretisch vorbereitet worden war. Um Ausrichtung und Organisation der Tagung hat sich vor allem der »Berliner Arbeitskreis Rechtswirklichkeit« verdient gemacht (Christian Boulanger, Michelle Cottier, Josef Estermann, Michael Wrase).

Bis hin zur äußeren Gestaltung des Programmhefts folgte man in Luzern dem amerikanischen Vorbild. Auch wenn das sicher Zufall war, so trug doch auch der Konferenzort zum Law&Society-Feeling bei. Die Tagung fand in dem Gebäude des alten Grand-Hotel Union statt, dass der jungen Universität Luzern als Hörsaalgebäude dient. Die Tagung war gut organisiert und dank einiger Sponsoren mit Annehmlichkeiten ausgestattet, die die kleine und arme Gemeinschaft der Rechtssoziologen nur auf Medizinerkongressen vermutet.

Mit 204 aktiven Teilnehmern war die Tagung ein Erfolg. Nach dem bewährten Law&Society-Vorbild wurden in jeweils vier parallelen Sessionen im 90-Minuten Rhythmus jeweils drei bis fünf Referate gehalten. Die 15minütigen Pausen waren für den fliegenden Wechsel etwas zu knapp, so dass viel kostbare Vortragszeit für die Einrichtung der Laptops und Präsentationen verlorenging. Daraus ergab sich eine gewisse Hetze, und die Diskussion kam oft zu kurz. Wichtiger aber scheint mir, dass es gelungen ist, eine große Zahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für die Teilnahme zu gewinnen, die man bisher in Tagungen und Publikationen, die mit Rechtssoziologie überschrieben waren, nicht angetroffen hat. Angesichts dieses Erfolgs relativieren sich die Vorbehalte, die ich in meinem Vortrag für die Session »Das Rechts zwischen den Disziplinen« zum Ausdruck gebracht habe. Das Manuskript mit dem Titel »Crossover Parsival«, das etwas ausführlicher ist, als es mündlich vorgetragen werden konnte, steht hier zum Download bereit: crossover-parsifal

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Symboltheorie für die Rechtssoziologie

Thesen:
1. Für die Rechtssoziologie braucht man einen engen Symbolbegriff. Der Pansymbolismus der Philosophen und teilweise auch der Soziologen hilft hier nicht weiter.

2. Die Beschäftigung mit den Symbolen leidet unter der kulturwissenschaftlich geprägten Neigung zur »paradigmatischen« Überinterpretation der Symbole.

3. Die gängigen Symbole für Recht und Staat sind verblasst und verbraucht.

4. In der Theorie halten die Juristen in der Tradition von Rudolf Smend die Symbole hoch. Die juristische Praxis hat Schwierigkeiten im Umgang mit den Symbolen, und zwar aus zwei Gründen:

a) Mit Symbolen lässt sich noch schlechter steuern als mit Worten.

b) Wenn Interessenkonflikte mit Symbolen ausgetragen werden, wird daraus, was Vilhelm Aubert als Wertkonflikt bezeichnete.

Das vollständige Manuskript, das die Grundlage für mein Referat auf dem Kongress der deutschsprachigen Rechtssoziologie-Vereinigungen in Luzern am 5. 9. 2008 bildet, kann hier heruntergeladen werden: symboltheorie-fur-die-rechtssoziologie1

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Ich bin ein Legal McLuhanite

Die Medientheorie, auf die ich mich stütze, hat ihren Ursprung in der sog. Toronto-Schule (Innis, McLuhan, Havelock, Goody, Ong, Watt). Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion der Medien – damals vor allem der Presse und des Rundfunks – zu einem zentralen Thema der Sozialwissenschaften. Innis und McLuhan wiesen ihr eine neue Richtung, indem sie zwischen manifesten und latenten Funktionen der Medien unterschieden und dazu die konkreten Inhalte, die die Medien transportieren, von der Materialisierung und Organisation ihrer Speicherung und Übermittlung trennten.

Von dem Ökonomen Harold Innis[1] stammt die These, dem jeweils dominierenden Kommunikationsmedium sei ein »bias«, eine Voreinstellung zugunsten bestimmter gesellschaftlicher Interessen und Organisationsformen, inhärent. Innis stellte dabei auf das materielle Substrat der Kommunikation − Stein oder Tontafeln, Pergament, Papyrus und Papier und schließlich Elektrizität − ab. Maßgebliche Eigenschaften von Stein und Tontafeln sind räumliche Bindung und Dauerhaftigkeit, die die Zeitdimension und damit Tradition und Hierarchie begünstigen sollen. Das leicht transportable Papier dagegen ermöglicht die Ausdehnung der Herrschaft in den Raum, der Druck durch preiswerte Vervielfältigung eine soziale Breitenwirkung und die Elektrizität schließlich durch ihre Geschwindigkeit den sozialen Wandel. Nach Marshall McLuhan[2] zeigt sich die »message«[3] eines neuen Mediums nicht auf der Ebene der transportierten Inhalte, sondern in einer Veränderung von Wahrnehmung und Bewusstsein. So verändert sich auch das Recht mit dem Übergang von der Oralität zur Literalität, vom Manuskript zum Buchdruck, vom Schreiben zur Textverarbeitung und von der Bibliothek zur Datenbank und zum Internet.

An die Vorstellung vom Medienwandel als Auslöser sozialer Veränderungen knüpften auch Eric A. Havelock[4], Jack Goody[5] und Walter J. Ong[6] an. Aber sie stellten nicht auf die materiell-technischen Qualitäten des Mediums ab, sondern auf dessen Code-Struktur. Unter diesem Aspekt haben sie sich mit dem Über­gang von der Oralität zur Literalität befasst und gezeigt, wie die Schrift mit ihren spezifischen semiotischen Qualitäten kognitive Prozesse im Allgemeinen und speziell logisches Denken gefördert und damit kulturprägende Wirkungen entfaltet hat.

Die Schrift befreite das Gedächtnis und machte so eine kriti­sche Auseinander­set­zung mit den Inhalten möglich. Schrift gestattete, die auf­geschriebenen Ge­danken wie etwas Fremdes zu behandeln. Diese Objekti­vie­rung der Information führte zur Frage nach dem Subjekt und damit zu den Anfängen eines re­flek­tierten Selbst­be­wusst­seins. Erst danach konnten die Philosophen beginnen, Wahrheiten und Meinungen zu trennen. Erst mit Hilfe der Schrift ent­wickel­ten sie Taxo­no­mien zur Ordnung des Wissensstoffes. Was Goody und Watt[7] strukturelle Amnesie genannt haben, näm­lich die stän­dige Trans­formation des erinnerten Wissens in Abhän­gig­keit von den Not­wen­dig­keiten und Zufälligkeiten der Praxis, wurde mit Hilfe der Schrift durch ein Wis­sens­ma­nagement er­setzt.

Die Verschriftung, so Goody, löst das Wissen aus seinem lokalen und damit sozialen Kontext, indem sie es von der Präsenzkommunikation unabhängig macht. Sie transformiert simultane Sinneseindrücke in konsekutive Informationen. Sie fördert die Elaborierung und Systematisierung der Wissensbestände und damit tendenziell Verallgemeinerung und Abstraktion. Solche Verallgemeinerung ist wiederum Voraussetzung bürokratischer Herrschaft, weil sie die Auswahl des mitherrschenden Verwaltungsstabes nach Kompetenz an Stelle von Status oder Verwandtschaftsbeziehungen möglich macht.

Von Anfang an hatte Innis die soziale Bedeutung des Medienwandels an Veränderungen der Herrschafts- und damit der Rechtsstruktur demonstriert. Der medientheoretische Ansatz wurde in den USA von Collins/Skover und Katsh[8] aufgenommen und diente ihnen als Grundlage für eine Reihe prägnanter Hypothesen über die Veränderung des Rechts unter dem Einfluss der elektronischen Medien. Es zeigte sich jetzt, dass man die Rechtsgeschichte der Antike von Hammurabbi bis zu Justinian auch als Folge der fortschreitenden Verschriftlichung interpretieren kann. Im Mittelalter hat sich die Ablösung der Oralität durch Literalität noch einmal wiederholt, und erneut hat dieser Wandel im Recht seine Spuren hinterlassen. Der Buchdruck ist schließlich zur Grundlage dessen geworden, was noch immer als modernes Recht angesehen wird. Dabei geht es um die Umstellung des Rechts von Tradition auf Entscheidung, um die Art und Weise, wie das Recht mit Konflikten umgeht, um die Identität und Kohärenz der Juristenprofession und nicht zuletzt auch um die Abstraktionshöhe juristischen Denkens. An die Erklärung verschiedener Wesenszüge des modernen Rechts schließt sich eine Prognose von Veränderungen an, die von der elektronischen Datenverarbeitung zu erwarten sind.

Die wichtigsten Thesen von Collins/Skover und Katsh sind folgende: Der Übergang von der Oralität zur Literalität und weiter zum Druck hat die Art des Umgangs mit Konflikten und Präjudizien geprägt. Gerichtsverfahren, Vermittlung und Schlichtung sind ebenso wie Tadel, Nachrede oder Ausgrenzung Wege zur Konfliktregelung, die sich überschneiden und ergänzen können. Soweit es vor der Zeit des Buchdrucks überhaupt formelle Gerichte gab, standen sie doch im Schatten informeller Streitregelungsmethoden. Die Verbreitung des Buchdrucks stützte die Anwendung förmlich niedergelegten Rechts und bot damit eine Basis für offizielle Gerichte. Gedruckte Rechtsbücher beschädigten die Autorität bloß mündlich überlieferten Rechts, das für die informelle Konfliktregelung wesentlich war. Der Buchdruck ermöglichte die dauerhafte Zusammenstellung von Rechtswissen, was wiederum Juristen veranlasste, nach Prinzipien zu suchen, mit deren Hilfe sich das Rechtswissen systematisieren ließ. Richter, die sich an gedruckten Rechtsquellen orientierten, beschränkten damit die Auswahl der für ihre Entscheidung relevanten Informationen. Der soziale und moralische Kontext des Falles, der in oralen Gesellschaften und auch zur Zeit der Handschriftlichkeit höchst wichtig war, verlor an Bedeutung, soweit er nicht unter die Tatbestandsmerkmale fixierter Regeln passte. Die Sammlung von Regeln in gedruckten Rechtsbüchern drängte die nicht fixierten Sitten und Gebräuche und die Wissensbestände lokaler Gemeinschaften in den Hintergrund und entzog damit der informellen Streitregelung ihre Grundlage.

Die elektronischen Medien, so der Blick in die Zukunft, werden diese Entwicklung bis zu einem gewissen Grade wieder umkehren. Dass die Bilder auch in die Rechtskommunikation eindringen, erscheint unvermeidlich. Dort unterlaufen sie die uniformierende Kraft des Buchdrucks, die zu Abstraktion und strenger Regelorientierung geführt hat. Durch Digitalisierung wird das Rechtswissen wieder flüssig. Es wird leichter verfügbar, kann ganz unsystematisch abgerufen und relativ einfach neu gemischt werden. Gleichzeitig findet man in demselben Medium, anders als in der klassischen Bibliothek, auch nichtjuristische Informationen aller Art. In einer neuen Kultur des Umgangs mit Informationen wird es normal, separate Wissensbestände zusammen zu bringen. In der Folge werden Juristen, die gelernt haben, mit den elektronischen Medien umzugehen, die klassischen Rechtsquellen mit anderen Wissensangeboten kombinieren und so die Grenze zwischen juristischem und außerjuristischem Wissen durchlässig machen. Damit geraten auch die Gerichte unter Druck, sich nicht länger allein auf Regeln zu stützen, um relevante von irrelevanten Informationen zu trennen. Die Digitalisierung des Informationsangebots, so die Prognose, habe einen Bias in Richtung auf außergerichtliche Streitregelung, die mehr an Kontextinformation verarbeitet. Die elektronischen Medien, die unterschiedslos Informationen aus allen Wissens- und Lebensgebieten vereinigten, seien auf Interdisziplinarität angelegt und würden das Recht wieder stärker für Einflüsse aus dem sozialen Kontext öffnen. Bei dieser Entwicklung, so betont insbesondere Katsh, sollen Bilder eine tragende Rolle spielen, denn Bilder sind interpretationsfähiger und damit kontextoffener als Schrift. Die Flexibilisierung der Wissensbestände durch die elektronischen Medien werde die kulturelle Wertschätzung des Rechts, dem das gedruckte Rechtsbuch zu einer Aura der Stabilität und Verlässlichkeit verholfen hatte, unterminieren.

Richard J. Ross hat in seiner Rezensionsabhandlung zu den Arbeiten, mit denen Collins, Skover und Kaths die Grundgedanken der Toronto-Schule für den Rechtsbereich rezipiert hatten, davor gewarnt, nach einfachen Kausalbeziehungen zu suchen.[9] Dennoch muss es gestattet sein, Prognosen, die sich aus dem Gerüst der Medientheorie der Toronto-Schule ableiten lassen, für heuristische Zwecke zu benutzen. Sinnvoll bleibt auf jeden Fall der Versuch, den zeitlichen Zusammenhang zwischen Medienwandel und Veränderungen von rechtlichen Inhalten und Verfahren zu beschreiben.

Was ist also aus den medientheoretisch inspirierten Prognosen der Rechtsentwicklung geworden? Welche weiteren Prognosen bieten sich an? Mit der Rolle der Bilder bei der Konstruktion und Vermittlung juristischen Wissens haben wir uns in dem Projekt »Visuelle Rechtskommunikation« befasst.[10] Über die Entwicklung der alternativen Konfliktregelung ist bereits viel gearbeitet worden. Ich habe mich auch selbst immer wieder damit beschäftigt[11], ohne allerdings bisher eine Verbindung zum Medienwandel herzustellen. Zentrales Thema für die Rechtssoziologie müsste eigentlich der Zusammenhang zwischen Medienwandel und organisierter Herrschaft sein. Innis’ These von der räumlichen Ausdehnung von Herrschaft mit Hilfe des Papiers fordert geradezu die These heraus, dass weltumspannende elektronische Kommunikation globale Herrschaftsstrukturen nach sich zieht. Es gibt zahllose Arbeiten über Organisation und Bürokratie, über Recht und Globalisierung und neuerdings auch über E-Government. Doch auch insoweit fehlt, wenn ich richtig sehe, eine Darstellung, die die Entwicklung durchgehend auf den Medienwandel bezieht. Ich kann hier zunächst nur auf ein Buch aufmerksam machen, das, wie ich finde, bisher nicht genügend beachtet worden ist und dringend fortgeschrieben werden müsste. Es handelt sich um den 1996 bei Harvard University Press erschienenen Band »The Control Revolution« von James R. Beniger. Etwas größere Aufmerksamkeit hat der Einfluss von Datenverarbeitung und Internet auf die interne Entwicklung der Wissenschaft im Allgemeinen und speziell auch auf die Jurisprudenz gefunden. Mit dieser Fragestellung hatte ich mich in der ersten Hälfte der 90er Jahre selbst dem Themenkomplex »Recht und Medienwandel« genähert. Ergebnis war 1996 ein Vortrag vor der Vereinigung für Rechtssoziologie, den ich nie veröffentlich habe, der aber hier noch als PdF zur Verfügung steht. Zu der Frage, wie sich die Verfügbarkeit von Präjudizien in Datenbanken auswirkt, drängt sich so sehr auf, dass es dazu längst entsprechende Untersuchungen geben müsste. Nicht ganz so naheliegend, aber kaum weniger plausibel ist die These, dass die größere Verfügbarkeit disziplinfremden Wissens im Internet die Interdisziplinarität befördert. Ich kenne aber keine Untersuchung, die dieser These nachgeht.

Seit einigen Monaten betätige ich mich nun als Blogger. Da bleibt es gar nicht aus, dass man sich etwas allgemeiner über Wissenschaftsblogs informiert, über die eigene Rolle in diesem Feld nachdenkt und dann natürlich auch wieder verallgemeinernd über mögliche oder tatsächliche Veränderungen des Rechts in der Blogosphäre spekuliert. Die große Versuchung durch das Weblog: Erst schreiben, dann forschen. Eine Zeitlang will ich dieser Versuchung noch widerstehen.


[1] Harold Adams Innis, Empire and Communications, 1950, Neudruck Dundurn, Toronto 2007; ders., Kreuzwege der Kommunikation, hrsg. von Karlheinz Barck, aus dem Englischen von Friederike von Schwerin-High, Springer Verlag, Wien/New York 1997.

[2] Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters, Econ-Verlag, Düsseldorf 1968 (The Gutenberg Galaxy. The Making of the Typographic Man, 1962); ders., Die magischen Kanäle, Econ-Verlag, Düsseldorf 1968 (Understanding Media. The Extensions of Man, 1964).

[3] Von McLuhan gibt es auch ein Buch mit dem Titel »The Medium is Massage«. Das berühmte Zitat »the medium is the message« stammt aus der Gutenberg-Galaxis.

[4] Preface to Plato, Cambridge, MA, 1963; ders., Schriftlichkeit. Das griechische Alphabet als kulturelle Revolution, (Original: The Literate Revolution in Greece and its Cultural Consequences, 1982), VHC, Acta Humaniora, Weinheim 1990.

[5] Jack Goody, Literacy in Traditional Societies, Cambridge University Press, 1968; dt. Erstausgabe unter dem Titel „Literalität in traditionalen Gesell­schaften”, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1981; ders., Die Logik der Schrift und die Organisation von Gesellschaft, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1990.

[6] Orality and Literacy. The Technologizing of the Written Word, Methuen, London 1982.

[7] Jack Goody/Jan Watt, Jan/Kathleen Gough (Hrsg.), Entstehung und Folgen der Schrift­kultur, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1986.

[8] Ronald K. L Collins./David M. Skover, Paratexts, Stanford Law Review 44, 1992, S. 509-552; M. Ethan Katsh, The Electronic Media and the Transformation of Law, Oxford University Press, New York und Oxford 1989; ders., Law in a Digital World, Oxford-University Press, New York und Oxford 1995.

[9] Communications Revolutions and Legal Culture: An Elusive Relationship, Law & Social Inquiry 27, 2002, 637-684.

[10] Das Forschungsprojekt »Visuelle Rechtskommunikation« wurde in den Jahren 2000-2002 mit Förderung der Stiftung Volkswagen am Lehrstuhl für Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie der Ruhr-Universität bearbeitet. Es gab zwei Anschlussprojekte, nämlich das von der Ruhr-Universität geförderte Projekt »Recht anschaulich«, das sich mit den Visualisierungsmöglichkeiten in der Juristenausbildung befasste, sowie das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt »Kultivierungseffekte des Gerichts- und Anwaltsfilms«. Über die Projekte und die daraus entstandenen Veröffentlichungen gibt die Internetseite http://www.ruhr-uni-bochum.de/rsozlog/ Auskunft.

[11] Zuerst »Alternativen zum Recht?« (zusammen mit S. Röhl), Deutsche Richterzeitung 1979, S. 33-38; zuletzt »Die obligatorische Streitschlichtung in der Praxis« (mit Matthias Weiß), 2005.

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Wo bleibt die Rechtsdidaktik? (Teil II)

Eine juristische Fachdidaktik ist nicht deshalb erforderlich, weil die juristische Ausbildung besonders schlecht ist, sondern weil sie vermutlich besser sein könnte.

Im Posting vom 21. Juli 2008 habe ich das Fehlen einer spezifischen Rechtsdidaktik beklagt. Damit will ich nicht sagen, dass der aktuelle juristische Hochschulunterricht besonders schlecht wäre. Ich höre nicht selten Studenten begeistert von einer juristischen Vorlesung berichten. In Bochum gab und gibt es eine ganze Reihe von »Hörsaalkanonen«, die ein großes Studentenpublikum fesseln können. In anderen Fakultäten wird es ähnlich sein. Die Fakultäten unternehmen auch erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der Lehre. Überall gibt es Studiendekane oder Lehrbeauftragte. Spezielle Kurse zur Examensvorbereitung gehören fast überall zum Standard. Die Studiengebühren, die weitgehend zweckgebunden sind zur Verbesserung der Lehre, dürften die Situation weiter verbessern. Das Angebot an juristischer Studienliteratur ist dank der großen Studentenzahlen, die es für Verlage und Autoren lohnend machen, Lehr- und Lernbücher zu schreiben, sehr umfangreich und überwiegend von guter Qualität. Ich akzeptiere den Hinweis auf das bei Juristen so verbreitete Repetitorenwesen nicht als Argument gegen die Qualität der juristischen Ausbildung. Die Repetitoren haben nur deshalb Erfolg, weil das juristische Studium durch die Gestaltung des Staatexamens so kanonisiert ist (oder war?), dass man wissen kann, was man zum Examen zu wissen hat. Die Examenskandidaten sind nicht davon abhängig, dass sie in der Vorlesung eines bestimmten Dozenten gesessen oder seine Bücher gelesen haben. Die Unabhängigkeit des Examens von der Person einzelner Prüfer ist eine Errungenschaft, von der manche Fächer träumen. Es gibt wohl kein anderes Studium, das für den Staat so billig ist wie das juristische. Dafür müssen die Studenten an den Repetitor zahlen. Und dennoch: Es fehlt eine ausgearbeitete juristische Fachdidaktik.

Ohne den Anspruch, der Komplexität des Themas damit gerecht zu werden, will ich den ersten Beitrag um sieben Gesichtspunkte ergänzen:

1. Wenn ich eingangs festgestellt hatte, die Visualisierung sei zurzeit der einzige aktive Zugang zur Rechtsdidaktik, so übersehe ich natürlich nicht die enormen Aktivitäten auf dem Gebiet des E-Learning. Ich beobachte staunend, wie Bund und Länder den »virtuellen Hochschulraum« mit Millionenbeträgen fördern. Bislang ist das Ergebnis kläglich. Gerade in diesem Bereich fehlt eine juristische Fachdidaktik. Darauf hat Günter Reiner aufmerksam gemacht (Juristische Didaktik und E-Lernen: theoretische Konzeption und Anwendungsbeispiele, JurPC Web-Dok. 160/2007, Abs. 1 – 49 (http://www.jurpc.de/aufsatz/20070160.htm).

2. Fragen der Ausbildungsreform und der Fachdidaktik lassen sich nicht sauber trennen. Das Ziel der Juristenausbildung wird durch eine politische Entscheidung bestimmt, die freilich didaktisch informiert erfolgen sollte. Eine Fachdidaktik hat dieses Ziel umzusetzen. Dabei muss sie mit den wiederum politisch verantworteten institutionellen Zwängen der Ausbildung fertig werden. Sie kann umgekehrt auch Forderungen zur Regulierung, häufiger aber vermutlich zur Deregulierung der Juristenausbildung stellen.

3. Auch zwischen Hochschulpädagogik und Fachdidaktik gibt es keine scharfe Grenze. Mein Eindruck ist allerdings, dass die Hochschuldidaktik[1] die Notwendigkeit oder gar Möglichkeit einer Fachdidaktik vernachlässigt, wenn nicht gar verneint. Universitäre Fachdidaktik muss die allgemeine Hochschulpädagogik inkorporieren. Eine Fachdidaktik des Rechts muss aber darüber hinaus auf viele Fragen eine Antwort geben, die sich für die Rechtswissenschaft in besonderer Weise stellen, darunter die Fragen nach der Vermittlung von Systemvorstellungen und juristischer Methode, nach der Verbindung von Theorie und Praxis, von Soft Skills mit juristischen Inhalten, nach Interdisziplinarität und natürlich die Dauerfrage nach der richtigen Beschränkung von Studieninhalten und Prüfungsstoff.

4. Vielleicht hat das Fehlen der Rechtsdidaktik im universitären Bereich etwas damit zu tun, dass es in Deutschland keine fächerübergreifende Hochschullehrervereinigung gibt. Es gibt die Zivilrechtslehrer, die Strafrechtslehrer und die Staatsrechtslehrer. Sie alle kümmern sich um ihre Fächer, aber nicht um gemeinsame, fachunabhängige Themen.

5. Viele Dozenten befassen sich mit pädagogischen Fragen, ohne das an die große Glocke zu hängen. Es ist nicht einfach, die einschlägigen Arbeiten zu recherchieren, weil selten oder nie »Fachdidaktik des Rechts« oder »Rechtspädagogik« im Titel steht. Hier ein Beispiel: Bernhard Bergmans, Rechtsterminologieunterricht als Zugang zur Rechtsvergleichung. Das Beispiel des Deutschen, in französischer Sprache veröffentlicht in Revue de droit international comparé 1987, 89-110. Der Verf. hat mir das Manuskript der deutschen Übersetzung überlassen.

6. Die Fachhochschulebene hat sich bei den didaktischen Anstrengungen einen Vorsprung erarbeitet. Es hilft nicht weiter, sich dagegen abzusetzen, denn auch die Universität kommt nicht umhin, praktisch verwertbare Rechtskunde zu vermitteln. Will sie mehr leisten, nämlich die Wissenschaftlichkeit der universitären Rechtsausbildung sichern[2] oder gar wiederherstellen[3], so muss sie mindestens das Weniger bieten. Aber auch und gerade das »Mehr«, die Wissenschaftlichkeit, verlangt nach Didaktik.

7. Adressaten einer Rechtsdidaktik sind nicht nur Dozenten, sondern auch Studenten. Anleitungen zum Jurastudium für Studenten gibt es in größerer Zahl. Noch zahlreicher sind die Anleitungen zur Anfertigung von Klausuren und Hausarbeiten. Ich möchte heute auf ein Buch hinweisen, dass in akademischen Kreisen, wie ich finde, zu Unrecht keine Beachtung findet, nämlich das Buch »Lernprofi Jura« der Repetitoren Marco von Münchhausen und Ingo P. Poschel, München 2002.


[1] Einen Eindruck vermittelt die Internetseite des Hochschuldidaktik-Zentrums des Landes Baden-Württemberg, die auch ein Literaturverzeichnis bietet. Ich habe in den ausführlichen Programmen von 2004 bis 2008 vergeblich nach den Stichworten »Fachdidaktik«, »Rechtsdidaktik«, »Rechtswissenschaft« und »Jura« gesucht.

[2] Peter A. Windel, Zwischenbilanz zur Studienreform von 2003, in: Juristenausbildung mit Herz und Verstand. Festgabe für Heinrich Flege, 2008, 37-50, 39.

[3] Peter Gilles/Nikolaj Fischer, Juristenausbildung 2003, NJW 2003, 707-711, 711.

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Hier war die Rechtsdidaktik

In den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts verlangten »fortschrittliche« Rechtsfakultäten von ihren Bewerben, dass sie neben Lebenslauf und Schriftenverzeichnis auch ein Positionspapier zur Rechtsdidaktik vorlegten. Mein Bochumer Kollege Professor Dr. Peter A. Windel hat mir freundlich einen solchen Text zur Verfügung gestellt, den er 1997 verfasst hat und der unverändert hier zu lesen ist:

Über akademische Lehre

Bei allen Vorbehalten, die ein junger Privatdozent ohne große Lehrerfahrung machen muss, wenn er Vorstellungen zur akademischen Lehre entwickelt, lässt sich festhalten, dass der Zu­gang zu einer didaktisch sinnvollen Aufbereitung des zu vermittelnden Stoffes im Bereich der Geisteswissenschaften erleichtert wird, wenn deren Dogmatik ihrerseits nicht nur nach streng systematischen, sondern auch nach heuristischen Kriterien entwickelt wird.

Neben der für die Geisteswissenschaften klassischen deduktiven Vermittlung des Stoffes bietet sich gerade für das Jurastudium auch die induktive Methode an. In Gestalt der Judikatur und der zahlreichen Schulfälle gibt es nämlich eine Fülle an Material, um den Vortrag plastischer und damit für die Studierenden leichter fasslich zu machen. Dabei ist freilich auf sorgfältige Auswahl und Vereinfachung zu achten: Werden Beispielsfälle zu komplex, verlieren sich Vor­tragender und Auditorium leicht in Nebensächlichkeiten. Dies gilt übrigens auch für Klausur­aufgaben; m. E. wird dies oft nicht genügend berücksichtigt. Hiergegen lässt sich nicht ein­wenden, Ausbildung und Prüfung verlören mit der Entschlackung der Fälle den notwendigen Bezug zur komplexen Lebenswirklichkeit. Denn Hausarbeit und juristischer Vorbereitungs­dienst bieten ausreichend Gelegenheit, mit verwickelteren Vorgängen vertraut zu werden.

Indem ich deduktive und induktive Methode nebeneinanderstelle, trete ich für eine Kombina­tion der beiden miteinander ein. Dies beruht auf meiner bisherigen Lehrerfahrung: Manches lässt sich in der nötigen Klarheit nur rein deduktiv entwickeln; anderes muss zwar ebenfalls aus allgemeinen Prinzipien hergeleitet werden, wird aber erst durch das Beispiel anschaulich; wie­der anderes erschließt sich am besten dadurch, dass Beispielsfall für Beispielsfall analysiert und die Ergebnisse schließlich abstrakt zusammengefasst werden.

Auch die Pädagogik mag auf die akademische Lehre ihren Einfluss haben, freilich ist dieser wegen des durchschnittlichen Alters der Studierenden beschränkt. Hinzu kommt, dass es gerade auch deren wohlverstandenem Interesse entspricht, ihnen so viel akademische Freiheit zu er­halten, wie dies unter den Bedingungen der modernen Massenuniversität eben möglich ist: Eigenständige Persönlichkeiten werden sich dann besser entfalten können als in einem ver­schulten Lehrbetrieb.

Sicher ist, dass das Verhältnis von Stoff und Form im universitären Unterricht wegen der Komplexität des ersteren oft den Gestaltungsrahmen für letztere einschränkt. Die klassische und bewährte Typik der Lehrveranstaltungen (Vorlesungen, Übungen, Seminare, Kolloquien, Kurse, Propädeutika und Tutorien) stellt aber einen Fundus bereit, die daraus folgenden Pro­bleme zu bewältigen. Dabei ist die Scheu unangebracht, die einzelnen Typen zu kombinieren und damit in ihrer Leistungsfähigkeit wechselseitig zu stärken (Propädeutika und Tutorien mit kleinen Gruppen können den Nutzen einer Großveranstaltung mehren; Wiederholungs- und Vertiefungskurse vermögen die Hauptvorlesungen zu ergänzen usf.). Letztens lässt sich auch festhalten, dass der Erfolg einer Veranstaltung zum nicht geringsten Teil davon abhängt, wie die Weichen an den situationsbedingt entscheidenden Punkten im Rahmen eines Semesters ge­stellt werden: Ein Hörsaal lässt sich in einem Augenblick “packen” oder verlieren, der Lehrer­folg ist gelegentlich von vordergründig rein atmosphärischen Dingen abhängig.

Im Rahmen einer Bewerbung um eine Professur an einer juristischen Fakultät lässt sich über akademische Lehre nicht schreiben, ohne auf die besondere Problematik der Juristenausbildung einzugehen. Deren Grundfragen sind andernorts oft genug erörtert worden und brauchen hier nicht erneut aufgegriffen zu werden (das Verhältnis von Recht als normativer Ordnung und “Rechtswirklichkeit”; die Verbindung von universitärer Ausbildung mit Staatsexamina; die Frage, ob eine echte Zwischenprüfung mit dem Charakter des Jurastudiums vereinbar ist; die Ein- oder Mehrgliedrigkeit der Ausbildung; die Nöte, Normenflut und ins Kraut schießendes “Richterrecht” zu bewältigen; die rechtlichen Implikationen des europäischen Integrationspro­zesses und nicht zuletzt das Repetitoren[un]wesen). Daher begnüge ich mich mit dem Be­kenntnis, dass sich das Studium der Rechtswissenschaften dann als besonders gewinnbringend erweisen dürfte, wenn es tatsächlich als solches betrieben wird.

Für die Lehrenden bedeutet dies, dass sie auch im Unterricht der Rechtswissenschaft ver­pflichtet sein müssen und nicht in eine Rechts- oder Entscheidungskunde abgleiten dürfen. Denn es wäre ein Irrglaube anzunehmen, ein möglichst breites Detailwissen machte die guten, d. h. für die Gesellschaft nützlichen, Juristen aus. Im Gegenteil sind es die systematischen Grundlagen und das methodische Rüstzeug, die die Bewältigung der vielfältigen Aufgaben er­möglichen, die die unterschiedlichen juristischen Berufe an ihre Repräsentanten herantragen. Gelingt es, in diesem Sinne auszubilden oder vielleicht besser: Hilfestellung zum jeweils per­sönlich geprägten Studium zu leisten, dürfte sich auch die Diskussion erledigen, ob das Bild des sog. Einheitsjuristen aufgegeben werden sollte. Denn wie wären die Ziele von Lehrenden und Studierenden besser zu vereinigen als in einem Studienabschluss, der für den weiteren be­ruflichen Lebensweg gute Chancen auf verschiedensten Feldern eröffnet?

[Früherer Beitrag zur Fachdidaktik der Rechtswissenschaft am 21. 7. 2008]

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Interdisziplinarität im Verfassungsgerichtsurteil zum Inzest

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Geschwisterinzest kann als Demonstrationsobjekt für Interdisziplinarität bei der Rechtsarbeit dienen. Hörnle hat in NJW 2008, 2085 die Argumentationslinien des Gerichts sehr schön klargelegt. Es gibt vier Begründungsansätze: Schutz der Familie, Schutz sexueller Selbstbestimmung, eugenische Gesichtspunkte und die »kulturhistorischen Überzeugungen“. Jeder Ansatz geht von bestimmten Realitätsvorstellungen aus, zu denen andere Disziplinen etwas zu sagen haben. Es ist deshalb kein Zufall, dass dieses Urteil eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik provoziert hat (die gekürzt auch auf der Umschlagseite XII von NJW 29/2008 abgedruckt ist).

Der eugenische Gesichtspunkt ist durch den Umgang der Nazis mit Erbkrankheiten und Euthanasie so schwer belastet, dass eine bloß funktionale Erörterung heute nicht möglich ist. Diese Tatsache sollte aber nicht dazu führen, dass die Verfolgung eugenischer Ziele mit Hilfe des Rechts tabuisiert wird.

Ein Standardargument geht dahin, die Fortpflanzungsfreiheit auch von Paaren, deren Kinder ein erhöhtes Risiko für rezessiv erbliche Krankheiten hätten, dürfe nicht eingeschränkt werden. Das ist fraglos ein außerordentlich heikles Thema. Man darf aber nicht die Augen davor verschließen, dass zwar der Geschwisterinzest eine seltene Ausnahme ist, dass aber heute aus Ärztekreisen berichtet wird, dass Ehen zwischen Vettern und Cousinen mit den entsprechenden Folgen in bestimmten Kreisen der Bevölkerung häufig sind. Und es lässt sich einfach nicht übersehen, dass zumindest in den USA erörtert wird, ob Eltern, die ein behindertes Kind zur Welt bringen, dessen Geburt sie hätten verhindern können, Schadensersatzansprüchen des Kindes ausgesetzt sind.

Kirsten Rabe Smolensky, Creating Disabled Children: Parental Tort Liability for Preimplantation Genetic Interventions (July 11, 2008). 60 Hastings Law Journal, Forthcoming 2008; verfügbar bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=1166602; vgl. dazu Lawrence B. Solum in seinem Legal Theory Blog.

Eine solche Konsequenz ist aus meiner Sicht absurd. Doch mindestens die Frage, ob das behindert geborene Kind selbst Ansprüche gegen Dritte, insbesondere gegen Ärzte, geltend machen kann, ist sicher noch nicht abschließend beantwortet.

Kinder haben ein Recht auf »Geborenwerden in Unversehrtheit«. Die Tatsache, dass das Kind bereits geschädigt auf die Welt gekommen ist, das Rechtsgut »Gesundheit« in seiner Person also nie unversehrt bestanden hat, ist unerheblich. Daher sind auch vorgeburtliche Schädigungshandlungen, die sich erst in/mit der Geburt auswirken, erfasst (Autounfall der Mutter, BGH NJW 85, 1390; Syphilis-Infektion des Kindes wegen Infektion der Mutter während der Schwangerschaft durch Krankenhauspersonal, BGHZ 8, 243).

Liegen die Fälle, in denen einem Arzt Fehler bei der genetischen Beratung der Eltern oder bei der vorgeburtlichen Diagnostik zur Last fallen, so grundsätzlich anders? Fehlt es an einer vorgeburtlichen »Schädigungshandlung«? Zwar hat der Arzt die Behinderung des Kindes nicht durch ein positives Tun hervorgerufen. Er hat weder auf den Fötus noch die Mutter in irgendeiner Weise eingewirkt. Daher kommt allenfalls eine Rechtsgutverletzung durch Unterlassen in Betracht, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. Eine solche Rechtspflicht ließe sich wohl aus dem Arztvertrag mit der Mutter ableiten, der nach § 328 II BGB als Vertrag zugunsten eines (künftigen) Dritten oder gar des nasciturus gelten kann. Unabhängig davon verlangt das Recht, unversehrt geboren zu werden (wenn es denn ein solches gibt), von dem konkret mit Beratung oder Untersuchung befassten Arzt als »Experten« ein Tätigwerden. Dennoch hat das mit einer schweren Behinderung geborene Kind nach Auffassung des BGH und herrschender Meinung keinen Anspruch auf Schadenersatz, wenn wegen mangelhafter ärztlicher Leistung ein eigentlich indizierter Schwangerschaftsabbruch unterblieben ist, denn – so die Begründung – es hat keinen »Anspruch auf Nichtexistenz« (BGHZ 86, 240, 250; BGHZ 89, 104; Müller, NJW 2003, 697/700). Das bedeutet: Ausgerechnet dann, wenn das Kind Hilfe besonders nötig hätte, nach dem Tode der Eltern, wird es rechtlos gestellt. Das ist mehr als bloß eine »Schwachstelle« (Müller S. 706) und die gängige Begründung ist reine Begriffsjurisprudenz. Im Hintergrund steht vermutlich die Befürchtung, dass ein Schadenersatzanspruch des Kindes gegen Dritte den Weg auch für Ansprüche gegen Eltern bereiten würde, in der Tat ein schwer vorstellbares Ergebnis. Müller appelliert an die »Verantwortung der Gesellschaft« und verweist auf das SGB. Ich meine, dass man vor diesem Hintergrund eugenische Ziele für die Rechtspolitik nicht von vornherein ausschließen kann. Auf die Mittel kommt es an. Deshalb kann man sich um das Eugenik-Thema nicht drücken.

Die Rechtswissenschaft hat hierzu unter anderen die Aufgabe, die juristischen und rechtspolitischen Stellungnahmen aus der Zeit vor 1933 aufzuarbeiten. Besonders verdienstvoll ist deshalb die »Einführung: Rechtstheorie und Staatsverbrechen«, von Wolfgang Naucke in: Karl Binding/Alfred Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, [1920], Nachdruck 2006. Ich möchte hier daran erinnern, dass es von Theodor Geiger eine ganze Reihe von Stellungnahmen zur Eugenik gab. Zwar hat sich Geiger darin als Kritiker der eugenischen Bewegung seiner Zeit gezeigt. Er hat jedoch den Grundgedanken einer eugenischen Erbpflege durchaus befürwortet. 2001 hat sich Thomas Meyer in seiner Geiger-Monographie gegen die bisher verbreitete Lesart gewendet, die Geiger als frühen Kritiker der Eugenik rühmt, und ihm vorgeworfen, er habe teilweise die Grenzen des moralisch Vertretbaren überschritten (Thomas Meyer, Die Soziologie Theodor Geigers, 2001, 112 ff.). Das muss vielleicht nicht das letzte Wort bleiben. Geigers Schriften zur Eugenik sind m. E. noch nicht hinreichend beachtet worden. Ihre Aufarbeitung könnte ein Dissertationsthema für eine mutige Juristin sein.

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So wurde ich ein Legal McLuhanite

Medienwandel und Rechtsentwicklung ist ein großes Thema der Rechtssoziologie. Seit Ende der 60er Jahre habe ich die stürmische Entwicklung der EDV aus unterschiedlichen Perspektiven miterlebt. Als junger Landgerichtsrat hatte ich in Kiel die praktische Studienzeit für Studenten zu organisieren. Zum festen Programm gehörten Besuche in den wichtigsten Rechenzentren, die es damals in Kiel gab, nämlich im Statistischen Landesamt, bei der Landesbrandkasse und bei der (später von Siemens übernommenen) Firma des genialen Ingenieurs Rudolf Hell, der seit Ende der 20er Jahre mehr oder weniger alle Verfahren der elektronischen Bildübertragung erfunden hatte. Während meiner relativ kurzen Tätigkeit als Chefsyndikus der Brandkasse-Provinzial in Kiel ab 1972 wurden mir alsbald auch die Aufgaben des Hauptabteilungsleiters Allgemeines mit der Zuständigkeit u. a. für Betriebsorganisation und EDV übertragen. Damals kämpften wir mit Problemen, die aus heutiger Sicht lächerlich erscheinen, etwa mit der Einführung einer einheitlichen Kundennummer oder der Umstellung von Magnetbändern auf Festplatten. Ich weiß noch, wie unwohl mir war, als ich die Verträge über die Anschaffung einer neuen Generation von IBM-Rechnern unterschreiben musste, ohne wirklich zu verstehen, worum es eigentlich ging. Getreu dem Peter-Prinzip wechselte ich 1975 in die Universität und stellte so einen gehörigen Abstand zur EDV her.

In der Ruhr-Universität gab es wohl schon ein Rechenzentrum. Aber damit hatten wir Juristen nichts zu tun. In den 80er Jahren bahnte sich dann aber über die Rechtssoziologie eine Zusammenarbeit mit der Abteilung Rechtstatsachenforschung/Justizstatistik im Bundesjustizministerium an. Referatsleiter war Dieter Strempel, der sich zuvor bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung in Birlinghoven (GMD) in die Geheimnisse von Systemanalyse, EDV- und Planungstechnik hatte einweihen lassen und danach im Ministerium am Aufbau des Juristischen Informationssystems (JURIS) mitarbeitete. Strempel entwickelte nach und nach den Forschungsschwerpunkt »Strukturanalyse der Rechtspflege« (SAR) und setzte dabei vor allem auf das gleichzeitig in der GMD entwickelte Justiz-Statistik-Informationssystem. Ich kann mich lebhaft daran erinnern, wie wir 1984 auf der Tagung »Rechtsmittel im Zivilprozeß«[1] zum ersten Mal eine Online-Verbindung von Bochum zur GMD nach Birlinghoven herstellen wollten, und wie der mühsam beschaffte große Monitor dunkel blieb. Im selben Jahr kaufte ich (für annähernd 8000 DM) meinen ersten eigenen PC, den legendären Kaypro IV mit einem Zilog Prozessor, 64 KB RAM und zwei Diskettenlaufwerken von 160 KB und durchlebte von nun an die Höhen und Tiefen der Textverarbeitung. Ich weiß gar nicht mehr, wann wir auch in der Universität einen PC anschaffen konnten. Aber jedenfalls war meiner der erste in der Fakultät. Um diese Zeit war ich auch Direktor des Zentralen Rechtswissenschaftlichen Seminars (ZRS) geworden. Nun kam die EDV aus einer anderen Richtung auf mich zu. Jetzt ging es um Bibliotheksverwaltung und Datenbankzugang. An amerikanischen Law Schools hatte ich erlebt, wie phantastisch dort längst elektronische Kataloge und Datenbankzugänge funktionierten. Aber in Bochum kämpfte das Rechenzentrum der Universität noch über Jahre mit der Programmierung des OPAC, und die Zusammenführung von Beschaffung und Katalogisierung erwies sich als unerhört schwierig. Ich saß im Beirat des Rechenzentrums und war schon wieder an der Grenze meiner Kompetenz. Immerhin konnte ich Drittmittel einwerben, um sehr früh das ZRS mit PC für die Benutzer und einem Juris-Zugang auszurüsten. Die Juristische Fakultät war in Bochum wohl auch die erste unter den geisteswissenschaftlichen, die rundum vernetzt wurde. Vorübergehend hatte ich dann allerdings ein bißchen den Anschluss verloren. Ich hatte so viele EDV-begeisterte studentische Hilfskräfte, darunter beinahe mehr Frauen als Männer, die vor allem die Betreuung des JURIS-Terminals übernahmen, die Einführungskurse für ihre Kommilitonen abhielten und sich so an die Computer drängten, dass ich mich, jedenfalls in der Universität, gar nicht mehr selbst an den Bildschirm zu setzen brauchte. Darüber habe ich dann zunächst die Umstellung von MS/DOS auf Windows und dann auch den Einstieg ins Internet verpasst.

Seit Beginn der 90er Jahre bewegte uns vor allem die Frage, ob Datenbanken im Laufe der Zeit juristische Experten überflüssig machen könnten. Martina Wegge und Michael Hartmann, damals Mitarbeiter an meinem Lehrstuhl, konnte ich zu einer Untersuchung über »Rechtsprechungsdatenbank und professionelle Zuständigkeit. Der Einfluß juristischer Datenbanken auf die Tätigkeit von Versicherungsangestellten mit und ohne juristische Ausbildung«[2] veranlassen. »Recht und Medien« wurde auf mein Betreiben das Generalthema der Jahrestagung der Vereinigung für Rechtssoziologie 1996. Damals hielt ich einen Vortrag »Über den Einfluß der elektronischen Medien auf das Recht und das juristische Denken«. Der Vortrag (hier unverändert als PdF) ist nicht veröffentlicht worden, weil sich mein Interesse sehr schnell auf einen Ausschnitt aus diesem Thema konzentrierte, nämlich auf die Visuelle Rechtskommunikation. Verursacht wurde der Blickwechsel u. a.. dadurch, dass meine Mitarbeiter Stefan Machura und Stefan Ulbrich sehr erfolgreich eine Idee umsetzten, die ich aus St. Louis von meinem dortigen Kollegen Francis M. Nevins mitgebracht hatte, nämlich ein Seminar zum Thema »Recht und Film«. Ab 1999 haben wir dann gemeinsam drei aufeinander folgende Projekte durchgeführt:

  • »Visuelle Rechtskommunikation«, gefördert von der Stiftung Volkswagen
  • »Recht anschaulich«, gefördert durch das Rektorat der Ruhr-Universität im »Innovationswettbewerb in der Lehre« 2001
  • »Kultivierungseffekte des Justiz- und Anwaltsfilms«, gefördert von der DFG.

Die Medientheorie, auf die wir uns stützten, hat ihren Ursprung in der sog. Toronto-Schule (Innis, McLuhan, Havelock, Goody, Ong, Watt). Und so wurde ich zum „Legal McLuhanite“[3]

Das rechtssoziologische Potential dieser Theorie ist noch längst nicht ausgeschöpft. In einem späteren Beitrag werde ich deshalb zunächst diesen Theorieansatz skizzieren.


[1]Daraus entstand der Tagungsband Gilles/Röhl/Schuster, Rechtsmittel im Zivilprozeß, 1985.

[2] Universitätsverlag Brockmeyer, Bochum 1993

[3]Begriff von Richard J. Ross, Communications Revolutions and Legal Culture: An Elusive Relationship, Law & Social Inquiry 27, S. 2002, 637-684, 646. Es handelt sich um eine Rezensionsabhandlung zu drei bahnbrechenden US-amerikanischen Arbeiten: Ronald K. L Collins./David M. Skover, Paratexts, Stanford Law Review 44, 1992, S. 509-552, und M. Ethan Katsh, The Electronic Media and the Transformation of Law, Oxford University Press, New York und Oxford 1989, sowie ders., Law in a Digital World, Oxford-University Press, New York und Oxford 1995.

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Dissertationsthemen sind knapp

Die meisten juristischen Dissertationen sind vom Ergebnis her gesehen überflüssig wie ein Kropf – heute muss man vielleicht sagen, überflüssig wie ein Posting im Weblog. Sie verschwinden ungelesen in den Bibliotheken. Das ist nicht schlimm, denn jedenfalls für den Promovenden bringt die Dissertation eine wichtige Arbeitserfahrung und den ersehnten Titel. Schlimm ist es aber, wenn Promovenden wegen ungeeigneter Themen wertvolle Lebensjahre verlieren.

Ein Thema ist geeignet, wenn es relevant und im Einmannbetrieb in maximal zwei Jahren zu bearbeiten ist. Von diesen zwei Jahren sollte nur ein Jahr Vollzeittätigkeit erfordern. Für das zweite Jahr sollte, je zur Hälfte als Vorbereitung und Nachbereitung, eine Teilzeitbeschäftigung ausreichen.

Solange ich noch selbst Doktoranden annahm, habe ich ihnen immer gesagt, ihre erste und wichtigste Leistung sei die Entscheidung für ein relevantes und bearbeitbares Thema. Als Emeritus nehme ich zwar selbst grundsätzlich keine Doktoranden mehr an. Aber von Zeit zu Zeit, wenn mir etwas auffällt oder einfällt, will ich doch an dieser Stelle Themenvorschläge machen, die ich für geeignet halte. Heute begnüge ich mich damit, auf meine Webseite zum Gerichtsmanagement zu verweisen, wo unter »Desiderata« einige Themen genannt sind.

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