Erhard Blankenburg ist am 28. März 2018 im Alter von 79 Jahren gestorben. Keiner hat wie er die empirisch-kritisch orientierte Rechtssoziologie im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in Deutschland und darüber hinaus geprägt. Aus der Freiburger Popitz-Schule kommend, hatte er sich schon bis 1974 einen doppelten Ausweis als Rechtssoziologe erarbeitet. Der erste war die zusammen mit Johannes Feest durch teilnehmende Beobachtung belegte Studie zur »Definitionsmacht der Polizei«[1], die längst zum Kanon des Faches gehört. Zu ihrer Zeit war diese Arbeit bahnbrechend, weil sie zeigte, was Kriminalsoziologie zu leisten im Stande ist. Heute ist sie immer noch nicht überholt, weil sie zeigt, wie soziale Praxis funktioniert. Kritische Soziologie auf empirischer Grundlage stand auf diesem Ausweis. Auf dem anderen Ausweis stand: Er kann auch technologisch, nämlich Organisationsberatung und Justizforschung. Beleg dafür war die Tätigkeit im Quickborner Team und die im Auftrag der Bundesrechtsanwaltskammer bei der Prognos AG erstellte »Tatsachen zur Reform der Zivilgerichtsbarkeit«[2]. Das später vom Bundesministerium aufgelegte Forschungsprogramm »Strukturanalyse der Rechtspflege«[3] war ohne Blankenburg nicht denkbar. Diese zwei Ausweise oder Wurzeln wurden zur Basis für ein weitgespanntes wissenschaftliches Werk, das nachhaltig wirksam ist.
Im (damals) recht jungen Alter von 22 Jahren war Blankenburg für zwei Jahre in den USA als Graduate Student und Forschungsassistent am Department of Sociology der University of Oregon. Das verhalf ihm zu der beneidenswerten Eleganz, mit der er sich später auf dem internationalen Wissenschaftsparkett bewegte. Den deutschen Universitäten gereicht es nicht zur Ehre, dass sie Blankenburg 1980 an die Vrije Universiteit Amsterdam ziehen ließen. Seine Produktivität und weltweite Anerkennung hat dadurch eher noch gewonnen. Bereits zum 60. Geburtstag 1998 wurde ihm eine Festschrift gewidmet, die sich durch einen ungewöhnlich großen Kreis von prominenten Autoren und bis heute interessanten Themen auszeichnet.[4]
Für den Koetanen aus der Jurisprudenz war Erhard Blankenburg stets der uneinholbare »echte« Rechtssoziologe.
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[1] Johannes Feest/Erhard Blankenburg/, Die Definitionsmacht der Polizei. Strategien der Strafverfolgung und soziale Selektion, Bertelsmann Univ.-Verlag, Düsseldorf 1972
[2] Tatsachen zur Reform der Zivilgerichtsbarkeit, 2 Bde., Tübingen 1974, hg. von der Bundesrechtsanwaltskammer (Bd.I: Erhard Blankenburg, Hellmut Morasch, Heimfried Wolff unter Mitarbeit von Dieter Grimm und Vladimir Suna, Prognos AG, Basel; Bd. II, 1. Teil: dies., Strukturanalyse der Zivilgerichtsbarkeit, 2. Teil: Wolfgang Blomeyer, Dieter Leipold, Analyse der Rechtstatsachen und Konsequenzen fur die Reform der Zivilgerichtsbarkeit.
[3] Vgl. Johannes Stock/Heimfrid Wolff/Petra-Ida Thünte/Kornelia Konrad, Strukturanalyse der Rechtspflege, Bilanz eines Forschungsprogramms des Bundesministeriums der Justiz, Köln 1996.
[4] Jürgen Brand/Dieter Strempel (Hg.), Soziologie des Rechts. Festschrift für Erhard Blankenburg zum 60. Geburtstag, Nomos, Baden-Baden 1998.