Von der Rechtsästhetik über Selbsterkenntnis zum ästhetischen Juridismus

Die kleine Konjunktur der Rechtsästhetik[1] hat durch das schöne Buch von Daniel Damler[2] Schub erhalten. Die Allgemeine Rechtslehre wird künftig nicht mehr ohne einen Paragraphen über Recht und Ästhetik auskommen. Bei der Vorbereitung des Textes waren reiche Lesefrüchte zu ernten. So war zu lernen, dass Ästhetik viel mit Reflexion, Selbstreflexion und Perspektivenwechsel zu tun hat. Darüber habe ich eine ganz neue Perspektive gewonnen: Ich bin absurd. Zu dieser Einsicht hat mir Andreas Reckwitz verholfen. Einen Aufsatz über »Die Erfindung der Kreativität«[3] beginnt er mit den Sätzen:

»Wenn es einen Wunsch gibt, der innerhalb der Gegenwartskultur die Grenzen des Verstehbaren sprengt, dann wäre es der, nicht kreativ sein zu wollen. Dies gilt für Individuen wie für Institutionen gleichermaßen. Nicht kreativ sein zu können, ist eine problematische, aber zu heilende und mit geduldigem Training zu überwindende Schwäche. Aber nicht kreativ sein zu wollen, erscheint als ein absurder Wunsch, so wie es zu anderen Zeiten die Absicht, nicht moralisch oder nicht autonom sein zu wollen, gewesen sein mag.«

Mich drängt überhaupt nichts zur Kreativität. Im Gegenteil, die Welt ist mir bunt genug, und mir kommt es darauf an, sie möglichst ordentlich in Schubladen zu verpacken. Ich freue mich an der Kreativität anderer und hüte mich, meine Umgebung durch eigene Ausbrüche von Kreativität zu molestieren. Also bin ich absurd.

Reckwitz nimmt eine Diskussionslinie auf, die mit der Schelte der Kulturindustrie durch Adorno und Horkheimer begonnen hatte. Daraus wuchs im Laufe der Zeit die kapitalismuskritische Diagnose einer Ästhetisierung der Gesellschaft. Sie besagt etwa, dass die Ökonomie die Ästhetik als Wachstumsbringer nutzt und sich ihrer zugleich bedient, um ihren schnöden Materialismus zu camouflieren. Diese Kritik gipfelt in der Rede von einem ästhetischen Kapitalismus[4].

Wenn die Ästhetisierung der Gesellschaft ein Sekundärphänomen des Kapitalismus ist, bedeutet das wohl, dass die seit Kant viel beschworene Autonomie der Ästhetik und mit ihr der Kunst untergeht. Reckwitz hat anscheinend einen Rettungsring parat. Er erfindet einen Kreativitätsimperativ, der vor aller Ökonomie am Werk ist. Bei weiterer Lektüre wird dieser Imperativ aber von einem »Kreativitätsdispositiv« eingefangen, das ihn letztlich doch in den Dienst der Ökonomie und damit des Kapitalismus stellt.

Dagegen hat Joachim Fischer kürzlich eine neue Postmaterialismusthese gestellt. Er knüpft bei Werner Sombart an, von dem er sagt, dieser habe »in seiner Kapitalismusanalyse von ›Luxus, Liebe und Kapitalismus‹ (1922) die Kausalrelationen umgekehrt: Das sich erstmals zu Beginn der Moderne entdeckende ästhetische Begehren hetzt die kapitalistische Ökonomie vor sich her, immer neue Ausdrucksformen zu produzieren.« Wolle man »das Phänomen der ›Ästhetisierung der Gesellschaft‹ wirklich ernst nehmen«, dann sei zu fragen:

»Ist nicht das Ästhetische das eigentliche Existential der Subjekte und der Sozietäten der Gegenwart? Noch vor dem Rechtlichen, vor dem Politischen, vor dem Wissenschaftlichen, vor dem Erzieherischen, vor dem Moralischen, vor dem Ökonomischen?«.

Auf diese Frage hat die Soziologie sich bisher nicht ernsthaft eingelassen, und ich kann sie nicht beantworten.

Indessen will ich das Verdikt der Absurdität nicht auf mir sitzen lassen. In einem Anfall verzweifelter Kreativität rufe ich den ästhetischen Juridismus aus.

Schon immer hielten Juristen etwas auf die Eleganz oder gar Ästhetik ihres Tuns.[5] Es ist an der Zeit, die zaghaften Bekenntnisse zu einem ästhetischen Imperativ zu konsolidieren. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte offenbar die Rechtsästhetikdiskussion noch nicht zur Kenntnis genommen, als es ein Urteil des Arbeitsgerichts Detmold, das in Reimen gefasst war, als unsachlich und unangemessen verwarf.[6] Dabei darf es nicht bleiben. Staatsanwälte sollten künftig ihre Anklagen als Rap vortragen, Richter ihre Urteile und Beschlüsse als Rezitativ darbieten. Die tristen Roben von Richtern und Anwälten könnten, je nach Herkunft der Prozessbeteiligten, mit folkloristischen Elementen geschmückt werden. Für das Loveparade-Verfahren passte Techno-Rock als Hintergrundmusik. Rechtsbücher, soweit es solche noch gibt, könnten ein Glitzerdesign erhalten, so wie es Daniel Damler mit seiner Rechtsästhetik vorgemacht hat. Viel Spielraum bietet die Gestaltung von Gerichtsgebäuden. In diesem Sinne hat man in Bochum das funkelnagelneue Landgericht hinter eine über 100 Jahre alte Fassade gesetzt. Der aus Funk und Fernsehen bekannte Bochumer Geruchsforscher Hanns Hatt kann sicher Vorschläge machen, wie man Gerichtsgebäude und Gefängnisse adäquat beduftet.

Ästhetischer Juridismus bietet der Kreativität ein weites Feld. Als Legal Design wird dieses Feld zum Thema von Rechtswissenschaft und Juristenausbildung werden.

Bisher versteht man unter Legal Design in erster Linie die zweckmäßige Gestaltung von einzelnen Rechtsnormen und ganzen Institutionen, zweckmäßig in dem Sinne, dass der Inhalt der Rechtsnormen für die Adressaten leicht erkennbar ist, dass ihr Verhalten unter Berücksichtigung zu erwartender Widerstände in die vom Gesetzgeber gewünschte Richtung gelenkt wird und dass die Institutionen ihre Wirkung tun.[7] Der Begriff Legal Design ist aber auch von Designern okkupiert worden, um ihre Tätigkeit für die Visualisierung von juristischem Material zu benennen. In den USA liegt der Schwerpunkt auf Visualisierung von Material für den forensischen Gebrauch. Ferner wird dort unter diesem Stichwort die Gestaltung von Internetseiten für Anwaltsbüros angeboten. In der Schweiz[8] und in Deutschland[9] geht es eher um die Visualisierung von Rechtsnormen, sei es für das Publikum, sei es für den Rechtsunterricht. Unter dem Kreativitätsimperativ des ästhetischen Juridismus deckt der Begriff des Legal Design künftig alle ästhetischen Praktiken juristischer Kommunikation.

Wer oder was ist hier absurd?

Nachtrag vom 25. Juli 2018:

Im Oktober 2017 gab es im Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI) eine Konferenz »Von der Künstlerkritik zur Kritik an der Kreativität«. Subjektivierungen in Forschung und Praxis«, die wie folgt angekündigt wurde:

Begriff und Wort Kreativität« wurden nach dem zweiten Weltkrieg aus den USA in den deutschsprachigen Raum importiert, zunächst im Zuge der Systemkonkurrenz des Kalten Krieges über »creativity« und das von Joy P. Guilford angestoßene »creativity movement«. Diese Bewegung war von Anfang an heterogen, Psychometriker wie Guilford wurden von VertreterInnen der humanistischen Psychologie (z.B. Carl Rogers, Frank Barron) wie auch der Psychoanalyse (z. B. Donald Winnicot) flankiert. In Europa wurde die Idee, dass Kreativität unbedingt zu fördern sei, in den 1960er und 1970er Jahren auch von VertreterInnen der Künstlerkritik wie Raoul Vaneigem oder Joseph Beuys aufgegriffen. Dies nährte später die Vorstellung von der Herausbildung eines »neuen Geistes des Kapitalismus« (Boltanski/Chiapello) bzw. eines »ästhetischen Kapitalismus« (Reckwitz) unter Einfluss des künstlerischen Feldes.

In seinem [Eröffnungs-]Vortrag [über »Die Rhetorik der Kreativität«] widmet sich der Kunstsoziologe Ulf Wuggenig (Leuphana-Universität Lüneburg) dem zweiten Hype der Kreativität, als dessen politischer Ausgangspunkt und Motor die neoliberal gewendete britische New Labour Party anzusehen ist. Sie verklärten die Kreativarbeiter zu sogenannten New Independant, die Vorbild für andere, weniger Kreative sein sollten. Kreativität wurde nun unter instrumentalen Gesichtspunkten betrachtet, als Investition beziehungsweise Bedingung für Innovation und Wirtschaftswachstum. Der Import von Ideen und Konzepten aus dem angelsächsischen in den deutschsprachigen Raum war dabei mit durchaus bemerkenswerter nationaler Diversität zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz verbunden.

Dazu passt der schon etwas ältere Sammelband Gerald Raunig/Gene Ray (hg.), Critique of Creativity. Precarity, Subjectivity and Resistance in the ‘Creative Industries’, London 2011. Einige Beiträge stammen aus Gerald Raunig (Hg.), Kritik der Kreativität, 2007.

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[1] Fußnote 1 zum Eintrag vom 15. Januar 2017.

[2] Daniel Damler, Rechtsästhetik. Sinnliche Analogien im juristischen Denken, 2016. Rezensionen: Ino Augsberg, JZ 2017, 416f; Andreas Fischer-Lescano, Der Staat 25, 2017, 133-138.

[3] Andreas Reckwitz, Die Erfindung der Kreativität, Kulturpolitische Mitteilungen 141, II/2013, 23-34. Vgl. auch Andreas Reckwitz, Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung, 2012.

[4] Reckwitz 2013 S. 23; Gernot Böhme, Ästhetischer Kapitalismus, 2016.

[5] Z. B. Karl N. Llewellyn, On the Good, the True, the Beautiful, in Law, The University of Chicago Law Review 9, 1942, 224-265; Cosima Möller, Die juristische Konstruktion im Werk Rudolf von Jherings – vom universellen Rechtsalphabet bis zur juristischen Schönheit, JZ 72, 2017, 770-777; Pierre J. Schlag, The Aesthetics of American Law, Harvard Law Review 115, 2002, 1047-1118; Heinrich Triepel, Vom Stil des Rechts. Beiträge zu einer Ästhetik des Rechts (1947) mit einer Einleitung von Andreas von Arnauld und Wolfgang Durner (S. I-XLII), 2007; Cornelia Vismann, Das Schöne am Recht, 2012.

[6] LAG Hamm Urteil vom 21. Februar 2008 Az. 8 Sa 1736/07.

[7] Alexandra Kemmerer/Christoph Möllers/Maximilian Steinbeis/Gerhard Wagner (Hg.), Choice Architecture in Democracies. Exploring the Legitimacy of Nudging, 2016.

[8] Colette R. Brunschwig, Visualisierung von Rechtsnormen. Legal Design, 2001.

[9] Klaus F. Röhl/Stefan Ulbrich, Recht anschaulich. Visualisierung der Juristenausbildung, 2007.

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Libertäre Begriffsklauberei zu Nudge und Co: Legal Design, Choice Architecture, Cloverleaf Effect

Das Nudging-Konzept von Thaler und Sunstein ist so erfolgreich, dass nicht einmal mehr eine Quellenangabe notwendig erscheint. Mich reizt es nur noch zu einer Begriffsklauberei.[1]

Im deutschen Sprachraum läuft das Konzept unter dem Titel »Libertärer Paternalismus«. Dabei handelt es sich wohl nur um eine Übernahme der Ausdrucksweise von Thaler und Sunstein[2], die sich für diese Wortwahl in »Nudge« grob auf Milton Friedman beziehen.[3] Allerdings haben sie schon 2003 ihre Form des Paternalismus als libertär verteidigt[4] und sich dabei auf ein Buch von David Boaz[5] bezogen. Ich habe dieses Buch durchgeblättert, soweit es Google Books zuließ, und bin aus dem Unterschied zwischen liberal und libertär nicht wirklich schlau geworden. Klar ist nur, dass bei Libertären die Distanz zum Staat größer ist als bei Liberalen.[6]

Choice architecture ist wohl eine eigene Begriffsschöpfung von Thaler und Sunstein.[7] Sie verstehen darunter die Gestaltung des Kontextes, in dem Menschen Entscheidungen treffen.[8] Ein nudge ist nur eines unter vielen Bauelementen, die dem Entscheidungsarchitekten zur Verfügung stehen.

Vorläufer von choice architecture waren information architecture und decision architecture. Information architecture ist seit Mitte der 1970er Jahre in der Informatik geläufig.[9] Eine Firma Decision Architects wirbt seit 2006 mit ihrem Namen. Ein Vorgänger war auch Bryan D. Jones mit dem Titel »Politics and the Architecture of Choice« von 2001. Freilich verwendet Jones architecture nicht im Hinblick auf die Gestaltung der für den Entscheider externen Situation, sondern für die interne kognitive Struktur (human cognitive architecture), welche die bounded rationality ausmacht, beschreibt dann aber, wie durch Gestaltung des Vorfelds der Entscheidung deren Rationalität verbessert werden kann. Erst bei Thaler und Sunstein wird architecture zu der gestaltbaren Umgebung des in seiner Rationalität begrenzten Individuums. Die deutsche Übersetzung mit Entscheidungsarchitektur ist nicht voll befriedigend, denn sie lässt nicht erkennen, ob hier über Architektur entschieden wird oder ob ein Architekt Entscheidungen gestaltet.

Die entscheidungslenkende Gestaltung kann zwei Richtungen annehmen. Erstens kann sie versuchen, die Entscheidung so zu lenken, dass moglichst viele der Heuristiken, kognitiven Täuschungen und Prägungen, die eine rationale Entscheidung verhindern, nicht zum Zuge kommen. Und zweitens kann sie genau diese Fesseln der Rationalität nutzen, um Menschen zu einer vollends irrationalen Entscheidung zu drängen. In diesem zweiten Sinne sind Konzept und Begriff der choice architecture von Ökonomie, Marketing und Industrie gierig aufgegriffen worden, so dass man darunter heute in erster Linie die Lenkung des Konsumentenverhaltens im Sinne der Anbieter versteht. Deshalb steht das Konzept unter besonderem Manipulationsverdacht.

Bei Thaler und Sunstein benennt choice architecture das theoretisches Konzept und ist damit eher noch wichtiger als nudge, bezeichnet letzteres doch nur dessen in den Augen der Autoren freilich wichtigste Konkretisierung. In Juristenkreisen ist die Rede über choice architecture erst durch Einträge im Verfassungsblog und den daran anschließenden Tagungsband[10] geläufig geworden. Kein Wunder, dass die Nudge-Debatte fast nur als Paternalismus-Debatte unter dem Gesichtspunkt des Ob geführt wird, obwohl choice architecture im Recht der Sache nach seit eh und je stattfindet. Jede Formvorschrift, jede Frist, jede Belehrung, jedes Formular, das es auszufüllen gilt, wird zum Kontext einer Entscheidung. Interessanter scheint mir jetzt eine Debatte um das Wie zu sein, die im Rahmen von Gesetzgebungslehre und Rechtswirkungsforschung die bereits verwirklichten[11] und weiter denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten für eine nicht unmittelbar imperative Steuerung durch Recht aufzeigt, welche zugleich auf direkte materielle Anreize verzichtet.

Choice architecture als Begriff lässt noch keine Beziehung zum Recht erkennen. Hier kommt nun legal design als neuer Ausdruck ins Spiel. Der Begriff ist eigentlich besetzt mit der Bedeutung als legal information design.[12] Aber nicht bloß Information[13] als solche, sondern ihre adressatengerechte Gestaltung = information design ist wesentlicher Bestandteil jeder Entscheidungsarchitektur. Daher wäre der frühere Gebrauch kein Hindernis, dem Ausdruck nunmehr den umfassenderen Sinn von choice architecture zu geben.

In diesem Zusammenhang sind mir zwei weitere Begriffe aufgefallen, die ich jedenfalls erwähnen will, cloverleaf design und gamification[14] In beiden Fällen geht es nicht abstrakt um das Konzept der Kontextgestaltung, sondern um architektonische Stilmittel zu seiner Ausfüllung, um Stücke aus dem Werkzeugkasten der Entscheidungsarchitektur. Ich behaupte nicht, dass die beiden Ausdrücke in der Nudge-Debatte gebraucht werden sollten. Aber ich will sie jedenfalls vorstellen, weil sie insofern einen Kontrast zum Ausdruck bringen, als das eine Werkzeug die Kosten erwünschten Verhaltens erhöht, während das andere das erwünschte Verhalten versüsst.

Auf den Kleeblatt-Effekt (cloverleaf effect) bin ich bei der Lektüre von Lawrence M. Friedmans »Impact« gestoßen.[15] Friedman gibt dem Begriff Gewicht, indem er ihn auf Karl Llewellyn zurückführt, nennt freilich nur Marc Galanter als nicht weniger gewichtige Quelle vom Hörensagen. Hier die komplette Beschreibung durch Friedman:

»A cloverleaf, then, is a device that forces behavior into a certain, desirable groove. You could, theoretically, make drivers slow down when they leave the highway by imposing fines, or even (theoretically) by handing out free candy and cookies to drivers. You could mount an educational campaign. The cloverleaf takes a different tack: it more or less compels the driver to obey. The cloverleaf, in short, makes compliance easier than noncompliance. A fairly reckless but skillful driver can, of course, ignore the cloverleaf and zoom at full speed off the highway, but this is quite dangerous. Most drivers will react to the cloverleaf as expected; that is, by slowing down.« (S. 147)

Das Kleeblatt dient als Metapher für Gestaltungen, die erwünschtes Verhalten erzwingen oder unerwünschtes jedenfalls stark erschweren. Friedman meint, das Recht sei voll von solchen Arrangements, und nennt als Beispiel den Lohnsteuerabzug vom Arbeitslohn. Andere Beispiele, an die man denken könnte, wären die Verschreibungspflicht für Arzneimittel oder der für einen Schwangerschaftsabbruch notwendige Beratungsschein.

Gamification ist auch im Englischen ein Neologismus. Dafür gibt es keine ansprechende Eindeutschung, aber immerhin einen Wikipedia-Artikel. Gamifikation klingt nicht besser als Verspielung. Gemeint ist die Anwendung spielerischer Elemente, um auf ein erwünschtes Verhalten hinzuführen. Beispiele aus dem Rechtsbereich habe ich nicht gefunden.

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[1] Anlass zu diesem Eintrag gibt mir ein Vortrag, den Johanna Wolff am 25. 1. im Bochumer Habilitandenforum über »Nudging und die Energiewende« gehalten hat. Für mich war der Vortrag wichtig, weil er mir die Augen dafür geöffnet hat, dass die Verwaltung viele Möglichkeiten hat, auch ohne gesetzliche Grundlage von den Möglichkeiten der entscheidungssteuernden Kontextgestaltung Gebrauch zu machen.

Nachtrag: Von Wolff jetzt die Habilitationsschrift: Anreize im Recht. Ein Beitrag zur Systembildung und Dogmatik im Öffentlichen Recht und darüber hinaus, 2020.

[2] Diskussionshinweis von Karl Riesenhuber.

[3] Richard H. Thaler/Cass R. Sunstein. Nudge, Improving Decisions About Health, Wealth and Happiness, 2009, dort S. 5 bei Fn. 2. Im Text wird Milton Friedman genannt. Verwiesen wird auf ein Buch von Milton Friedman und Rose Friedman (Free to Choose, 1980). Die Suche nach libertarian und paternalism in Google Books ergibt nur für paternalism zwei Treffer. Im Index kommt libertarian nicht vor. Für paternalism werden im Index vier weitere Fundstellen angezeigt. Die zugehörigen Seiten sind bei Google Boks aber nicht sichtbar.

[4] Cass R. Sunstein/Richard H. Thaler, Libertarian Paternalism Is Not an Oxymoron, The University of Chicago Law Review 70, 2003, 1159-1202.

[5] David Boaz, Libertarianism, A Primer, New York 1998.

[6] Robert Nef erklärt den Unterschied so: »Libertäre und Liberale, oder ›Wirtschaftsliberale‹ und ›Sozialliberale‹ unterscheiden sich punkto Staatsskepsis und Staatsakzeptanz auf jeden Fall graduell, möglicherweise aber auch prinzipiell. Sie finden ihren Zusammenhalt nur in der gemeinsamen Ablehnung des Anarchismus einerseits und des totalitären Etatismus anderseits.« (Und alle wollen Liberale sein, Schweizer Monatshefte Nr. 3/4, 2006, S. 7).

[7] Der Index von Nudge verzeichnet 30 Verwendungen. Vgl. ferner das SSRN-Paper von Richard H. Thaler/Cass R. Sunstein/John P. Balz, Choice Architecture, 2010. Als Vorläufer gab es noch ein SSRN-Paper von 2007: Shlomo Benartzi/Ehud Peleg/Richard H. Thaler, Choice Architecture and Retirement Saving Plans, 2007.

[8] Nudge S. 3.

[9] Vgl. etwa Louis Rosenfeld/Peter Morville, Information Architecture for the World Wide Web, 2. Aufl., Cambridge, Mass 2002.

[10] Alexandra Kemmerer/Christoph Möllers/Maximilian Steinbeis/Gerhard Wagner (Hg.), Choice Architecture in Democracies, Exploring the Legitimacy of Nudging, 2016.

[11] Johanna Wolff interpretiert das Erfordernis der Partnermonate für den längeren Bezug von Elterngeld wegen des finanziellen als eine nugde-ähnliche (hybride) Methode der Verhaltenslenkung (›Partner Months‹ and the Fundamental Rights of Parents – Considerations on the Legitimacy of Nudges and ›Nudgy Legislation‹, in: Alexandra Kemmerer u. a. (Hg.), Choice Architecture in Democracies, Exploring the Legitimacy of Nudging, 2016, 225-265.

[12] Colette R. Brunschwig, Visualisierung von Rechtsnormen. Legal Design, 2001; vgl. ferner mehrere Einträge im Blogbuch »Recht anschaulich«.

[13] In dem vorgenannten Tagungsband befasst sich Oren Bar-Gill mit »Information and Paternalism« (S. 267-269) und bedenkt die Information von Verbrauchern durch Offenlegungs- und Aufklärungspflichten als zulässige und wirksames nudging. Er verliert jedoch kein Wort darüber, dass die sanfte Verhaltenslenkung mit Informationen durch harte Gebote an Dritte erzielt wird, die ihrerseits der Rechtfertigung bedürfen.

[14] Den Hinweis auf diesen Begriff verdanke ich Johanna Wolff.

[15] Lawrence M. Friedman, Impact. How Law Affects Behavior, Cambridge, Massachusetts 2016, S. 147ff.

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