Nebenkostensense statt Mietpreisbremse

Bevor ich die Reihe zur neuen Flut der Handbücher fortsetze, aus Anlass der bevorstehenden Bundestagswahl etwas Rechtspolitisches.

Die hohen Kosten einer Mietwohnung sind eines der großen sozialen Probleme, mit denen die Politik aktuell zu kämpfen hat. Das Rezept der noch amtierenden Regierung ist die Mietpreisbremse, ein Eingriff in das Marktgeschehen, der vermutlich auf längere Sicht eher kontraproduktiv wirkt. Produktiv dagegen wäre eine Verlagerung der Nebenkosten auf die Vermieter = Grundstückseigentümer. Den Anfang sollte die Politik damit machen, die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Mieten zu streichen. Am Ende sollten nur noch verbrauchsabhängige Kosten umlagefähig sein.

Rechtsgrundlage für die Berechnung der Mietnebenkosten ist § 556 Abs. 1 BGB. Nach Satz 1 dieser Vorschrift »können« die Vertragsparteien vereinbaren, dass der Mieter die Betriebskosten trägt, und das geschieht praktisch immer. Nach § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Betriebskosten »die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch einen bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen.« Satz 3 bestimmt sodann: »Für die Aufstellung der Betriebskosten gilt die Betriebskostenverordnung«. Die Verordnung bietet in ihrem § 2 eine abenteuerliche Liste von 16 Positionen und unter Nr. 17 noch eine Auffangklausel für »sonstige Kosten«, die etwa dazu genutzt wird, dem Mieter die Dachrinnenreinigung in Rechnung zu stellen.

Bei den folgenden Überlegungen gilt es, das Normalbild eines Mietvertrages nach § 535 BGB im Auge zu behalten. Dazu gehört, dass der Vermieter die laufenden Kosten und Lasten der Mietsache trägt.[1] Dieses Normalbild ist nach Leitlinie für die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB spricht insoweit von »der Natur des Vertrags«. Bei den Betriebskosten geht es nicht um die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, aber immerhin um Rechtsverordnung, die regelmäßig über Allgemeine Geschäftsbedingugen zum Vertragsinhalt wird.

An erster Stelle des Betriebskostenkatalogs stehen »laufenden öffentlichen Lasten des Grundstücks, … namentlich die Grundsteuer« (§ 2 Nr. 1 BetrKV). Da fragt man sich, was diese Lasten mit dem Gebrauch des Grundstücks zu tun haben. Sie fallen unabhängig davon an, ob das Grundstück genutzt wird oder nicht. Die Grundsteuer wurde kürzlich in der Presse als »kleine Vermögenssteuer« bezeichnet. Sollen also die Mieter Vermögenssteuer für die Grundeigentümer zahlen?

Mit den Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung, die nach § 2 Nr. 13 BetrKV umlagefähig sind, liegt es ähnlich. Auch wenn Haus oder Wohnung leer stehen, wird ein vernünftiger Eigentümer sie versichern. Die Haftpflichtversicherung kann so abgeschlossen werden, dass sie auch die Mieter schützt. Aber das ist überflüssig, denn die meisten Mieter haben eine Privathaftpflichtversicherung.

Es steht außer Frage, dass der Vermieter die Möglichkeit haben muss, die verbrauchsabhängigen Kosten umzulegen. Für die Heizungskosten ist das sogar vorgeschrieben. Aber bei vielen anderen Positionen im Katalog des § 2 BetrKV ist rätselhaft, was die mit dem »bestimmungsgemäßen Gebrauch« des Hausgrundstücks zu tun haben. Man hat vielmehr den Eindruck, dass schlicht alle laufenden Kosten des Grundeigentums dem Mieter angelastet werden.

Die Kosten der Straßenreinigung (§ 2 Nr. 8 BetrKV) fallen unabhängig vom Gebrauch des Grundstücks an. Nach § 2 Nr. 3 trägt der Mieter die Kosten der Entwässerung. Die Abführung des Regenwassers bleibt notwendig, auch wenn das Grundstücks nicht vermietet ist. Anders nur das Brauchwasser. Dessen Beseitigung wird in der Regel durch eine Gebühr nach Maßgabe des verbrauchten Frischwassers beglichen. Nur dieser Anteil der Entwässerungskosten sollte auf den Mieter entfallen. Warum soll der Mieter auch die Kosten einer Entwässerungspumpe tragen? Wenn der Eigentümer in einer Weise baut, dass das Abwasser nicht durch natürliches Gefälle abfließt, dann mag er dafür zahlen, dass das Gebäude erst durch eine Hebeanlage überhaupt nutzbar wird. Nur so werden die Mieten, wie sie in einen Mietspiegel eingehen, vergleichbar.

Auch hinsichtlich anderer Positionen des Betriebskostenkatalogs wundert sich der Laie und staunt der nachdenkliche Fachmann, warum der Mieter sie tragen soll. Das gilt zum Beispiel hinsichtlich der Kosten der Immissionsschutzmessungen und Eichungen der Heizungsanlage. Zu den »wesentlichen Pflichten, die sich aus der »Natur des [Miet-]Vertrages ergeben« (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gehört eine funktionierende Heizung, und es sollte selbstverständlich sein, dass die den behördlichen Vorschriften entspricht. Da fehlt nur noch, dass der Mieter auch die Kosten einer behördlichen Bauabnahme trägt.[2] Ähnliches gilt für die »Kosten des Betriebs eines Personen- oder Lastenaufzugs« (§ 2 Nr. 7 BetrKV). Man mietet eine Wohnung mit funktionierendem Aufzug; da wäre die »Überwachung und Pflege der Anlage, die regelmäßige Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft« (§ 2 Nr. 7 BetrKV) Sache des Vermieters. So könnte man fortfahren, etwa mit der Frage, warum Mieter für die Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen« im Garten (§ 2 Nr. 10 BetrKV) zahlen sollen. Jeder einzelne Katalogposten müsste daraufhin überprüft werden, ob er nach der »Natur des Vertrags« umlagefähig sein soll. »Natur des Vertrags« wäre dabei die Überlassung einer dauerhaft nutzbaren Mietwohnung gegen Entgelt. Die Überprüfung wäre Aufgabe der Rechtspolitik, und man wundert sich, warum die Mieterlobby insoweit nicht längst aktiv geworden ist.

In der aktuellen politischen Situation, in der die amtierende Regierung noch vor dem Wahltermin mit dem Vorhaben einer Mietpreisbremse punkten möchte, geht es zunächst nur darum, was Parteien, die die Mietpreisbremse für kontraproduktiv halten, ihr entgegensetzen könnten. Denn darüber sollte kein Zweifel bestehen: die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist so prekär, dass jede Partei bekennen muss, wie sie Abhilfe schaffen will. Da wäre ein erster Schritt die Ankündigung: Nach der Wahl werden wir die Umlagefähigkeit der Grundsteuer abschaffen und dann schrittweise eine weitere Bereinigung des Betriebskostenkatalogs in Angriff nehmen, ohne dass diese Maßnahmen unmittelbar zu Mieterhöhungen führen dürfen. Dieses Vorgehen wäre legitim, denn die Grundeigentümer sind, anders als die Mieter, die Gewinner des Inflationsschubs der letzten Jahre. Darüber hinaus wäre jede Kürzung des Katalogs und damit jede Vereinfachung der Nebenkostenabrechnung höchst erwünscht, steckt doch in der Abrechnung viel Bürokratie und noch mehr Konfliktpotential. Dass sich auf Dauer eine Verlagerung der nicht gebrauchsabhängigen Nebenkosten auf die Vermieter in den Mieten niederschlagen wird, ist klar. Immerhin gibt es für die Vermieter einen Sparanreiz, wenn sie »Betriebskosten« (die keine sind), nicht einfach umlegen können. Damit wäre dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz, auf den § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB den Vermieter entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht nur bei der Abrechnung, sondern schon bei der Verursachung der Betriebskosten verpflichtet[3], besser gedient.

Eine Kürzung des Umlagenkatalogs der BetrKV wäre rechtstechnisch relativ einfach zu bewerkstelligen, handelt es sich doch um eine Rechtsverordnung, die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats geändert werden kann. Für Juristen interessant wird dann immerhin das Verhältnis von § 556 Abs. 1 BGB zur Betriebskostenverordnung; rechtstechnisch formuliert, Art und Umfang der Verordnungsermächtigung. Wie, wenn ein Grundeigentümer nach Streichung der Grundsteuer aus dem Betriebskostenkatalog auf den Gedanken käme, dass doch das Gesetz Vorrang vor der Verordnung habe mit der Folge, dass die Grundsteuer unmittelbar aus § 556 Abs. 1 BGB umlagefähig sei? Insoweit ist man sich einig, dass der Katalog der BetrKV abschließend ist, das heißt, dass darüber hinaus keine umlagefähigen Kosten aus § 556 Abs. 1 BGB hergeleitet werden können.[4] Ein Mieter könnte aber umgekehrt die Idee fassen und klagen, weil die Grundsteuer nicht von dem »bestimmungsgemäßen Gebrauch« des Grundstücks abhängig ist. Damit hätte er aktuell keinen Erfolg, denn § 556 Abs. 1 Satz verweist für die »Aufstellung der Betriebskosten« auf die ältere BetrKV,  und hat damit indirekt die Umlagefähigkeit der Grundsteuer akzeptiert. Doch dabei muss es nicht bleiben.

Sieht man nur auf den unbestimmten Rechtsbegriff, mit dem das Gesetz die Betriebskosten definiert, nämlich die bei einem bestimmungsmäßigen Gebrauch des Grundstücks laufend anfallenden Kosten, so fällt es schwer, darunter auch die Grundsteuer zu subsumieren. Der »Gebrauch« des Grundstücks spielt im gängigen Verständnis der Vorschrift nur insofern eine Rolle, als die durch bestimmungswidrigen Gebrauch des Gebäudes entstehenden Kosten nicht zu den Betriebskosten gerechnet werden. Beispiele sind schwer zu finden. Die Folge ist, dass praktisch alle laufenden Kosten zu den umlagefähigen Nebenkosten gezählt werden. Dem unbefangenen Leser des § 556 Abs. 1 BGB erscheint es dagegen so, dass die laufenden Kosten etwas mit dem Gebrauch des Gebäudes zu tun haben müssen, damit sie umlagefähig sind. Eben deshalb heißen sie Betriebskosten. Und so erscheint es ziemlich klar, dass die Grundsteuer, lässt man die historische Entwicklung außer Acht, jedenfalls nach der Definition des § 556 Abs. 1 BGB, nicht zu den Betriebskosten gehört. Auch hinsichtlich vieler anderer Positionen des Betriebskostenkatalogs lässt sich bei diesem Wortlautverständnis streiten, ob sie von § 556 Abs. 1 BGB gedeckt sind.

Wenn der Wortlaut des Gesetzes keine Klarheit bringt, muss man nach dem Zweck des Gesetzes fragen. § 556 Abs. 1 wurde durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. 9. 2006 in das BGB eingefügt, als seinerzeit in Folge einer Änderung des Grundgesetzes die Gesetzgebungskompetenz für die Förderung sozialen Wohnraums auf die Länder überging. Damit sollte inhaltlich die bestehende Regelung fortgeschrieben werden, wie sie in der BetrKV vom 25. 11. 2003 festgehalten war. Diese Verordnung war auf Grund einer Ermächtigung im alten Wohnraumförderungsgesetz erlassen worden, hatte aber wiederum Vorgänger, die bis auf das Reichsmietengesetz von 1922 zurückgeführt werden können.[5] Die Begründung zur Betriebskostenverordnung von 2003[6] ist unergiebig. Mangels einschlägiger Gesetzesmaterialien muss der Interpret sich selbst überlegen, was Sinn und Zweck des Gesetzes sein soll.

Der Grundgedanke für die Überwälzung der Betriebskosten auf die Mieter war wohl der, dass im Hinblick auf die fest vereinbarte Miete der Vermieter von dem Risiko der Kostensteigerung entlastet werden sollte. Dieser Gedanke war von vornherein fragwürdig angesichts des Umstands, dass – von den reinen Verbrauchskosten abgesehen – der Vermieter viel eher in der Lage ist als der Mieter, auf die Höhe der laufenden Kosten Einfluss zu nehmen. Heute ist er obsolet, weil der Gesetzgeber in §§ 558 ff BGB die Möglichkeit eröffnet hat, langfristig die Miete zu erhöhen. Wortlaut und Zweck des Gesetzes passen daher gut zusammen, wenn man § 556 dahin auslegt, dass umlagefähig nur solche Kosten sein sollen, die mit dem Gebrauch der Mietsache in Verbindung stehen,

Damit eröffnet sich sekundär die Frage, ob die »Aufstellung« des Verordnungsgebers als verbindliche Auslegung zu gelten hat, soweit sie nicht geradezu willkürlich ist. Willkürlich ist sie selbst hinsichtlich der Grundsteuern wohl schon deshalb nicht, weil diese seit beinahe unvordenklicher Zeit[7] zu den umlagefähigen Nebenkosten gehört. Aber Tradition sollte hier kein Argument sein. Wenn tatsächlich die »Aufstellung« der BetrKV verbindlich wäre – das ist eine interessante Frage, auf die auch Juristen keine klare Antwort haben – , dann hätte das zur Folge, dass eine Mieterklage gegen die Berechnung der Grundsteuer als Nebenkosten aktuell abgewiesen werden müsste. Aber der Verordnungsgeber wäre nicht gehindert, im Rahmen einer vertretbaren Auslegung des 556 Abs. 1 BGB die Grundsteuer und eine Reihe anderer Positionen aus dem Betriebskostenkatalog zu entfernen. Damit sollte die nächste Bundesregierung sich beeilen.


[1] Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 556 BGB, Rn. 1. Nach Rn. 15 fehlt den Regelungen im BGB zu den Betriebskosten im Kern ein überzeugendes Konzept.

[2] Der BGH hält auch wiederkehrende Kosten, die dem Vermieter zur Prüfung der Betriebssicherheit einer technischen Anlage (hier: Elektroanlage) entstehen, als »sonstige Betriebskosten« für umlagefähig (Urteil vom 19.01.2007 – V ZR 26/06). Immerhin wird insoweit ausdrückliche Vereinbarung im Mietvertrag verlangt.

[3] Zehelein, Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, Rn. 114.

[4] Emmerich bei Fn. 47.

[5] Die Entwicklung der aktuellen Rechtslage beschreibt Jost Emmerich, Wann sind Betriebskosten eigentlich Betriebskosten?, NZM (Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht) 2022, 273-312.

[6] Bundesratsdrucksache BR 568/03 vom 15. 8. 2003 [https://dserver.bundestag.de/brd/2003/0568-03.pdf].

[7] In der Kommentarliteratur heißt es, der Betriebskostenbegriff sei in § 556 Abs. 1 BGB durch seine Herkunft aus älteren Bestimmungen »klar und eindeutig« geregelt (Zehelein, Münchener Kommentar zum BGB, Rn. 5 zu § 1 BetrKV, 9. Auflage 2023).

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