Anthropozentrismus angesichts von Hybriden und Metaorganismen

Die wissenschaftlich getriebene technologische Entwicklung hat einen Namen als Nano-Bio-Info Convergence.[1] Worum es geht, kann ich nicht besser als mit einem Zitat ausdrücken:

»The three, on their own, have important implications. To put the three of them together, the way I think about it, is that we are informed by biology of what nature has learned how to do over several billion years at the molecular level. It then gives us the capability to simulate that in computer modeling. And the nanotechnology allows us to actually manipulate physical materials to mimic, in some cases, what nature has done.«[2]

Nach wie vor gilt es, die Identität des Menschen an zwei Fronten zu verteidigen, auf der einen Seite gegen nichtmenschliche Lebewesen (Tiere) und auf der anderen Seite gegen Maschinen. Die Grenze zwischen Mensch und Maschine schien einfach zu ziehen. Nun scheint sie an zwei Stellen durchlässig zu werden, nämlich durch künstliche Intelligenz für humanoide Roboter und durch »Medizintechnik« für Hybride (Cyborgs). Hybride könnten auch die Grenze zwischen Mensch und Tier durchlöchern. Kommt jetzt noch eine dritte Grenze hinzu, nämlich die Grenze zwischen Menschen und Metaorganismen? Das behaupten jedenfalls die Biologen Tobias Rees, Thomas Bosch und Angela E. Douglas[3]. Aus ihrer Sicht gab es bisher drei Merkmale, um den Menschen als Indiviuum von anderen Lebewesen (und natürlich auch von der unbelebten Umwelt) zu unterscheiden: sein Immunsystem, sein Gehirn und sein Genom. Nun betonen die Biologen (was sie im Prinzip schon länger wussten), dass der Mensch nur als Teil eines Metaorganismus funktioniert, der sich zur Hälfte aus Mikrorganismen zusammensetzt. Diese bilden in ihrer Gesamtheit das Mikrobiom. [4] Mikrobiom und (Rest-)Mensch bilden einen Metaorganismus. Neu ist wohl, dass das menschliche Mikrobiom, das bei jedem Menschen etwas anders aussieht und sich im Lebensverlauf ändert, sich überindividuell mehr oder weniger gleichsinnig wandelt. So wird anscheinend eine Veränderung des Mikrobioms für die weltweit zunehmde Adipositas verantwortlich gemacht. Relativ neu ist vor allem der Begriff des Metaorganismus, der hier anscheinend eine Eigendynamik entwickelt.[5]

Als Forschungsobjekt der Biologie ist das Mikrobiom aufregend und rechtfertigt fraglos einen Sonderforschungsbereich »Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen«. Aber die Forderung nach »microbial humanities« scheint mir eher übertrieben zu sein. Klar: »The human is contingent on microbes«. Für die Biologie mag daher gelten: »We Have Never Been Individuals«[6]. Aber man sollte sich nicht durch Organismusbegriff verführen lassen. Für Rechtsphilosophie und Rechtstheorie geht es eher um eine bloße Symbiose. Es gib keine absoluten Grenzen, weder zwischen Menschen als Gattung und anderen Gattungen oder zwischen Menschen als Individuuen. Alle diese Grenzen sind »konstruiert«. Der Anthropozentrismus, den ich vertrete, hält grundsätzlich an den historisch gewachsenen Grenzen fest und verteidigt sie als die bessere Konstruktion gegen Tiere und Maschinen. Schwierig wird die Verteidigung gegenüber Hybriden. Das Mikrobiom dagegen ist bisher kein denkbarer Akteur oder Adressat des Rechts.

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[1] Zu diesem Eintrag hat mich ein Vortrag angeregt, den Reinhard Merkel über »Menschen, Cyborgs, humanoide Roboter – Herusforderung für Autonomie und Verantwortung« am 16. 2. 2018 auf dem Symposium anlässlich des 80. Geburtstags von Rolf Dietrich Herzberg gehalten hat.

[2] Scott Hubbard (Director des NASA Ames Research Center in Silicon Valley) https://foresight.org/nasa_ames_director_on_nanobioinfo_convergence-2/.

[3] Tobias Rees/Thomas Bosch/Angela E. Douglas, How the Microbiome Challenges our Concept of Self, PLoS biology 16, 2018, e2005358.

[4] Der Unterschied zwischen Mikrobiom und Mikrobiota ist mir nicht ganz klar geworden. Gelegentlich bezeichnet man das Mikrobiom eines Individuums als Mikrobiota. In der Regel verwendet man die Ausdrücke aber synonym.

[5] Sebastian Fraune/Sören Franzenburg/René Augustin/Thomas C. G. Bosch, Das Prinzip Metaorganismus, Biospektrum 17, 2011, 634-636.

[6] Diesen Titel zitieren die vorgenannten Autoren: Scott F. Gilbert/J. Sapp/A. I. Tauber, A Symbiotic View Of Life: We Have Never Been Individuals, Quarterly Review Of Biology, 87, 2012, 325-341.

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