Der Jurisprudenz wird empfohlen, auf die dissidenten Stimmen von Literatur und Kunst zu lauschen. Das will freilich ohne einen gewissen Zynismus nicht gelingen. Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Printmedien, denen die Abonnenten fortlaufen und die Werbeeinnahmen wegbrechen, neue Einnahmequellen generieren. So halte ich es auch für legitim, dass die FAZ das Geltungsbedürfnis ihrer Leser über ein Angebot von ebenso überflüssigem wie überteuertem Chichi monetarisiert. Heute fand ich in der FAZ eine Beilage »Ausgesuchtes für Kluge Köpfe«, mit der für Skulpturen und Grafiken von Markus Lüpertz geworben wude, die Skulpturen zum Preis von 14.000 EUR, die dazu passenden Grafiken für 1.600 EUR. Über den Kunstbegriff kann man unendlich räsonnieren. Markus Lüpertz ist fraglos ein renommierter Künstler. Wer wollte bezweifeln, dass die Arbeiten des langjährigen Rektors der Düsseldorfer Kunstakademie eben als Kunst gelten müssen? Zu Lüpertz als Künstler – so meinte ich bisher – hätte Julia Voss in der FAZ vom 13. 10. 2009 bereits das Erforderliche gesagt. Mit der Aufnahme in die Selektion hat die FAZ Lüpertz nun definitiv in die Kitschecke gestellt, in die er gehört.
Schlagwort: Recht und Kunst
Recht, Kunst und Gewalt in Florenz. Zu Horst Bredekamp, Die Kunst des perfekten Verbrechens
2003 gab es im ZiF in Bielefeld eine von Ulrich Haltern und Christoph Möllers veranstaltete Tagung »Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft«. Ich sollte das Korreferat zu einem Vortrag von Horst Bredekamp halten. Unter dem Titel »Die Kunst des Verbrechens« trug Bredekamp Gedanken vor, die er aus Anlass der Neuübersetzung von Benvenuto Cellinis »Vita« in der »Zeit« veröffentlicht hatte (und die auch heute noch dort abgerufen werden können).
Aus aktuellem Anlass habe ich meine Vortragsnotizen herausgesucht, die ich hiermit unverändert zum Besten gebe. Nachträglich eingefügt sind nur die Bilder. Sie stammen aus den Wikimedia Commons. Da der Text für einen Blogeintrag zu lang (und damit unbequem zu lesen ist), stelle ich ihn gleichzeitig hier als PDF ins Netz.
Einleitung
B. hat uns eine prägnante These geliefert: Die Rechtsfreiheit der Kunst ist das Modell für den absolutistischen Souverän. Der Souverän schafft das Recht wie der Künstler die Kunst. Deshalb muss der Souverän der Kunst Freiheit geben, um sich in dieser Freiheit zu spiegeln.
Ich will meine Bemerkungen zu dem Vortrag auf vier Punkte verteilen:
1. Zunächst mache ich einige allgemeine Bemerkungen über das Verhältnis von Recht und Kunst.
2. Dann werde ich einige Verständnisfragen stellen.
3. Drittens werde ich die Extralegalität Cellinis etwas relativieren.
4. Und schließlich werde ich einige alternative Erklärungen versuchen.
Ob ich dann am Ende zu einem Ergebnis komme, ist noch offen.
Zu 1.: Recht und Kunst:
Herr B hatte mir einen Vortrag über Recht und Kunst angekündigt. Da ich den Vortrag nicht zur Verfügung hatte, habe ich mir einmal angesehen, was B früher zu Recht und Kunst geschrieben hat. Dabei bin ich auf das 1975 erschienene Buch »Kunst als Medium sozialer Konflikte« gestoßen. (Und im Netz habe ich dann auch seinen Artikel in der »Zeit« gefunden.) In diesem Buch wird einleitend die Geschichte der Kaiserbilder und Herrschaftszeichen beschrieben. Es wird beschrieben, wie zunächst die vorchristliche Kaiserverehrung das christliche Bilderverbot zersetzte und wie dann Kaiserbildpraxis und christliche Bildverehrung zusammenwuchsen. Wir erfahren viele Details über den schwierigen Siegeszug des Bildes im Christentum. Ich habe darüber hinaus gelernt, dass es schon vor Gregor V. in der Kirche auch Ansätze zur Bildpädagogik gab.
Diese Beschreibung kombiniere ich nun mit der Interpretation Luhmanns. Luhmann nennt diese vormoderne Kunst bekanntlich symbolisch. Diese Kunst lässt Unzugängliches (Unvertrautes, Unbeobachtbares) im Zugänglichen gegenwärtig sein: Das symbolische Bild aktiviert das Unsichtbare im Sichtbaren. Es ist nicht, aber es repräsentiert das Überirdische. Damit ist ziemlich deutlich auch das Verhältnis der Kunst zum Recht charakterisiert, denn das Recht stammt letztlich aus der gleichen empirisch nicht zugänglichen Quelle wie die Religion. So finden wir bis in das 16. Jahrhundert hinein in den Rechtsbüchern Kaiserbilder und in den Rathäusern und Gerichtssälen die bekannten Weltgerichtsbilder.
Nun überspringe ich zunächst das 16. Jahrhundert. 1651 erschien der Leviathan mit seinem berühmten Titelbild. Ich weiß nicht, ob die Formulierung auch von Herrn Bredekamp stammt – jedenfalls stammt sie nicht von mir: Der moderne Staat beginnt mit einer Ikone. Aber das erste Bild ist dann zugleich auch das letzte. Jedenfalls gibt es heute eine Diskussion über die Ikonophobie oder Symbolangst des Rechtstaats. Diese Diskussion kann ich jetzt hier nicht ausbreiten. Ich will nur die Hauptthese nennen, die etwa lautet: Das Ideenreservoir des liberalen Rechtstaats ist zu abstrakt, um in Bilder gefasst zu werden.
Was lässt sich weiter über das Verhältnis von Recht und Kunst heute sagen. Zunächst haben wir den Art. 5 GG, der die Freiheit der Kunst garantiert, und diese Garantie steht nicht nur auf dem Papier. Dann kann man feststellen, dass es an einer affirmativen Rechts- und Staatskunst weitgehend fehlt. Allenfalls in der Architektur könnte man vielleicht fündig werden, und dann natürlich in totalitären Staaten, die die Funktionsdifferenzierung zwischen Kunst und Recht wieder zurückzudrehen versuchen. Der große Geleitzug der Kunst interessiert sich überhaupt nicht mehr für Staat und Recht. Nur am Rande schwirren ein paar Schnellboote herum, die ihre kritischen Torpedos auf Recht und Staat abschießen. Das beginnt schon im 16. Jahrhundert mit Sebastian Brants Narrenschiff und mit Emblemen auf den Judex Corruptus im 17. Jahrhundert, erlebt im 19. Jahrhundert bei Daumier einen Höhepunkt und zieht immer wieder Epigonen an wie Philipp Heinisch oder Klaus Staeck.
Eine kurze Bemerkung auch zur theoretischen Auseinandersetzung der Jurisprudenz mit der bildenden Kunst. Seit immerhin etwa 100 Jahren, gibt es, motiviert durch die Codices Picturati des Sachsenspiegels und begründet durch Karl von Amira, unter den Rechtshistorikern eine starke Fraktion, die sich der Rechtsikonografie widmet. Aber die historische Rechtsikonografie interessiert sich für Bilder nicht als Kunst, sondern als historische Quellen. Ferner gibt es gibt mindestens ein halbes Dutzend einschlägiger Bücher zum Thema Recht und Kunst. Den Anfang macht 1927 Fehr. Heute sind vor allem Bücher von Schild und Pleister, Köbler und Kocher und von Wolfgang Sellert im Umlauf. Diese Bücher findet man aber weniger in juristischen Fachbibliotheken als unter dem Weihnachtsbaum.
Und dann gibt es noch eine Sonderkonjunktur für Bücher und Aufsätze zur Justitia-Figur. Zur Interpretation darf ich wieder Luhmann bemühen. Luhmann beschreibt, wie sich im 16. Jahrhundert die Symbolik der Kunst durch das Bewusstsein der Äußerlichkeit der Bilder, der Distanz von Zeichen und Bezeichnetem und durch Verzicht auf die operativ bewirkbare Einheit verwandelt und dadurch u. a. die neue Kunstgattung von Emblemen und Allegorien entsteht. Allegorien bieten eine Personifizierung des Abstrakten. Prototyp der Allegorie ist die Frauenfigur der Justitia. Meine These lautet nun, dass das das Verhältnis von Juristen zur Kunst auf dem Niveau der Allegorie stehen geblieben ist. Der Kunst muten auch moderne Juristen die Veranschaulichung ihrer Aporien zu.
Ad 2: Nun zu der Lücke im 16. Jahrhundert, in die B heute seinen Stein gesetzt hat. Ich muss zunächst mit drei Verständnisfragen beginnen.
a) Der Absolutismus Florentiner Prägung ist mir nicht vertraut. In Deutschland hat es den absoluten Fürsten in Reinkultur nie gegeben. In Florenz gab es eine republikanische Tradition. Die Medici waren eher Handelsfürsten. Erst Cosimo I. hat durch seine Heirat und die spätere Ernennung zum Herzog der Toskana eine dynastische Legitimation herzustellen versucht. Immerhin wird Cosimo Machiavelli gekannt haben, nicht dagegen die Souveränitätslehre Bodins, denn die Sechs Bücher sind erst 1577 erschienen. Insgesamt: Sein Selbstverständnis als Fürst kann ich mir nicht vorstellen. Florenz bot jedenfalls keinen idealtypischen Absolutismus.
b) Mir ist nicht klar, wie viel die Thesen von B. mit dem Inhalt der Kunst Cellinis zu tun haben. Wir sehen ja meistens nur auf die Skulpturen. Da gibt es wohl nur zwei Arbeiten, die sozusagen thematisch einschlägig sind, nämlich den Perseus und die Büste Cosimos I. Beide Arbeiten sind relativ spät entstanden, die Büste war 1548 fertig, der Perseus wurde wohl erst 1554 aufgestellt. Die Büste war ja wohl auch gar nicht für Florenz selbst, sondern für den Hafen in Portoferraio bestimmt.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Büste Cosimos auf die Zeitgenossen gewirkt hat. Sicher nicht klassisch-römisch. Michelangelos David wurde dagegen von den Bürgern vermutlich als Symbol für Entschlossenheit und Stärke verstanden und deshalb von ihnen auf dem Platz vor dem Palazzo Vecchio aufgestellt, obwohl die Statue eigentlich für den Dom bestimmt war. Vielleicht waren aus zeitgenössischer Sicht die Münzen und Medaillen viel wichtiger als die Plastik.
c) Die Episode der Ermordung Allessandro de Medicis durch Lorenzino de Medici kann ich schlicht nicht einordnen, weil mir die historischen Details fehlen. Alessandro war ein Sohn von Clemens VII. und wurde 1532 durch Karl V. zum Erbherzog von Florenz installiert. Lorenzino hat ihn dann tatsächlich 1537 ermordet, aber wohl nicht eigenhändig, sondern durch einen gedungenen Mörder, und wohl aus politischen Gründen, nämlich weil er eingefleischter Republikaner war. Was Herr B. über diesen Vorfall berichtet stammt aus der Selbstbiographie Cellinis und ist wohl doch eine sehr subjektive Interpretation.
Ad 3: Alternative Interpretationen
a) Cellini war in der Tat ein außergewöhnlicher Mensch. Aber man darf seine Straftaten nicht mit modernen Maßstäben messen. Seine Rechtsbrüche in Rom waren in Florenz nicht interessant und umgekehrt. Erst recht interessierte man sich in Italien nicht für die Probleme Cellinis am französischen Hof. Es gab noch nicht wie heute die Vorstellung von einem universalen Strafrecht, wie sie im Internationalen Gerichtshof in Den Haag institutionalisiert ist.
b) Es war im Übrigen ja auch keineswegs so, dass Cellini Narrenfreiheit genoss. Als es ihm 1523 in Florenz zu heiß wurde, floh er nach Rom. Als er sich in Rom der Gunst des Papstes nicht mehr sicher war, floh er weiter nach Neapel. Bei seiner Rückkehr nach Rom wurde er sogar unter falschen Beschuldigungen verhaftet und verurteilt. Er saß im Gefängnis, bis er auf Fürsprache Franz I. freikam und auf Umwegen nach Fontainebleau ziehen konnte. Und als er mit König Franz I. in Streit geriet, kam er wieder nach Florenz, wo das Regime gewechselt hatte.
c) Näher an den Kern dringt aber wohl die Frage, ob, immer aus der Sicht zunächst Clemens‘ VII. und dann Cosimos I., Cellini wirklich im rechtsfreien Raum handeln durfte. Das Florenz des 16. Jahrhunderts war eine vormoderne Form des Staates. Wenn wir einmal annehmen, dass sich die Fürsten in dieser Zeit wirklich als legibus soluti verstanden, dass sie also nicht einmal eine Art ethisches Minimum im Sinne des Dekalogs für unverfügbar hielten, dann kann man doch kaum annehmen, dass sie einem Künstler, und sei es auch Cellini, eine originäre Verfügungsgewalt über das immerhin vorhandene Recht konzedierten. Dann blieb doch alle Freiheit des Künstlers eine vom Patron abgeleitete Freiheit. Dann stellt sich die Frage, wem der Patron solche außerordentlichen Freiheiten konzedierte. Vielleicht auch seinem Meisterkoch. Steht damit die Kochkunst über dem Recht? Oder seiner Mätresse. Steht dann die Liebeskunst über dem Recht? Ich meine also, die Freiheit des Künstlers war vielleicht doch nur eine geliehene und keine originäre.
Damit komme ich schon zu meinem Punkt 4, nämlich zu möglichen alternativen Deutungen des Geschehens.
a) Ich würde der Story Celllinis, wie wir sie von Herrn B. gehört haben, nicht die Überschrift »Kunst vor Recht« oder »Kunst über Recht« geben, sondern vielleicht »Künstler sicher vor Strafverfolgung«. Nicht das Recht wurde suspendiert, sondern nur die Strafverfolgung, und zwar aus Opportunitätsgründen, nämlich nur solange, wie der Künstler nützlich erschien. Der Künstler bekommt keineswegs einen Freiraum zum Morden. So wie es heute Kronzeugen gibt, gab es damals Kronkünstler.
b) Was brachte die Patrone dazu, dem Künstler Cellini immer wieder die Freiheit zu schenken? War es Prunksucht?
Wenn man an die Goldschmiedearbeiten, insbesondere an das berühmte Salzfass, denkt, so war diese Kunst doch eine extrem elitäre Angelegenheit, die man kaum nach außen vorzeigen konnte, ohne die Bruciamenti in Erinnerung zu rufen, die uns Herr B. in einem früheren Aufsatz vorgestellt hat.
Auf der anderen Seite waren Statuen und Münzen im Florenz der Medicis wohl das wichtigste Massenmedium. Für Künstler als Public-Relations-Manager gab es keinen Ersatz. War das der Grund, warum Allessandro eine ebenso prachtvolle Porträtmedaille wollte wie Cellini sie für Clemens VII. geschaffen hatte? Dann wurde der Künstler also als Propagandahelfer gebraucht. Und dafür wurde ihm manches nachgesehen.
c) Nur auf den ersten Blick ist die These von der Rechtsfreiheit der Kunst als Vorbild für die Rechtsfreiheit des Souveräns plausibel. Es geht um eine Analogie zwischen Künstler und Regenten. Aber die Analogie hinkt. Für eine Analogie muss man doch fragen: Was hat für den Künstler eine ähnliche Bedeutung wie für den Souverän das Recht? Für die Antwort würde man kaum in der privaten Lebensführung des Künstlers suchen, sondern auf werkbezogene Qualitäten schauen. Die Analogie wäre nur plausibel, wenn die Künstlerfreiheit hinreichenden Werkbezug hätte. Der nächstliegende Werkbezug im Falle Cellinis wäre der Regelkanon der Kunst in Verbindung mit dem Ziel der Mimesis. Cellini hätte sich von diesem Kanon befreien müssen. Oder er hätte ungewöhnliche, nicht regelkonforme Motive wählen können. Auch das hat er nicht getan. Der Gipfel schließlich wäre die künstlerische Darstellung des Bösen gewesen, sei es in der Form der Blasphemie, bürgerlicher Unmoral oder in Gestalt der Auflehnung gegen das Recht oder seinen Repräsentanten. Von alledem kann keine Rede sein. Die Künstlerfreiheit hat im Werk selbst keinen Ausdruck gefunden. Cellini ist ein Beispiel für die Freiheit des Künstlers, nicht für die Freiheit der Kunst.
d) Von Immanuel Kant stammt bekanntlich die Vorstellung, dass ich etwas ästhetisch rühmen kann, obwohl ich es moralisch verwerfe. Das passt nicht genau. Hier geht es nicht um ein amoralisches Werk, sondern um einen amoralischen Künstler. Aber sicher ist auch irgendwo schon einmal behauptet worden, dass die ästhetische Qualität eines Werkes nicht von der Moral des Künstlers abhängt. Sollte der Künstler Cellini insofern Vorbild für den Regenten Cosimo I. sein, als dieser die Überzeugung hatte, dass es für seine Stellung als Fürst nicht auf persönliche Moralität, sondern auf erfolgreiches politisches Handeln ankam? Auch der amoralische Regent kann ein guter Fürst sein. Das wäre gut machiavellistisch gedacht. Aber ich glaube, das war nicht die These von B.
e) Am meisten beunruhigt mich der Gedanke vom Recht zum Blutvergießen als Stimulans der künstlerischen Gestaltung. In abgeschwächter Form haben Künstler immer wieder das Recht zu unzivilem Verhalten als Stimulans in Anspruch genommen, etwa zu Alkoholexzessen und Rauschgiftgenuss. Doch wie soll man sich die Übertragung dieser Vorstellung auf den Fürsten, den Staat und sein Recht vorstellen. Der Staat als Kunstwerk, das ist gut nachzuvollziehen. Mord als Mittel zum Zweck; das ist immerhin noch vorstellbar. Aber Mord als Stimulans der Staatskunst geht über mein Fassungsvermögen.
f) Unter diesen Umständen erscheint mir die Aufwertung Cellinis über seine Biografie wie eine Projektion der spätromantischen Genieästhetik in das 16. Jahrhundert. Das Genie setzt sich über den Regelkanon der Kunst und über die Idee der Mimesis hinweg und wohl auch über die Regeln der Gesellschaft. Die Genieästhetik des ausgehenden 18. Jahrhunderts verlagerte die Kunst soweit in die Individualität des Künstlers, dass sich Kunst eigentlich gar nicht mehr in Werken ausdrücken lässt, jedenfalls nicht in Werken die verstanden werden. Das Geniekonzept bietet die Handhabe, Autonomie zu denken, versperrt aber die Möglichkeit, über Kunst zu kommunizieren. Die Konsequenz ist dann der Künstler ohne Werk. Die letzte Konsequenz wäre der Mord als schöne Kunst. Aber auch das hat B. wohl nicht gemeint.
Wie komme ich nun zu einem Schluss? Ich habe nur einen recht gewaltsamen Schluss. Wir haben eine mit Kennerschaft vorgetragene Einzelfallstudie gehört. Man könnte geneigt sein, sie als Gourmetwissenschaft abzutun. Aber da täte man Herrn B Unrecht. Wir wissen, dass gerade Herr B in der Kunstwissenschaft das Stadium des Gourmethaften weit hinter sich gelassen hat. Wir müssen diesen Vortrag deshalb als eine ebenso farbige und spannende wie ernsthafte Anregung akzeptieren. Normalwissenschaft muss nun aber weiter nach Anschlusskommunikationen suchen. Die Frage ist also, ob die Interpretation, mit der Herr B die Geschichte Cellinis versehen hat, von Zeitgenossen und Nachfolgern aufgegriffen wird. Das sehe ich bisher nicht.