Ersetzen Klasse und Kasse die Didaktik? (Wo bleibt die Rechtsdidaktik? Teil III)

Im ersten Beitrag wurde das Fehlen einer expliziten Rechtsdidaktik beklagt, aber zugleich bemerkt, dass die Sache in den juristischen Fakultäten keineswegs unter den Tisch gekehrt wird, sondern im Gegenteil viele Anstrengungen zur Verbesserung der Lehre unternommen werden. Leider bleiben diese Anstrengungen weitgehend lokal begrenzt und werden kaum reflektiert, evaluiert und publiziert. In der Folge wird an vielen Stellen immer wieder neu zwar nicht das Rad, aber vielleicht eine kleine Schraube erfunden. An dieser Stelle lässt sich das Problem nicht lösen. Ich kann hier nur einschlägige Informationen mitteilen, auf die ich mehr oder weniger zufällig aufmerksam werde.

Die Bucerius Law School glänzt mit Examensergebnissen. Nach den Angaben auf der Internetseite lag die Durchschnittsnote der im Jahr 2006 geprüften Kandidaten bei über 10 Punkten (»voll befriedigend«), der Bundesdurchschnitt dagegen bei 6 Punkten (»ausreichend«). Rund drei Viertel aller bisherigen Absolventen haben 2006 ein Prädikatsexamen, im Bundesdurchschnitt dagegen nur 22 %. Die durchschnittliche Studiendauer lag bei 8 Semestern, der Bundesdurchschnitt dagegen bei 10,4 Semestern. Das sind eindrucksvolle Zahlen.

Vermutlich hat dieser großartige Erfolg viele Ursachen. Drei drängen sich auf: bessere Studenten, bessere Dozenten und größere Ressourcen. Anscheinend gelingt es, die besten Studenten anzuziehen und auszuwählen. Die Bucerius Law School nimmt für sich in Anspruch, unter den privaten Hochschulen mit fast 10 % den höchsten Anteil an Stipendiaten der Studienstiftung des Deutschen Volkes zu haben. Davon können staatliche Universitäten nur träumen.

Was die Professoren angeht, so kommt es hier eher auf ihre Leistungen in der Lehre als in der Forschung an, mag beides auch bis zu einem gewissen Grade zusammenhängen. Mich interessiert die Frage, ob die Hamburger über ein besonderes didaktisches System oder gar Rezept verfügen. Immerhin haben sie ein Zentrum für Juristische Didaktik. Es bereitet auf die im Staatsexamen geforderten Schlüsselqualifikationen vor. Vor allem aber konzipiert und organisiert es ein Examensvorbereitungsprogramm, das den Besuch eines Repetitors überflüssig machen soll. Und das scheint auch zu gelingen. Es wäre ja auch unerträglich, wenn die Studenten neben ihren Studiengebühren noch einen Repetitor bezahlen müssten.

Das Vorbereitungsprogramm beginnt nach der Rückkehr der Studierenden aus dem Ausland im achten Trimester mit Brückenkursen, die den bisher gelernten Stoff des Grundstudiums wieder auffrischen. Es folgt das »Kernprogramm«, in dem in einer Zeit von zehn Monaten der examensrelevante Stoff in intensiver Form vermittelt und eingeübt wird. An die schriftliche Prüfung schließt sich dann eine »Coaching-Phase« mit speziellen Veranstaltungen und Prüfungssimulationen zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung an.

Man wüsste gerne mehr über Inhalt und Methode dieses Programms. Veröffentlichungen darüber habe ich nicht gefunden. Wenn es didaktische Fortschritte gibt, sollte die Bucerius Law-School sie nicht als Betriebsgeheimnis behandeln, sondern die staatlichen Fakultäten daran teilhaben lassen, denn immerhin sind Existenz und Erfolg der Law School überhaupt nur auf der Basis staatlicher Vorleistungen denkbar. Vielleicht besteht das Geheimnis auch nur darin, dass man im Mittelbau über größere personelle Ressourcen verfügt, die den Repetitor ersetzen können. Bedeutsam für den Erfolg ist außerdem sicher eine stärkere Motivation, die die Studenten aus der ihnen zugeschriebenen Eliterolle beziehen. Im Übrigen darf man davon ausgehen, dass der Erfolg auf der Auswahl besonders qualifizierter Studenten beruht.

Konkurrenz hebt das Geschäft. So ist es vermutlich kein Zufall, dass auch die staatliche Hamburger Fakultät für Rechtswissenschaft besondere didaktische Anstrengungen unternimmt. Dazu hat sie einen »Think Tank Lehre« eingerichtet. Es handelt sich um ein Beratungsgremium des Dekanats zur Fortentwicklung und Verbesserung von Lehre und Studienbedingungen. Auf der Webseite steht an erster Stelle ein »Modellprojekt Hausaufgaben«. Ferner werden folgende Aktivitäten erläutert: Projekt zur Verzahnung von Arbeitsgemeinschaften und Vorlesungen, Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Wahlschwerpunktstudiums und die Einführung eines Feedback-Management Lehre. Es tut sich also etwas.

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Wo bleibt die Rechtsdidaktik? (Teil II)

Eine juristische Fachdidaktik ist nicht deshalb erforderlich, weil die juristische Ausbildung besonders schlecht ist, sondern weil sie vermutlich besser sein könnte.

Im Posting vom 21. Juli 2008 habe ich das Fehlen einer spezifischen Rechtsdidaktik beklagt. Damit will ich nicht sagen, dass der aktuelle juristische Hochschulunterricht besonders schlecht wäre. Ich höre nicht selten Studenten begeistert von einer juristischen Vorlesung berichten. In Bochum gab und gibt es eine ganze Reihe von »Hörsaalkanonen«, die ein großes Studentenpublikum fesseln können. In anderen Fakultäten wird es ähnlich sein. Die Fakultäten unternehmen auch erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der Lehre. Überall gibt es Studiendekane oder Lehrbeauftragte. Spezielle Kurse zur Examensvorbereitung gehören fast überall zum Standard. Die Studiengebühren, die weitgehend zweckgebunden sind zur Verbesserung der Lehre, dürften die Situation weiter verbessern. Das Angebot an juristischer Studienliteratur ist dank der großen Studentenzahlen, die es für Verlage und Autoren lohnend machen, Lehr- und Lernbücher zu schreiben, sehr umfangreich und überwiegend von guter Qualität. Ich akzeptiere den Hinweis auf das bei Juristen so verbreitete Repetitorenwesen nicht als Argument gegen die Qualität der juristischen Ausbildung. Die Repetitoren haben nur deshalb Erfolg, weil das juristische Studium durch die Gestaltung des Staatexamens so kanonisiert ist (oder war?), dass man wissen kann, was man zum Examen zu wissen hat. Die Examenskandidaten sind nicht davon abhängig, dass sie in der Vorlesung eines bestimmten Dozenten gesessen oder seine Bücher gelesen haben. Die Unabhängigkeit des Examens von der Person einzelner Prüfer ist eine Errungenschaft, von der manche Fächer träumen. Es gibt wohl kein anderes Studium, das für den Staat so billig ist wie das juristische. Dafür müssen die Studenten an den Repetitor zahlen. Und dennoch: Es fehlt eine ausgearbeitete juristische Fachdidaktik.

Ohne den Anspruch, der Komplexität des Themas damit gerecht zu werden, will ich den ersten Beitrag um sieben Gesichtspunkte ergänzen:

1. Wenn ich eingangs festgestellt hatte, die Visualisierung sei zurzeit der einzige aktive Zugang zur Rechtsdidaktik, so übersehe ich natürlich nicht die enormen Aktivitäten auf dem Gebiet des E-Learning. Ich beobachte staunend, wie Bund und Länder den »virtuellen Hochschulraum« mit Millionenbeträgen fördern. Bislang ist das Ergebnis kläglich. Gerade in diesem Bereich fehlt eine juristische Fachdidaktik. Darauf hat Günter Reiner aufmerksam gemacht (Juristische Didaktik und E-Lernen: theoretische Konzeption und Anwendungsbeispiele, JurPC Web-Dok. 160/2007, Abs. 1 – 49 (http://www.jurpc.de/aufsatz/20070160.htm).

2. Fragen der Ausbildungsreform und der Fachdidaktik lassen sich nicht sauber trennen. Das Ziel der Juristenausbildung wird durch eine politische Entscheidung bestimmt, die freilich didaktisch informiert erfolgen sollte. Eine Fachdidaktik hat dieses Ziel umzusetzen. Dabei muss sie mit den wiederum politisch verantworteten institutionellen Zwängen der Ausbildung fertig werden. Sie kann umgekehrt auch Forderungen zur Regulierung, häufiger aber vermutlich zur Deregulierung der Juristenausbildung stellen.

3. Auch zwischen Hochschulpädagogik und Fachdidaktik gibt es keine scharfe Grenze. Mein Eindruck ist allerdings, dass die Hochschuldidaktik[1] die Notwendigkeit oder gar Möglichkeit einer Fachdidaktik vernachlässigt, wenn nicht gar verneint. Universitäre Fachdidaktik muss die allgemeine Hochschulpädagogik inkorporieren. Eine Fachdidaktik des Rechts muss aber darüber hinaus auf viele Fragen eine Antwort geben, die sich für die Rechtswissenschaft in besonderer Weise stellen, darunter die Fragen nach der Vermittlung von Systemvorstellungen und juristischer Methode, nach der Verbindung von Theorie und Praxis, von Soft Skills mit juristischen Inhalten, nach Interdisziplinarität und natürlich die Dauerfrage nach der richtigen Beschränkung von Studieninhalten und Prüfungsstoff.

4. Vielleicht hat das Fehlen der Rechtsdidaktik im universitären Bereich etwas damit zu tun, dass es in Deutschland keine fächerübergreifende Hochschullehrervereinigung gibt. Es gibt die Zivilrechtslehrer, die Strafrechtslehrer und die Staatsrechtslehrer. Sie alle kümmern sich um ihre Fächer, aber nicht um gemeinsame, fachunabhängige Themen.

5. Viele Dozenten befassen sich mit pädagogischen Fragen, ohne das an die große Glocke zu hängen. Es ist nicht einfach, die einschlägigen Arbeiten zu recherchieren, weil selten oder nie »Fachdidaktik des Rechts« oder »Rechtspädagogik« im Titel steht. Hier ein Beispiel: Bernhard Bergmans, Rechtsterminologieunterricht als Zugang zur Rechtsvergleichung. Das Beispiel des Deutschen, in französischer Sprache veröffentlicht in Revue de droit international comparé 1987, 89-110. Der Verf. hat mir das Manuskript der deutschen Übersetzung überlassen.

6. Die Fachhochschulebene hat sich bei den didaktischen Anstrengungen einen Vorsprung erarbeitet. Es hilft nicht weiter, sich dagegen abzusetzen, denn auch die Universität kommt nicht umhin, praktisch verwertbare Rechtskunde zu vermitteln. Will sie mehr leisten, nämlich die Wissenschaftlichkeit der universitären Rechtsausbildung sichern[2] oder gar wiederherstellen[3], so muss sie mindestens das Weniger bieten. Aber auch und gerade das »Mehr«, die Wissenschaftlichkeit, verlangt nach Didaktik.

7. Adressaten einer Rechtsdidaktik sind nicht nur Dozenten, sondern auch Studenten. Anleitungen zum Jurastudium für Studenten gibt es in größerer Zahl. Noch zahlreicher sind die Anleitungen zur Anfertigung von Klausuren und Hausarbeiten. Ich möchte heute auf ein Buch hinweisen, dass in akademischen Kreisen, wie ich finde, zu Unrecht keine Beachtung findet, nämlich das Buch »Lernprofi Jura« der Repetitoren Marco von Münchhausen und Ingo P. Poschel, München 2002.


[1] Einen Eindruck vermittelt die Internetseite des Hochschuldidaktik-Zentrums des Landes Baden-Württemberg, die auch ein Literaturverzeichnis bietet. Ich habe in den ausführlichen Programmen von 2004 bis 2008 vergeblich nach den Stichworten »Fachdidaktik«, »Rechtsdidaktik«, »Rechtswissenschaft« und »Jura« gesucht.

[2] Peter A. Windel, Zwischenbilanz zur Studienreform von 2003, in: Juristenausbildung mit Herz und Verstand. Festgabe für Heinrich Flege, 2008, 37-50, 39.

[3] Peter Gilles/Nikolaj Fischer, Juristenausbildung 2003, NJW 2003, 707-711, 711.

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Hier war die Rechtsdidaktik

In den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts verlangten »fortschrittliche« Rechtsfakultäten von ihren Bewerben, dass sie neben Lebenslauf und Schriftenverzeichnis auch ein Positionspapier zur Rechtsdidaktik vorlegten. Mein Bochumer Kollege Professor Dr. Peter A. Windel hat mir freundlich einen solchen Text zur Verfügung gestellt, den er 1997 verfasst hat und der unverändert hier zu lesen ist:

Über akademische Lehre

Bei allen Vorbehalten, die ein junger Privatdozent ohne große Lehrerfahrung machen muss, wenn er Vorstellungen zur akademischen Lehre entwickelt, lässt sich festhalten, dass der Zu­gang zu einer didaktisch sinnvollen Aufbereitung des zu vermittelnden Stoffes im Bereich der Geisteswissenschaften erleichtert wird, wenn deren Dogmatik ihrerseits nicht nur nach streng systematischen, sondern auch nach heuristischen Kriterien entwickelt wird.

Neben der für die Geisteswissenschaften klassischen deduktiven Vermittlung des Stoffes bietet sich gerade für das Jurastudium auch die induktive Methode an. In Gestalt der Judikatur und der zahlreichen Schulfälle gibt es nämlich eine Fülle an Material, um den Vortrag plastischer und damit für die Studierenden leichter fasslich zu machen. Dabei ist freilich auf sorgfältige Auswahl und Vereinfachung zu achten: Werden Beispielsfälle zu komplex, verlieren sich Vor­tragender und Auditorium leicht in Nebensächlichkeiten. Dies gilt übrigens auch für Klausur­aufgaben; m. E. wird dies oft nicht genügend berücksichtigt. Hiergegen lässt sich nicht ein­wenden, Ausbildung und Prüfung verlören mit der Entschlackung der Fälle den notwendigen Bezug zur komplexen Lebenswirklichkeit. Denn Hausarbeit und juristischer Vorbereitungs­dienst bieten ausreichend Gelegenheit, mit verwickelteren Vorgängen vertraut zu werden.

Indem ich deduktive und induktive Methode nebeneinanderstelle, trete ich für eine Kombina­tion der beiden miteinander ein. Dies beruht auf meiner bisherigen Lehrerfahrung: Manches lässt sich in der nötigen Klarheit nur rein deduktiv entwickeln; anderes muss zwar ebenfalls aus allgemeinen Prinzipien hergeleitet werden, wird aber erst durch das Beispiel anschaulich; wie­der anderes erschließt sich am besten dadurch, dass Beispielsfall für Beispielsfall analysiert und die Ergebnisse schließlich abstrakt zusammengefasst werden.

Auch die Pädagogik mag auf die akademische Lehre ihren Einfluss haben, freilich ist dieser wegen des durchschnittlichen Alters der Studierenden beschränkt. Hinzu kommt, dass es gerade auch deren wohlverstandenem Interesse entspricht, ihnen so viel akademische Freiheit zu er­halten, wie dies unter den Bedingungen der modernen Massenuniversität eben möglich ist: Eigenständige Persönlichkeiten werden sich dann besser entfalten können als in einem ver­schulten Lehrbetrieb.

Sicher ist, dass das Verhältnis von Stoff und Form im universitären Unterricht wegen der Komplexität des ersteren oft den Gestaltungsrahmen für letztere einschränkt. Die klassische und bewährte Typik der Lehrveranstaltungen (Vorlesungen, Übungen, Seminare, Kolloquien, Kurse, Propädeutika und Tutorien) stellt aber einen Fundus bereit, die daraus folgenden Pro­bleme zu bewältigen. Dabei ist die Scheu unangebracht, die einzelnen Typen zu kombinieren und damit in ihrer Leistungsfähigkeit wechselseitig zu stärken (Propädeutika und Tutorien mit kleinen Gruppen können den Nutzen einer Großveranstaltung mehren; Wiederholungs- und Vertiefungskurse vermögen die Hauptvorlesungen zu ergänzen usf.). Letztens lässt sich auch festhalten, dass der Erfolg einer Veranstaltung zum nicht geringsten Teil davon abhängt, wie die Weichen an den situationsbedingt entscheidenden Punkten im Rahmen eines Semesters ge­stellt werden: Ein Hörsaal lässt sich in einem Augenblick “packen” oder verlieren, der Lehrer­folg ist gelegentlich von vordergründig rein atmosphärischen Dingen abhängig.

Im Rahmen einer Bewerbung um eine Professur an einer juristischen Fakultät lässt sich über akademische Lehre nicht schreiben, ohne auf die besondere Problematik der Juristenausbildung einzugehen. Deren Grundfragen sind andernorts oft genug erörtert worden und brauchen hier nicht erneut aufgegriffen zu werden (das Verhältnis von Recht als normativer Ordnung und “Rechtswirklichkeit”; die Verbindung von universitärer Ausbildung mit Staatsexamina; die Frage, ob eine echte Zwischenprüfung mit dem Charakter des Jurastudiums vereinbar ist; die Ein- oder Mehrgliedrigkeit der Ausbildung; die Nöte, Normenflut und ins Kraut schießendes “Richterrecht” zu bewältigen; die rechtlichen Implikationen des europäischen Integrationspro­zesses und nicht zuletzt das Repetitoren[un]wesen). Daher begnüge ich mich mit dem Be­kenntnis, dass sich das Studium der Rechtswissenschaften dann als besonders gewinnbringend erweisen dürfte, wenn es tatsächlich als solches betrieben wird.

Für die Lehrenden bedeutet dies, dass sie auch im Unterricht der Rechtswissenschaft ver­pflichtet sein müssen und nicht in eine Rechts- oder Entscheidungskunde abgleiten dürfen. Denn es wäre ein Irrglaube anzunehmen, ein möglichst breites Detailwissen machte die guten, d. h. für die Gesellschaft nützlichen, Juristen aus. Im Gegenteil sind es die systematischen Grundlagen und das methodische Rüstzeug, die die Bewältigung der vielfältigen Aufgaben er­möglichen, die die unterschiedlichen juristischen Berufe an ihre Repräsentanten herantragen. Gelingt es, in diesem Sinne auszubilden oder vielleicht besser: Hilfestellung zum jeweils per­sönlich geprägten Studium zu leisten, dürfte sich auch die Diskussion erledigen, ob das Bild des sog. Einheitsjuristen aufgegeben werden sollte. Denn wie wären die Ziele von Lehrenden und Studierenden besser zu vereinigen als in einem Studienabschluss, der für den weiteren be­ruflichen Lebensweg gute Chancen auf verschiedensten Feldern eröffnet?

[Früherer Beitrag zur Fachdidaktik der Rechtswissenschaft am 21. 7. 2008]

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Wo bleibt die Rechtsdidaktik?

Der einzige aktive Zugang zu einer juristischen Fachdidaktik scheint zur Zeit über die Visualisierung von juristischen Inhalten zu laufen. In unserem Buch »Recht anschaulich« (S. 16) bemerken wir daher das Fehlen einer Fachdidaktik für die juristische Ausbildung. Zwar gibt es eine unendliche Debatte über die Inhalte der Juristenausbildung. Die Fachdidaktik ist darüber jedoch völlig in Vergessenheit geraten. Es fehlt sowohl an monografischer wie an Aufsatzliteratur und erst recht an einer einschlägigen Fachzeitschrift.
Die erste Auflage des »Handbuchs Hochschullehre« aus dem Raabe-Verlag enthielt immerhin einen fachspezifischen Teil »Wirtschafts- und Rechtswissenschaften«. Darin war die Rechtsdidaktik nur mit einem Beitrag vertreten: Marko Baumert, »Bitte (in)formieren Sie sich!« − Teilnehmerzentrierung juristischer Arbeitsgemeinschaften mit Beispielen aus dem öffentlichen Recht, WAR 2.2. Ein weiterer einschlägiger Beitrag fand sich in dem Teil »Präsentation und Visualisierung«: Werner Unger, Paragraphen und Graphik. Eine Methode der Visualisierung juristischen Lehrstoffs (WRB 3.1). In der (noch unvollständigen) Neuauflage sind diese Beiträge bisher nicht wieder abgedruckt. (Ungers Beitrag steht jetzt in stark erweiterter Form im Web zur Verfügung; dazu mein Post in »Recht anschaulich«). Es gab und gibt immerhin eine Rechtspädagogik für den Rechtskundeunterricht, insbesondere in Schulen. Aber, wie gesagt, es fehlt die Fachdidaktik für den juristischen Hochschulunterricht.
Anders in den USA und in England: In den USA gibt es seit 1950 das Journal of Legal Education. Es wird von der Association of American Law Schools herausgegeben und von dem Verlag West Publishing Company and Foundation Press an alle Hochschullehrer verteilt. Während meiner Aufenthalte in Madison und St. Louis habe ich immer gerne darin gelesen. Ich hatte den Eindruck, dass es sich um eine inhaltsreiche Zeitschrift mit hohem Qualitätsstandard handelt. Neuere Hefte waren mir nicht mehr zugänglich.
In England erscheint drei Mal jährlich herausgegeben von der Association of Law Teachers (ALT) im Verlag Sweet & Maxwell. »The Law Teacher: The International Journal of Legal Education«. Ich kenne die Zeitschrift bisher nicht, werde aber versuchen, Zugang zu bekommen.
Schon die allgemeine Hochschulpädagogik, die natürlich auch für die juristische Ausbildung relevant ist, ist in Deutschland kümmerlich. Eine aktuelle und umfangreiche Diskussion gibt es nur für den Bereich des E-Learning. Einen gewissen Überblick gibt Hochschuldidaktik online, herausgegeben vom HDZ der Universität Dortmund. In seinem jüngsten Editorial vom Februar 2008 meint dazu Prof. Dr. Dr. h.c. Johannes Wildt, die »Qualitätsoffensive in der Lehre« der Hochschulrektorenkonferenz und die »Exzellenzinitiative in der Lehre« des Stifterverbandes versprächen einen neuen Schub für die Qualitätsentwicklung im Studium und Lehre. Inzwischen hat am 7. Juli 2008 auch noch der Wissenschaftsrat den Zustand der Hochschullehre kritisiert und Änderungen angemahnt. Aber diese Euphorie trifft in den traditionellen Kernfächern, nicht zuletzt bei den Juristen, auf eine tiefsitzende Skepsis. »Didaktisierung« ist zum Buhwort geworden. Man befürchtet die fortschreitende Verschulung des Rechtsunterrichts, wie sie längst durch die Aufnahme juristischer Module in andere Fächer und die Ausbildung von Diplom-Juristen an Fachhochschulen in Gang gekommen ist und durch eine Bachelorisierung des Jurastudiums unvermeidlich würde.
Ich selbst nehme hier eine Zwischenposition ein. Einerseits geht es nicht ohne ein Minimum an Hochschuldidaktik. Schon vor nun wohl über 20 Jahren habe ich in der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität einen Fakultätsbeschluss durchgesetzt, nach dem jeder Habilitand mit der Anmeldung zur Habilitation den Nachweis über die Teilnahme an einer von der Zentrale der Ruhr-Universität angebotenen hochschuldidaktischen Veranstaltung vorlegen sollte. Andererseits graust auch mir vor einer weiteren Verschulung der juristischen Ausbildung, die ich allerdings als mehr oder weniger unvermeidlich kommen sehe. Ich dieser Situation wäre eine juristische Fachdidaktik hilfreich, um den Wissenschaftsanspruch der Jurisprudenz auch in der Ausbildung aufrecht zu erhalten.
Auf einige neue Ansätze zu einer juristischen Fachdidaktik, die mir in den letzten Monaten aufgefallen waren, habe ich an dieser Stelle bereits in den Beiträgen vom 23. 4. 2008 und 28. 6. 2008 hingewiesen. Mit diesem Beitrag will ich jetzt den Versuch unternehmen, einen Kreis interessierter Kolleginnen und Kollegen zu sammeln in der Hoffnung, dass es gelingt, diesen Kreis durch organisatorische Vorkehrungen auf Dauer zu stellen und ihm zur Wirksamkeit zu verhelfen. Dafür mag das Journal of Legal Education als Vorbild dienen.

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