Zum Vielfaltsbarometer 2019 der Bosch Stiftung

Es bleibt keine Wahl. Die Welt muss sich mit der Vielfalt arrangieren, die die Globalisierung mit sich gebracht hat. Moralische Appelle bringen wenig. Hilfreich ist die Umwertung der mehr oder weniger negativ besetzten Diskriminierungsmerkmale zu positiv belegten Merkmalen gesellschaftlicher Vielfalt, wie sie sich mit dem Bakke-Urteil des US-Supreme Courts von 1978 anbahnte. In dem Verfahren Bakke v. Regents of University of California wehrte sich ein weißer Amerikaner namens Bakke dagegen, dass er nicht zum Medizinstudium zugelassen worden war, weil im Zulassungs­verfahren letztlich Zusatzpunkte für nicht-weiße Bewerber den Ausschlag gaben. Das Gericht bestätigte die vom Kläger schon in der Vorinstanz erkämpfte Zulassung zum Studium und äußerte sich grundsätzlich positiv über die Vereinbarkeit der so genannten affirmative action mit der Equal Protection Clause der Verfassung. In der Begründung gab es jedoch keine Übereinstimmung. Richter Powell hob in seinem Votum als maßgeblichen Grund für das Quotensystem der Universität das Streben nach einer ethnisch gemischten Studentenschaft (ethnic diversity) hervor, nicht dagegen die Bevorzugung farbiger Studienbewerber als Nachteilsausgleich für eine diskriminierte Minderheit.[1]

Längst hat auch die Wirtschaft Diversität als Produktivitätsfaktor entdeckt. Es ist daher kein Zufall, dass jetzt die Bosch Stiftung das in der Jacobs Universität Bremen erarbeitete Vielfaltsbarometer 2019 vorlegt. Das kommt zwar als wissenschaftliche Untersuchung daher, zeichnet sich aber doch mit dem Grußwort des Bundespräsidenten und die Betonung von »Zusammenhalt« als Aktionsforschung aus. (Das muss kein Fehler sein.)

Was mich an dieser Untersuchung stört – aber das gilt für viele Äußerungen über Diversität –, ist die Einbeziehung des Geschlechts. Frauen und Männer sind keine Minderheiten. Die Probleme im Geschlechterverhältnis liegen anders als mit den Gruppierungen, welche die postmoderne Vielfalt ausmachen.

Die diagnostische Validität solcher Umfrageuntersuchungen ist nicht unproblematisch. Hinter den Fragen, die aus dem Anhang S. 110f zu entnehmen sind, scheint immer schon die Wunschantwort auf. Die absoluten Werte beschönigen daher wohl eher. Aber die Relationen mögen stimmen. Eine Relation ist auffällig, nämlich die relativ geringe Toleranz für religiöse Diversität. Juristisch liegt hier zurzeit ein Diskussionsschwerpunkt. Erlaubt sei da ein Gedankensprung zu der neuen Leibniz-Preisträgerin Ayelet Shachar, wenn sie von der Privatisierung von Diversität spricht[2], was im Klartext bedeutet, das Familienbeziehungen, insbesondere die Ehe, qua Religion das staatliche Recht unterlaufen. Der nächste Gedankensprung führt zum Kulturkampf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die obligatorische Zivilehe mit allen ihren Konsequenzen ist kein Auslaufmodell.

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[1]  Zum Urteil ausführlich Ulrich Beyerlin, »Umgekehrte Rassendiskriminierung« und Gleichbehandlungsgebot in der amerikanischen Verfassungsrechtsprechung, ZöaRV 39, 1979, 496-554.

[2] Ayelet Shachar, Faith in Law? Diffusing Tensions Between Diversity and Equality, Philosophy & Social Criticism 36, 2010, 395-411.

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