Die Übertragung von Ideen, Konzepten, Institutionen oder auch nur singulären Normen aus einem Rechtskreis in einen anderen bildet ein Standardthema der Rechtssoziologie. Es wird unter Stichworten wie Einfuhr und Ausfuhr, Rezeption und Oktroyierung von Recht, Rechtstransfer, legal transplant oder imposition of law abgehandelt. Kürzlich habe ich das Thema schon einmal angesprochen, als ich auf ein schönes paper von Andrea Behrends mit dem Titel »Traveling Models in Conflict Management« gestoßen war. Nun kommt es wieder aus einer ganz anderen Richtung. In Heidelberg gibt es in den nächsten Tagen einen Workshop »Migrating Ideas of Governance and Emerging Bureaucracies between Europe and Asia since the Early Modern Era«. Und gleich darauf noch eine größere Tagung mit dem »The Flow of Concepts and Institutions«. Das Beste daran ist bisher ein kleines Exposé von Susan Richter. Ich habe daraus vorab gelernt, dass man im 18. und 19. Jahrhundert zunächst chinesische Modelle der Bürokratie nach Europa importiert hat.
Wir reden in der Rechtssoziologie viel über Interdisziplinarität und denken dabei an Fremddisziplinen wie Neurowissenschaften, Psychologie, Ökonomie, Linguistik usw. usw. Aber wir schaffen es noch nicht einmal, uns innerhalb des weiteren Bereichs der Sozialwissenschaften wechselseitig wahrzunehmen. So behandelt die Heidelberger Tagung eine genuin rechtssoziologische Thematik. Aber das haben die Veranstalter anscheinend noch nicht gemerkt. Unter den vielen Beteiligten finde ich keinen aus der Rechtssoziologie bekannten Namen. Umgekehrt haben die Rechtssoziologen noch nicht wahrgenommen, was in Heidelberg an Rechtssoziologie unter fremdem Namen passiert. Bei mir verstärkt sich der Eindruck, dass es nicht unbedingt darauf ankommt, immer noch etwas (oft scheinbar) Neues zu finden, sondern wichtiger wäre, die längst vorhandenen Wissensbestände zu integrieren.