Bengt Holmström (der in dem ersten Eintrag zum Wirtschaftsnobelpreis vom 11. Oktober 2016 etwas zu kurz gekommen ist) arbeitet seit der Finanzkrise von 2008 wohl eher über Theorie der Finanzmärkte, die für Juristen weniger interessant erscheint.[1] Hier seien daher nur einige ältere Arbeiten zum Principal-Agent-Problem und zur Firma – und damit zur Ökonomischen Vertragstheorie –angeführt[2]:
Moral Hazard and Observability, The Bell Journal of Economics, 1979, 74-91
Aggregation and Linearity in the Provision of Intertemporal Incentives, Econometrica 55, 1987, 303-328 (mit Paul Milgrom)
The Theory of the Firm, in: Handbook of Industrial Organization, 1989, 63-133 (mit Jean Tirole)
Multitask Principal-Agent Analyses: Incentive Contracts, Asset Ownership, and Job Design, Journal of Law, Economics, and Organization 7, 1991, Sonderheft S. 24-52
The Firm as an Incentive System, The American Economic Review 84, 1994, 972-991 (mit Paul Milgrom)
The Boundaries of the Firm Revisited, Journal of Economic Perspectives 12, 1998, 73–94 (mit John Roberts)
Managerial Incentive Problems: A Dynamic Perspective, The Review of Economic Studies 66, 1999, 169-182.
In diesen Arbeiten geht es – ähnlich wie bei Hart – in erster Linie um Anreizverträge. Die sind für die Rechtswissenschaft reizvoller, mag sie auch für die modellhafte Formalisierung und Mathematisierung keine Verwendung haben. Thema sind insbesondere Kontrolle und Motivation von Managern, die mit fremdem Eigentum wirtschaften. Hintergrund ist die Annahme von prinzipiellen Zielkonflikten zwischen einem angestellten Manager (agent) und dem Eigentümer (principal). Manager wollen nicht nur verdienen, sondern ihre Machtfülle steigern. Deshalb sind sie geneigt, die Firma über eine für Produktion und Vertrieb optimale Größe hinaus zu expandieren und/oder ihre Macht durch Unternehmenskäufe oder Zusammenschlüsse zu stärken. Unter der weiteren Prämisse, dass es gilt, den shareholder value zu maximieren, wird nach optimalen Gestaltungen für die Motivierung und Kontrolle angestellter Manager gesucht. Wenn Hierarchie als Gestaltungsmittel ausscheidet, sind explizite und implizite Verträge das Mittel der Wahl.
In diesen Tagen nun wird in der Wirtschaftspresse eine Konstellation ausgebreitet, zu der man gerne eine Ausarbeitung der Laureaten hätte. Die Firmen Ista und Techem, die ihr Geschäft mit der Ablesung von Heizkostenverteilern machen, präsentieren sich als Übernahmekandidaten. Dabei zeigen sie Gewinnquoten von mehr oder weniger 40 % vor. So wird das Geschäftsmodell der beiden beschrieben[3]:
»Ablesedienste erfassen in Mehrparteienhäusern den Heizenergie-, oft zudem den Wasserverbrauch je einzelner Wohnung. Sie schicken den Vermietern oder Hausverwaltern die Rechnungen. Die aber holen sich die Ausgaben von den Bewohnern zurück, einschließlich der Ablesekosten. Diejenigen, die am Ende zahlen, verhandeln also nicht die Verträge – der Vermieter hat einen schwächeren Anreiz, hart zu verhandeln.«
Hier hanelt es sich um eine Vertragskette, bei der die Rechtsbeziehungen anders liegen, als im Verhältnis zwischen principal und agent. Aber der principal, hier der Bewohner, ganz gleich ob selbst (Wohnungs-)Eigentümer oder Mieter, ist dem Paktieren des Vermieters oder Verwalters mit dem Ableser ziemlich hilflos ausgeliefert. Da wäre es interessant, wenn die Laureaten Vorschläge für vertragliche Anreizsysteme machen könnten. Tatsächlich müssen die Beteiligten aber wohl auf das längst fällige Machtwort des Kartellamts warten.
[1] Bengt Holmström/Jean Tirole, Inside and Outside Liquidity, 2011
[2] Lebenslauf und Publikationsverzeichnis von Bengt Holmström findet man auf der Webseite des MIT. Viele Titel sind im Netz frei zugänglich.
[3] FAZ vom 20. 10. S. 18: »45,8 Prozent Rendite fürs Ablesen« [nur im zahlungspflichtigen Archiv].