Der einzige aktive Zugang zu einer juristischen Fachdidaktik scheint zur Zeit über die Visualisierung von juristischen Inhalten zu laufen. In unserem Buch »Recht anschaulich« (S. 16) bemerken wir daher das Fehlen einer Fachdidaktik für die juristische Ausbildung. Zwar gibt es eine unendliche Debatte über die Inhalte der Juristenausbildung. Die Fachdidaktik ist darüber jedoch völlig in Vergessenheit geraten. Es fehlt sowohl an monografischer wie an Aufsatzliteratur und erst recht an einer einschlägigen Fachzeitschrift.
Die erste Auflage des »Handbuchs Hochschullehre« aus dem Raabe-Verlag enthielt immerhin einen fachspezifischen Teil »Wirtschafts- und Rechtswissenschaften«. Darin war die Rechtsdidaktik nur mit einem Beitrag vertreten: Marko Baumert, »Bitte (in)formieren Sie sich!« − Teilnehmerzentrierung juristischer Arbeitsgemeinschaften mit Beispielen aus dem öffentlichen Recht, WAR 2.2. Ein weiterer einschlägiger Beitrag fand sich in dem Teil »Präsentation und Visualisierung«: Werner Unger, Paragraphen und Graphik. Eine Methode der Visualisierung juristischen Lehrstoffs (WRB 3.1). In der (noch unvollständigen) Neuauflage sind diese Beiträge bisher nicht wieder abgedruckt. (Ungers Beitrag steht jetzt in stark erweiterter Form im Web zur Verfügung; dazu mein Post in »Recht anschaulich«). Es gab und gibt immerhin eine Rechtspädagogik für den Rechtskundeunterricht, insbesondere in Schulen. Aber, wie gesagt, es fehlt die Fachdidaktik für den juristischen Hochschulunterricht.
Anders in den USA und in England: In den USA gibt es seit 1950 das Journal of Legal Education. Es wird von der Association of American Law Schools herausgegeben und von dem Verlag West Publishing Company and Foundation Press an alle Hochschullehrer verteilt. Während meiner Aufenthalte in Madison und St. Louis habe ich immer gerne darin gelesen. Ich hatte den Eindruck, dass es sich um eine inhaltsreiche Zeitschrift mit hohem Qualitätsstandard handelt. Neuere Hefte waren mir nicht mehr zugänglich.
In England erscheint drei Mal jährlich herausgegeben von der Association of Law Teachers (ALT) im Verlag Sweet & Maxwell. »The Law Teacher: The International Journal of Legal Education«. Ich kenne die Zeitschrift bisher nicht, werde aber versuchen, Zugang zu bekommen.
Schon die allgemeine Hochschulpädagogik, die natürlich auch für die juristische Ausbildung relevant ist, ist in Deutschland kümmerlich. Eine aktuelle und umfangreiche Diskussion gibt es nur für den Bereich des E-Learning. Einen gewissen Überblick gibt Hochschuldidaktik online, herausgegeben vom HDZ der Universität Dortmund. In seinem jüngsten Editorial vom Februar 2008 meint dazu Prof. Dr. Dr. h.c. Johannes Wildt, die »Qualitätsoffensive in der Lehre« der Hochschulrektorenkonferenz und die »Exzellenzinitiative in der Lehre« des Stifterverbandes versprächen einen neuen Schub für die Qualitätsentwicklung im Studium und Lehre. Inzwischen hat am 7. Juli 2008 auch noch der Wissenschaftsrat den Zustand der Hochschullehre kritisiert und Änderungen angemahnt. Aber diese Euphorie trifft in den traditionellen Kernfächern, nicht zuletzt bei den Juristen, auf eine tiefsitzende Skepsis. »Didaktisierung« ist zum Buhwort geworden. Man befürchtet die fortschreitende Verschulung des Rechtsunterrichts, wie sie längst durch die Aufnahme juristischer Module in andere Fächer und die Ausbildung von Diplom-Juristen an Fachhochschulen in Gang gekommen ist und durch eine Bachelorisierung des Jurastudiums unvermeidlich würde.
Ich selbst nehme hier eine Zwischenposition ein. Einerseits geht es nicht ohne ein Minimum an Hochschuldidaktik. Schon vor nun wohl über 20 Jahren habe ich in der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität einen Fakultätsbeschluss durchgesetzt, nach dem jeder Habilitand mit der Anmeldung zur Habilitation den Nachweis über die Teilnahme an einer von der Zentrale der Ruhr-Universität angebotenen hochschuldidaktischen Veranstaltung vorlegen sollte. Andererseits graust auch mir vor einer weiteren Verschulung der juristischen Ausbildung, die ich allerdings als mehr oder weniger unvermeidlich kommen sehe. Ich dieser Situation wäre eine juristische Fachdidaktik hilfreich, um den Wissenschaftsanspruch der Jurisprudenz auch in der Ausbildung aufrecht zu erhalten.
Auf einige neue Ansätze zu einer juristischen Fachdidaktik, die mir in den letzten Monaten aufgefallen waren, habe ich an dieser Stelle bereits in den Beiträgen vom 23. 4. 2008 und 28. 6. 2008 hingewiesen. Mit diesem Beitrag will ich jetzt den Versuch unternehmen, einen Kreis interessierter Kolleginnen und Kollegen zu sammeln in der Hoffnung, dass es gelingt, diesen Kreis durch organisatorische Vorkehrungen auf Dauer zu stellen und ihm zur Wirksamkeit zu verhelfen. Dafür mag das Journal of Legal Education als Vorbild dienen.