Burri über soziologische Bildforschung

»Soziologie«, das Mitteilungsblatt der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, das für alle Mitglieder im Jahresbeitrag eingeschlossen ist, hat sich zu einer stattlichen Soziologie-Zeitschrift gemausert. Da vermutlich nicht alle Leser dieses Blogs Mitglieder der DGS sind, will ich auf einen Aufsatz hinweisen, der in Heft 1, 2009 von »Soziologie« erschienen ist: Regula Valérie Burri, Aktuelle Perspektiven soziologischer Bildforschung. Zum Visual Turn in der Soziologie (S. 24-39). Obwohl ich eigentlich glaubte, mit der Thematik vertraut zu sein, habe ich den Artikel mit Gewinn gelesen. Es setzt neue Akzente und zitiert andere Literatur. Mich irritiert ein bißchen der Akzent auf der konstruktivistischen Wissenschafts- und Technikforschung.
Burri selbst hat 2008 ein Buch mit dem Titel »Doing Images. Zur Praxis medizinischer Bilder« veröffentlicht, das mir bisher entgangen war. Auf der Verlagsseite gibt es eine Leseprobe mit großen Teilen des Aufsatzes.
Den Aufsatz habe ich als Legal McLuhanite natürlich daraufhin gelesen, was Burri über das Recht zu sagen weiß. Das ist so wenig, dass ich es hier wörtlich zitieren kann:

Während die oben beschriebene Perspektive auf die Bilder in der Wissenschaft die Entstehung wissenschaftlicher Evidenz in den Vordergrund rückt, haben sich die kulturwissenschaftlichen Ansätze in der Wissenschaftsforschung zunächst mit der Rolle visueller Repräsentationen bei der Bildung juristischer Evidenz beschäftigt, indem sie die Verwendung wissenschaftlich-technischer Bilder in der Expertenkultur der Rechtsprechung rekonstruieren. Diese Ansätze gehen davon aus, dass die Zulassung von Bildern als Beweismittel in Gerichtsprozessen als Gradmesser für die gesellschaftliche Durchsetzung und kulturelle Akzeptanz des wissenschaftlichen Wahrheitsanspruchs visueller Repräsentationen interpretiert werden kann.

Als Beleg werden zwei ältere Arbeiten von Golan und Gugerli zitiert. [1]T. Golan, The Authority of Shadows: The Legal Embrace of the X-Ray, Historical Reflections 24, 1998, 437-458, und D. Gugerli, Soziotechnische Evidenzen. Der »pictorial turn« als Chance für die … Continue reading Die Arbeit von Tal Golan ist mir nicht zugänglich. [2]Serendipity: Auf der Suche habe ich eine schöne Arbeit von Ramón Reichert, Erotisch-voyeuristische Visualisierungstechniken im Röntgenfilm, gefunden, die Golan zitiert: … Continue reading In meiner Kopiensammlung fand sich jedoch von demselben Autor eine jüngere Arbeit, die anscheinend den Inhalt der älteren einschließt. [3]Sichtbarkeit und Macht: Maschinen als Augenzeugen, in: Peter Geimer (Hg.), Ordnungen der Sichtbarkeit: Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, 2002, S. 171-210. Darin erzählt Golan, wie sich Fotografien und vor allem Röntgenbilder erst langsam als Beweismittel durchsetzten. Bei Fotografien ging es zunächst um Probleme, die wir in Deutschland unter dem Stichwort »Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme« einordnen würden. Bei den Röntgenbildern kam die Abwehr der Ärzte hinzu, die fürchteten, solche Bilder könnten Haftpflichtprozesse auslösen. Außerdem gab es anfangs Zweifel an der Echtheit solcher Bilder und Probleme wegen ihrer Interpretationsbedürftigkeit, die erst mit der Professionalisierung der Radiologie ganz ausgeräumt werden konnten. Das ist ein hübsches Stück Rechtsgeschichte ohne eine Spur soziologischer Theorie.

Meniskusschaden im MRT
Meniskusschaden im MRT

Der Aufsatz von Gugerli ist im Internet zugänglich. Hier wird die Geschichte des anfänglichen Widerstands gegen die Akzeptanz von Röntgenbildern und Magnetresonanztomographiebildern als Beweismittel mit wissenssoziologischem Vokabular aufgewertet. Aber auch hier kann ich weder eine Hypothese noch ihre Einbettung in soziologische Theorie entdecken. Ich würde das Stück als ein – fraglos berichtenswertes– Kapitel Technik- und Rechtsgeschichte einordnen. Die visuelle Rechtskommunikation ist Burri weitgehend entgangen. Das ist keine Kritik an ihrem Buch, denn das hatte ein anderes Thema. Aber ein Übersichtsaufsatz über soziologische Bildforschung bleibt auf diese Weise lückenhaft.
Der kulturwissenschaftliche Staubsauger, den Burri benutzt, packt nur, was lose auf der Oberfläche liegt. Das ist auch anderen schon so gegangen, etwa mit dem Sammelband »Bildregime des Rechts«. [4]So der Titel eines Tagungsbandes, hrsg. von Cornelia Vismann, Thomas Weitin und Jean Baptiste Joly, Akademie Schloss Solitude, 2007. Kulturwissenschaftler sind anscheinend nicht bereit, sich näher auf den Objektbereich, über den sie reden wollen, einzulassen. Deshalb geben sie sich schon zufrieden, wenn sie »Überschneidungen zwischen den Bilderwelten und den Welten des Gesetzes« entdeckt haben. Die finden sie leicht im forensischen Bildgebrauch – daher ja auch die Beispiele Burris – , in der Kunst, im Urheber- und im Medienrecht. So entgeht ihnen, dass das Recht als Kommunikationssystem selbst auf Speicher- und Verbreitungsmedien angewiesen ist und an den Bildern nicht mehr vorbeikommt.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 T. Golan, The Authority of Shadows: The Legal Embrace of the X-Ray, Historical Reflections 24, 1998, 437-458, und D. Gugerli, Soziotechnische Evidenzen. Der »pictorial turn« als Chance für die Geschichtswissenschaft, Traverse 3, 1999, 131-158.
2 Serendipity: Auf der Suche habe ich eine schöne Arbeit von Ramón Reichert, Erotisch-voyeuristische Visualisierungstechniken im Röntgenfilm, gefunden, die Golan zitiert: http://www.zeitenblicke.de/2008/3/reichert/index_html#d57e77.
3 Sichtbarkeit und Macht: Maschinen als Augenzeugen, in: Peter Geimer (Hg.), Ordnungen der Sichtbarkeit: Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie, 2002, S. 171-210.
4 So der Titel eines Tagungsbandes, hrsg. von Cornelia Vismann, Thomas Weitin und Jean Baptiste Joly, Akademie Schloss Solitude, 2007.

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Amerikanische Justizforschung

Tamanahas Kritik und Cristian Boulangers Kommentar waren Anlass, dem aktuellen Stand der amerikanischen Justizforschung nachzugehen. Dabei hat mir ein neuer Aufsatz von Joshua B. Fischman und David Law sehr geholfen (What Is Judicial Ideology, and How Should We Measure It? [October 19, 2008]. Washington University Journal of Law and Policy, Vol. 29, No. 1, 2008; verfügbar bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=1121228). Das Thema ist im Hinblick auf die Amtsübernahme eines neuen Präsidenten in Washington brandaktuell. Katja Gelinsky hat in der FAZ vom 2. 1. 2009 S. 10 berichtet, wie George W. Bush die Federal Courts im republikanischen Sinne geprägt hat. [1]Katja Gelinsky, Hoffen auf die Wende, FAZ Nr. 1 vom 2. 1. 2009, S. 10. Er hat nicht nur John G. Roberts Jr. als Nachfolger des Chief Justice William H. Rehnquist und Samuel Alito als Nachfolger von Sandra O’Connor nominiert, sondern auch mehr als ein Drittel der 678 Richter an den District Courts und der 179 Richter an den Courts of Appeal eingesetzt.
Die amerikanische Justizforschung ist andere Wege gegangen als die deutsche. Sie erhielt ihren ersten großen Anschub aus dem Widerstand des US Supreme Court gegen die New-Deal-Gesetzgebung Roosevelts. Von Anfang an lag sie in den Händen von Politikwissenschaftlern. Ihr gedankliches Fundament bezog sie von den Legal Realists mit der Folge, dass nicht die soziale Herkunft der Richter im Vordergrund stand, sondern die Vermutung, dass die Entscheidungen weitgehend von außerrechtlichen (»ideologischen«) Motiven gelenkt würden. Es boten sich auch ganz andere Anknüpfungspunkte für die Empirie. Die Richter am US Supreme Court und an den Bundesgerichten werden vom Präsidenten ernannt, haben also einen parteipolitisch gefärbten Start. Ihre Zahl ist geringer, die personelle Konstanz größer als bei uns. Dadurch und durch offene Abstimmungen sowie die Möglichkeit von Dissenting Votes gewinnen die einzelnen Richter Profil, das der Forschung viele Anknüpfungspunkte bietet. Während die deutsche Justizforschung resigniert hat, ist die amerikanische Justizforschung trotz mancher Kritik höchst lebendig. Inzwischen haben sich wohl über 200 Untersuchungen angesammelt. Dazu tragen Datenbanken bei, in denen die persönlichen Daten der Richter am US Supreme Court [2]States Supreme Court Database, zusammengestellt von Harold J. Spaeth (http://www.cas.sc.edu/poli/juri/sctdata.htm [5.1.09]). und an den Federal Courts [3]Courts of Appeals Database, zusammengestellt von Donald R. Songer (http://www.cas.sc.edu/poli/juri/appctdata.htm [5.1.09]). sowie ihr Abstimmungsverhalten über lange Zeiträume gesammelt und allgemein zugänglich sind.
Die amerikanische Justizforschung baut auf ein aus der Sozialpsychologie übernommenes Attitüdenmodell. Es behauptet, dass richterliche Entscheidungen bis zu einem näher zu bestimmenden Maß die Konsequenz aus Einstellungen zu allgemeinen politischen Fragen wie Stärkung der Bürgerrechte oder Regulierung der Wirtschaft seien. Man spricht geradezu von einem behavioral turn der Politikwissenschaft. Als Kontrastfolie dient das Subsumtionsmodell (legal model), nachdem die Entscheidung aus einer spezifischen Konstellation von Fakten und Rechtsnormen abgeleitet wird.
Im Kern geht es bei dem Attitüdenmodell darum, dass sich Gerichtsentscheidungen bis zu einem gewissen Grade auf die »Ideologie« der Richter zurückführen lassen. Die »Ideologie«, also die politische Einstellung, ist die unabhängige Variable, die die Urteile als abhängige Variablen erklären soll. Sie lässt sich nicht direkt beobachten, sondern kann nur mittelbar aus möglichst stichhaltigen Merkmalen erschlossen werden. Ein naheliegendes Merkmal ist die Parteizughörigkeit des Richters oder des ihn ernennenden Präsidenten. Es liegt aber kaum weniger nahe, aus dem Inhalt seiner Entscheidungen auf die politische Einstellung des Richters zu schließen. Gleich die erste große Untersuchung von Pritchett ging jedoch auf eine raffiniertere Weise indirekt vor, indem sie weder auf ein Hintergrundmerkmal noch auf den Inhalt der Entscheidungen abstellte, sondern nur fragte: Welcher Richter hat mit welchem anderen zusammen gestimmt? [4] C. Herman Pritchett, The Roosevelt Court. A Study in Judicial Politics and Values 1937-1947, 1948. Dazu wurden alle nicht einstimmig ergangenen Entscheidungen aus der Zeit von 1937 bis 1947 untersucht. Es stellte sich heraus, dass sich drei Gruppen von Richtern gebildet hatten, die mehr oder weniger oft gemeinsam abstimmten und die Pritchett einem liberalen und einem konservativen Flügel sowie einem Mittelblock zuordnete.
Den Rückschluss vom Inhalt ihrer Entscheidungen auf die Einstellung der Richter wurde 1969 erfolgreich von Joel B. Grosman erprobt. [5] Joel B. Grossman, A Model for Judicial Policy Analysis. The Supreme Court and the Sit-in-Cases, in: Grossman/Tanenhaus, Frontiers of Judicial Research, 1969, 405-460. Dazu wählte Grosman eine Fallgruppe, an der sich die Geister scheiden. Er stellte die Frage, wie die Richter des Supreme Court zwischen 1957 und 1967 auf 61 Verfassungsbeschwerden von Sitzdemonstranten geantwortet hatten. Sit-Ins waren in dieser Zeit das bevorzugte Kampfmittel der schwarzen Bevölkerung um den Zugang zu den sog. Public Accommodations, also zu Verkehrsmitteln, Kinos, Restaurants usw., von denen sie durch die privaten Eigentümer ausgesperrt wurden. Grosman stellte also die Frage, ob die Richter auf diesen »Reiz« zugunsten oder zu Ungunsten der Demonstranten reagiert hatten. Dabei zeigte sich erneut nicht nur ein bemerkenswert konstantes Abstimmungserhalten der einzelnen Richter, sondern es ergaben sich auch wieder drei Gruppen, eine liberale Gruppe aus den Richtern Douglas, Warren, Brennan und Goldberg, die in allen Fällen zugunsten der Demonstranten entschied, eine (konservative) Oppositionsgruppe von drei Richtern, die zwar viele einstimmig ergangene Entscheidungen zugunsten der Demonstranten mittrug, aber sich in kaum weniger Fällen doch zu einem dissenting vote gegen die Mehrheit zusammenfand. Und schließlich gab es noch zwei Richter, die zwar mehrheitlich den Demonstranten Recht gaben, sich aber keiner der beiden anderen Gruppen zuordnen ließen. [6]Noch immer lesenswert die ausführliche Darstellung und Würdigung der Untersuchungen von Pritchett und Grosman bei Raiser, Einführung in die Rechtssoziologie, (JA Sonderheft 9) 2. Aufl. 1973, S. … Continue reading Das Attitüden-Modell beherrscht bis heute die Forschung. Murphy, Epstein, Maltzman u. a. haben es allerdings zu einem Strategie-Modell umgebaut. [7]Walter F. Murphy, Elements of Judicial Strategy, University of Chicago Press, 1964; Walter F. Murphy/C. Herman Pritchett/Lee Epstein, Courts, Judges and Politics, Washington, DC: Congressional … Continue reading Danach verfolgen Richter ihre politischen Präferenzen im Einzelfall nur »strategisch«
– Sie nehmen Rücksicht auf die Positionen der anderen Richter im Kollegium. Dabei gibt es auch gruppendynamische Effekte.
Den statistischen Beweis führen Meinke und Scott. [8]Scott R. Meinke/Kevin M Scott, Collegial Influence and Judicial Voting Change: The Effect of Membership Change on U.S. Supreme Court Justices, Law & Society Review 41, 2007, 909-938. Ein anekdotisches Beispiel aus dem deutschen Kontext bietet das Urteil des BVerfG vom 9. 12. 2008 zur Pendlerpauschale (2 BvL 1/07). Die Presse vermutet, dass es sich um ein Geschenk des Senats an den neuen Richter und Senatsvorsitzenden Vosskuhle gehandelt haben könnte, der hier sein erstes Urteil zu verkünden hatte.
– Sie nehmen Rücksicht auf die Meinung und mögliche Reaktionen der Öffentlichkeit.
Eine Untersuchung, die 146 Entscheidungen des US Supreme Court aus der Zeit von 1934-1986 mit den Ergebnissen von Meinungsumfragen vergleicht, die etwa zur gleichen Zeit durchgeführt wurden, gelangt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidungen de facto überwiegend mit der Mehrheitsmeinung der Bevölkerung übereinstimmten. [9]Thomas R. Marshall, Public Opinion and the Supreme Court, Boston 1989
– Sie nehmen Rücksicht auf Reaktionen in der institutionellen Umgebung des Gerichts, d. h. auf mögliche Reaktionen der Verwaltung oder des Gesetzgebers. So könnte die Implementation einer Entscheidung vorhersehbar an der Bürokratie scheitern oder ein konservativer Gesetzgeber könnte eine liberale Entscheidung durch ein neues Gesetz unterlaufen.
Letztlich soll es aber auch nach dem strategischen Modell dabei bleiben, dass Richter auf ihre politischen Ziele hinarbeiten. Recht wird dabei mehr oder weniger nur als Restriktion angesehen, die man sozusagen opportunistisch respektieren muss.
Ganz gleich, ob das Votum eines Richters für eine bestimmte Entscheidung als abhängige oder als unabhängige Variable dienen soll, es muss zuvor codiert werden. Das ist nicht immer so einfach wie bei den Demonstrationsfällen in der Auswahl von Grosman. Aber im Großen und Ganzen gibt es doch eine erhebliche Übereinstimmung, welche Fälle als »Reiz« für unterschiedliche Reaktionen dienen können. Als »liberal« gelten etwa Entscheidungen für die Ausweitung von Bürgerrechten, für die Einschränkung oder Abschaffung der Todesstrafe, für die Erweiterung von Verfahrensrechten von Angeklagten, für die Rechte von Strafgefangenen, für Arbeitnehmerrechte, für die Ansprüche von Minoritäten, von Frauen und Homosexuellen, gegen die Einschränkung oder das Verbot der Abtreibung, für Asyl, für die Einschränkung des Waffenbesitzes, für Umweltschutzmaßnahmen, gegen Verwaltungsakte, die Individuen belasten. Die bloße Zweiteilung ist sehr grob. Dieselben Richter, die sich bei bestimmten Fallgruppen als »liberal« erweisen, können bei anderen auch »konservativ« stimmen. Das Ergebnis der Auszählungen zeigt regelmäßig einen dritte Gruppe, die sich keinem Lager zuordnen lässt.
Für die Zuordnung der Richter zu einer Einstellung dienen heute hauptsächlich vier unterschiedliche Codierungsverfahren.
(1) Das einfachste Merkmal, das sich aber als erstaunlich robust erwiesen hat [10]Eine Metastudie von 1999, die über 100 Einzeluntersuchungen heranzieht, bestätigt die verbreitete Ansicht, dass die Beziehungen eines Richters zu einer politischen Parteien als verlässlicher … Continue reading, ist die Parteizugehörigkeit des Präsidenten, der den Richter ernannt hat. Heute werden jedoch drei andere Merkmale bevorzugt.
(2) Segal-Cover-Scores: Die politische Einstellung der Richter wird aus der Einschätzung in den Leitartikeln von vier führenden Zeitungen ermittelt, die vor der Bestätigung der Richter durch den Kongress erscheinen. Dieser Wert hat es zu Wikipedia-Ehren gebracht.
(3) Martin-Quinn-Scores: Hier wird lediglich gezählt, ob der Richter für die Bestätigung oder für die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und wer dabei mit wem gestimmt hat. [11]Andrew D. Martin/Kevin M. Quinn, Dynamic Ideal Point Estimation via Markov Chain Monte Carlo for the United States Supreme Court, 1953-1999, Political Analysis 10, 2002, 134-153; Andrew D. Martin u. … Continue reading Die Maßzahl, die dabei herauskommt, soll auf einer Skala von 0 bis 1 den ideal point des Richters anzeigen, die Richtung, in der er Politik gestalten möchte. Die Martin-Quinn-Scores werden für jedes Jahr neu berechnet und können damit einen Einstellungswandel der Richter abbilden. Der ideological drift ist zurzeit ein heißes Thema; es wird behauptet, dass die meisten Richter während ihrer Amtszeit ihre politische Einstellung ändern. [12]Lee Epstein u. a., Ideological Drift Among Supreme Court Justices: Who, When, and How Important? http://www.law.northwestern.edu/lawreview/Colloquy/2007/8/ [5.1.2009].
(4) Die politische Einstellung der Richter wird aus ihrem Entscheidungsverhalten ermittelt (behavioral assessment). Ein Richter wird also als »liberal« eingestuft, wenn er für »liberale« Urteile votiert und umgekehrt. Das ist der Weg, den Grosman zuerst eingeschlagen hatte. Damit kein Zirkelschluss herauskommt, eignet sich die so gewonnene Einstufung als unabhängige Variable nur für Fälle, die nicht schon der Einstufung zugrunde lagen.
Fischman und Law haben alle vier Methoden durchgerechnet und bei allen statistisch signifikante Ergebnisse erhalten. Allerdings führen – so Fischman und Law – die Martin-Quinn-Scores und das behavioral assessment zu den genauesten Vorhersagen. Die Schwankungsbreite ist dennoch erheblich, und die Interpretation der Zahlen bleibt schwierig. Das gilt zunächst, weil viele Entscheidungen, und zwar auch solche, die sich als »liberal« oder »konservativ« einordnen lassen, einstimmig ergehen. Und das gilt ferner, weil strategisches Richterverhalten nicht erfasst werden kann. Schließlich weisen Fischman und Law auf eine besondere Problematik des Ideologiebegriffs hin, die sich daraus ergibt, dass sich auch bestimmte juristische Grundeinstellungen als »ideologisch« ansehen lassen, ohne dass sie von vornherein politisch sein müssten. Das gilt in den USA insbesondere für die Methoden der Verfassungsauslegung, für originalism und textualism auf der einen sowie für intentionalism und das Prinzip der living constitution auf der anderen Seite.
Die Juristen in den USA haben sich mit dem Attitüdenmodell der Politikwissenschaft, nachdem Richter bei ihren Entscheidungen in erster Linie ihren politischen Vorstellungen folgen, nicht anfreunden können. Ungeachtet aller empirischen Untersuchungen bestehen sie darauf, dass Richter sich durch das Recht, und das heißt in den USA vor allem, von Präjudizien, leiten lassen. Man sieht eine Kluft zwischen Politikwissenschaft und öffentlichem Recht, und verlangt, das Recht ernst zu nehmen. [13]Barry Friedman, Taking Law Seriously. Perspectives on Politics, Bd. 4, No. 2, Juni 2006; verfügbar bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=896921. Tamanaha macht geltend, die Politikwissenschaft habe sich durch das Subsumtionsmodell in die Irre führen lassen. Juristen selbst hätte nie daran geglaubt, dass sie das Recht umstandslos mit logischen Schlüssen allein aus Tatsachen und Rechtsnormen ableiten könnten, und auch die Legal Realists seien nicht so unrealistisch gewesen, das zu unterstellen. Die Rezeption ihrer Schriften habe jedoch den Mythos von Jurisprudenz und Rechtsprechung als mechanischen Tätigkeiten begründet, nach dem Juristen kein Recht schafften, sondern es nur anwendeten. Die Politikwissenschaft habe es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihren quantitativen Untersuchungen, diesen Mythos zu widerlegen, indem sie den politischen Charakter der Rechtsprechung beweise. Damit reite sie auf einem tiefsitzenden Vorurteil und gebe dem Nachweis, das Normen, Präjudizien und Rechtsprinzipien die Entscheidung leiten könnten, keine Chance.
Letztlich geht es bei dieser – wie bei vielen anderen Kontroversen auch – wohl eher um ein Missverständnis. Es folgt daraus, dass Juristen die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen zur Kenntnis nehmen, ohne die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Methoden zu bedenken. Umgekehrt tragen die Politikwissenschaftler zu diesem Missverständnis bei, indem sie mit missionarischem Eifer einen Popanz in Juristenköpfen zu bekämpfen versuchen. Sie erscheinen auch dadurch als befangen, weil sie ihren Blick ganz überwiegend nur auf den Supreme Court legen, die relativ unpolitische Arbeit der anderen Gerichte aber vernachlässigen. [14]Neuere Untersuchungen der Urteile anderer Gerichte kommen daher auch zu viel differenzierteren Ergebnissen (David E. Klein, Making Law in the United States Court of Appeals, Cambridge University … Continue reading
Fischman und Law verteidigen die empirische Justizforschung gegen Kritik, die in jüngerer Zeit aufgekommen ist, darunter auch die Kritik von Tamanaha. Der Weg, den sie dazu einschlagen, führt durch eine minutiöse Darstellung der vielen Probleme, die empirische Untersuchungen richterlichen Entscheidungsverhaltens mit sich bringen. Die Autoren beginnen mit dem unklaren Ideologiebegriff und führen durch die Schwierigkeiten der Messbarmachung und Operationalisierung der Variablen bis hin zu den verschiedenen statistischen Modellen. Damit wollen sie bekämpfen, was interdisciplinary ignorance genannt wird, nämlich die Unfähigkeit vieler Juristen, die Ergebnisse quantitativer Sozialforschung angemessen zu interpretieren. Der Artikel mit seinen 53 eng bedruckten Seiten steht bei SSRN zum Download zur Verfügung.

Nachtrag vom 8. 12. 2009: Zum Thema jetzt William M. Landes, Richard A. Posner, Rational Judicial Behavior: A Statistical Study, in der neuen Online-Zeitschrift Journal of Legal Analysis 1, 2009, Heft 2. Hier das Abstract:

This paper analyzes the connection between ideology and voting of judges using a large sample of court of appeals cases decided since 1925 and Supreme Court cases decided since 1937. The ideological classifications of votes (e.g., liberal or conservative) are dependent variables in our empirical analysis and the independent variables include the party of the appointing President, the relative number of Republican and Democratic Senators at the time of the judge‘s confirmation, the appointment year, characteristics of the judge (e.g., gender, race and prior experience), and the ideological make-up of the judges on the court in which the judge sits as measured by the relative number of judges appointed by Republican and Democratic Presidents. We have a number of interesting results, including how a judge‘s voting‘s is affected by the voting of the other judges he serves with. We find a political-polarization effect among Justices appointed by Democratic but not by Republican Presidents; that is, the fewer the judges appointed by Democratic Presidents, the more liberally they vote. With regard to court of appeals judges, we find a conformity effect: if the number of judges appointed by Republican Presidents increases (decreases) relative to the number appointed by Democratic Presidents, all judges in the circuit tend to vote more conservatively (more liberally).

Nachtrag vom 7. 4. 2021: Zum Einfluss politischer Parteien auf die Bestellung von Richtern und ihre Entscheidungen

Stolzenberg, Ross and Lindgren, James T., Judges as Party Animals: Retirement Timing by Federal Judges and Party Control of Judicial Appointments (March 23, 2021). Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=3810451 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3810451 .
Nachtrag vom 13. 10. 2022: Die Thematik erhält eine neue Wendung durch die Entwicklung künstlicher Intelligenz. In den USA werden Programme entwickelt, mit deren Hilfe verfügbare Daten individueller Richter ausgewertet werden, um seine Entscheidungen vorhersehbar zu machen. Diese Programme arbeiten mit der Prämisse, das einzelne Richter aus einer politischen oder religiösen Perspektive urteilen, die sich aus Mustern in den von ihnen verfügbaren Daten herausfinden lässt. Konstantin Kuchenbauer (Der Gläserne Richter, JZ 2021, 647-655) sieht in der Verwendung solcher Programme einen Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit. Er übergeht allerdings die Frage, ob sie nicht zu wissenschaftlichen Zwecken i. S. des Art. 85 DS-GVO gerechtfertigt sein könnte. Auch seine Ansicht, dass »eine softwarebasierte Datenanalyse zur Vorhersehbarkeit richterlicher Entscheidungen für die breite Öffentlichkeit nicht von Interesse« sei, ist diskussionswürdig.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Katja Gelinsky, Hoffen auf die Wende, FAZ Nr. 1 vom 2. 1. 2009, S. 10.
2 States Supreme Court Database, zusammengestellt von Harold J. Spaeth (http://www.cas.sc.edu/poli/juri/sctdata.htm [5.1.09]).
3 Courts of Appeals Database, zusammengestellt von Donald R. Songer (http://www.cas.sc.edu/poli/juri/appctdata.htm [5.1.09]).
4 C. Herman Pritchett, The Roosevelt Court. A Study in Judicial Politics and Values 1937-1947, 1948.
5 Joel B. Grossman, A Model for Judicial Policy Analysis. The Supreme Court and the Sit-in-Cases, in: Grossman/Tanenhaus, Frontiers of Judicial Research, 1969, 405-460.
6 Noch immer lesenswert die ausführliche Darstellung und Würdigung der Untersuchungen von Pritchett und Grosman bei Raiser, Einführung in die Rechtssoziologie, (JA Sonderheft 9) 2. Aufl. 1973, S. 39-49. In den »Grundlagen der Rechtssoziologie« (2007) ist davon nicht mehr die Rede.
7 Walter F. Murphy, Elements of Judicial Strategy, University of Chicago Press, 1964; Walter F. Murphy/C. Herman Pritchett/Lee Epstein, Courts, Judges and Politics, Washington, DC: Congressional Quarterly Press 1997.
8 Scott R. Meinke/Kevin M Scott, Collegial Influence and Judicial Voting Change: The Effect of Membership Change on U.S. Supreme Court Justices, Law & Society Review 41, 2007, 909-938.
9 Thomas R. Marshall, Public Opinion and the Supreme Court, Boston 1989
10 Eine Metastudie von 1999, die über 100 Einzeluntersuchungen heranzieht, bestätigt die verbreitete Ansicht, dass die Beziehungen eines Richters zu einer politischen Parteien als verlässlicher Indikator für eine »ideologische« Rechtsprechung gelten können (Daniel R. Pinello, Linking Party to Judicial Ideology in American Courts: A Meta-Analysis, The Justice System Journal 20, 1999, 219-254, verfügbar unter http://www.danpinello.com/Meta-Analysis.htm).
11 Andrew D. Martin/Kevin M. Quinn, Dynamic Ideal Point Estimation via Markov Chain Monte Carlo for the United States Supreme Court, 1953-1999, Political Analysis 10, 2002, 134-153; Andrew D. Martin u. a., The Median Justice on the United States Supreme Court, N.C. L. REV. 83, 2005, 1275 (verfügbar unter http://www.law.nyu.edu/ecm_dlv/groups/public/@nyu_law_website__academics__colloquia__law_economics_and_politics/documents/documents/ecm_pro_059079.pdf) Die statistischen Methoden kann ich nicht nachvollziehen. Eine für Juristen bestimmte Erläuterung bietet Ward Farnsworth, The Use and Limits of Martin-Quinn Scores to Assess Supreme court Justices, Northwestern University School of Law Review Colloquy 101, 2007, 142-154 (http://www.law.northwestern.edu/lawreview/colloquy/2007/11/LRColl2007n11Farnsworth.pdf).
12 Lee Epstein u. a., Ideological Drift Among Supreme Court Justices: Who, When, and How Important? http://www.law.northwestern.edu/lawreview/Colloquy/2007/8/ [5.1.2009].
13 Barry Friedman, Taking Law Seriously. Perspectives on Politics, Bd. 4, No. 2, Juni 2006; verfügbar bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=896921.
14 Neuere Untersuchungen der Urteile anderer Gerichte kommen daher auch zu viel differenzierteren Ergebnissen (David E. Klein, Making Law in the United States Court of Appeals, Cambridge University Press, 2002; Frank B. Cross, Decision Making in the U.S. Court of Appeals, Stanford Univ. Press 2007).

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Der Emeritus als Privatgelehrter

Mit der Emeritierung verabschiedet man sich in aller Regel von einem Mitarbeiterstab, von seiner über Jahre hin aufgebauten Handbibliothek und von der Ausstattung mit Geldmitteln für neue Bücher, Reisen und was man sonst noch so brauchen kann. Man behält ein kleines Zimmer mit Telefon und einem Computer älteren Datums. Darüber hinaus gibt es Kollegen, die ihre Hilfsbereitschaft zusichern, die man aber doch ungern so oft in Anspruch nimmt, wie man sie brauchen könnte. So wird man denn zum Privatgelehrten. Der Schwerpunkt der Arbeit verlagert sich in das häusliche Arbeitszimmer, wo im Zweifel der bessere Computer steht und wo sich im Laufe der Jahre auch eine private Bibliothek angesammelt hat. Da kann man nun versuchen, den Anschluss an sein altes Fach zu halten, sich von Zeit zu Zeit mit Veröffentlichungen, Vorträgen oder der Neuauflagen seiner alten Bücher zu Wort zu melden und voller Selbstmitleid den Verlust aller wesentlichen Ressourcen beklagen. Reflektiert man dann aber die eigenen Arbeitsbedingungen, so muss das Urteil gar nicht so trübe ausfallen. Erst jetzt lernt man den Kollegen Computer richtig zu schätzen. Er hilft mit Datenbanken und bringt Dokumentenlieferdienste auf Trab. Die im Internet ohne den Gang zu Bibliothek erreichbaren Materialien haben einen solchen Umfang angenommen, dass man sie nicht gar mehr ausschöpfen kann. Man muss zwar vorsichtiger sein als mit gedruckten Büchern. Das Internet ist ein großer Selbstverlag, in dem jeder ohne Kontrolle publizieren kann. Doch viele Autoren stellen auch bereits gedruckte oder noch zu druckende Arbeiten ins Netz, weil sie aus gutem Grund annehmen, dass man sie sonst kaum lesen würde. Andere, und sie werden zahlreicher, veröffentlichen ihre Arbeiten von vornherein unter einer Creative Commons Lizenz oder stellen sie gar in die Public Domain. Auf technische Hilfe und materielle Ressourcen ist jedenfalls der Geisteswissenschaftler gar nicht mehr so sehr angewiesen.
Vielleicht kann er sich sogar eine kleine Nische erobern, weil er anders arbeitet, insbesondere andere Quellen heranzieht, als die aktiven Kollegen. Wer den Gang zur Bibliothek Hilfskräften überlässt und die Bücher nicht selbst aus dem Regal holt oder wer gar nur noch mit Kopien arbeitet, die er sich aus Büchern und Zeitschriften anfertigen lässt, dem entgehen viele Kollateralfunde. So nenne ich Informationen, nach denen ich nicht unmittelbar gesucht habe, die auch gar nicht direkt zum Thema gehören müssen, die mir aber doch beim Stöbern auffallen, die aus eingefahrenen Gedankengeleisen herausführen können und die sich nicht selten in die laufende Arbeit einbauen lassen. Noch viel häufiger ist solcher Beifang beim Surfen im Internet. Deshalb bekommt er auch gleich einen neuen Namen: Serendipity-Effekt. Beim Gugeln (kein Schreibfehler) nach bestimmten Informationen stoße ich immer wieder auf andere, die ich im Augenblick gar nicht gesucht habe, die aber doch interessant und relevant erscheinen, und die ich, hätte ich sie direkt gesucht, vielleicht gar nicht gefunden hätte.
Was der Emeritus am meisten entbehrt, ist das tägliche Gespräch mit Mitarbeitern und Studenten. Dafür ist das Internet nur ein dürftiger Ersatz. Es zeigt sich, dass – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – die Interaktivität, für die das Internet so gepriesen wird, bloße Möglichkeit bleibt. So dient mein Weblog vor allem dem (vernehmbaren) Selbstgespräch.
Kann man den Privatgelehrten unserer Tage vielleicht sogar beneiden? So abwegig ist die Frage nicht. Bachelorisierung der Studiengänge und Modularisierung des Stoffes einschließlich der zugehörigen Prüfungsverpflichtungen darf er anderen überlassen. (Meine Nachfolgerin durfte zum Semesterschluss gerade 420 Rechtsphilosophieklausuren korrigieren.) Man hört und liest von der auch in der Universität überall spürbaren Kommerzialisierung, von der drängenden Forderung nach Effizienz, von permanenter Evaluation, die messbaren Output und Erfolge bei der Gewinnung von externem Geld zum Maßstab nimmt. Vor aller Forschung kommt heute das Schreiben von Drittmittelanträgen. Die schwierige Situation der aktiven Professoren war im Sommer mehrfach Thema in der FAZ (Heike Schmoll, Die Omnipräsenz der Professoren im Wissenschaftstourismus, F.A.Z., 12.06.2008, Nr. 135 / Seite 8; Alexander Kosenina, Der Vollzeitprofessor stirbt langsam aus, FAZ, 12.06.2008, Nr. 135 / Seite 41; Leserbrief »Wo bleibt der Protest der Hochschullehrer?« von Prof. Dr. Horst Haider Munske, F.A.Z., 30.06.2008, Nr. 150 / Seite 9). Der Emeritus bleibt von alledem ziemlich unberührt und kann unbesorgt zwischen Schreibtisch und Golfplatz pendeln.
Dienen solche Überlegungen nur der Dissonanzreduktion? Es bleibt das Problem: Der Privatgelehrte weiß nicht, was ihm entgeht, weil er es nicht erlebt.

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Eine Diskussion über H. L. A. Harts Anerkennungsregel

Was für die Rechtstheorie in Österreich und Deutschland Kelsens Grundnorm, das ist für England und die USA Harts »rule of recognition«. Der Unterschied liegt darin, dass die Grundnorm (wie ich sie verstehe) eine bloße Denkvoraussetzung in Sinne der Philosophie des Als-Ob bildet, während die rule of recognition eine empirisch greifbare Basisnorm meint, die allerdings nicht als förmlicher Rechtstext gefasst sein muss. Der richtige Vergleichspunkt für die rule of recognition ist daher gar nicht die Grundnorm, sondern die höchste positive Norm im Stufenbau der Rechtsordnung. Wenn man konkret auf eine bestimmte Rechtsordnung sieht, so geht es um die zentralen Kompetenznormen der Verfassung. In der Allg. Rechtslehre (S. 318 f.) ordnen wir die Lehre Harts als Anerkennungstheorie ein. Aber das ist doch sehr grob.
Wer einen feineren Theorievergleich unternehmen will, dem hilft jetzt ein Aufsatz von Scott J. Shapiro, What is the Rule of Recognition (and Does it Exist)? Und vielleicht das ganze Buch, in dem er erscheinen soll (The Rule of Recognition And the U.S. Constitution, herausgegeben von Matthew Adler und Kenneth Himma, Oxford University Press, 2009). Shapiros Aufsatz (auf den ich natürlich einmal wieder durch Lawrence L. Solum aufmerksam geworden bin) steht jedenfalls zur Zeit noch bei SRRN zum Abruf bereit.
Hier das Abstract:

One
of the principal lessons of The Concept of Law is that legal systems are not only comprised of rules, but founded on them as well. As Hart painstakingly showed, we cannot account for the way in which we talk and think about the law – that is, as an institution which persists over time despite turnover of officials, imposes duties and confers powers, enjoys supremacy over other kinds of practices, resolves doubts and disagreements about what is to be done in a community and so on – without supposing that it is at bottom regulated by what he called the secondary rules of recognition, change and adjudication.

Given this incontrovertible demonstration that every legal system must contain rules constituting its foundation, it might seem puzzling that many philosophers have contested Hart’s view. In particular, they have objected to his claim that every legal system contains a rule of recognition. More surprisingly, these critiques span different jurisprudential schools. Positivists such as Joseph Raz, as well as natural lawyers such as Ronald Dworkin and John Finnis, have been among Hart’s most vocal critics. In this essay, I would like to examine the opposition to the rule of recognition. What is objectionable about Hart’s doctrine? Why deny that every legal system necessarily contains a rule setting out the criteria of legal validity? And are these objections convincing? Does the rule of recognition actually exist?

This essay has five parts. In Part One, I try to state Hart’s doctrine of the rule of recognition with some precision. As we will see, this task is not simple, insofar as Hart’s position on this crucial topic is often frustratingly unclear. I also explore in this part whether the United States Constitution, or any of its provisions, can be considered the Hartian rule of recognition for the United States legal system. In Part Two, I attempt to detail the many roles that the rule of recognition plays within Hart’s theory of law. In addition to the function that Hart explicitly assigned to it, namely, the resolution of normative uncertainty within a community, I argue that the rule of recognition, and the secondary rules more generally, also account for the law’s dexterity, efficiency, normativity, continuity, persistence, supremacy, independence, identity, validity, content and existence. In Part Three, I examine three important challenges to Hart’s doctrine of the rule of recognition. They are: 1) Hart’s rule of recognition is under- and over-inclusive; 2) Hart cannot explain how social practices are capable of generating rules that confer powers and impose duties and hence cannot account for the normativity of law; 3) Hart cannot explain how disagreements about the criteria of legal validity that occur within actual legal systems, such as in American law, are possible. In Parts Four and Five, I address these various objections. I argue that although Hart’s particular account of the rule of recognition is flawed and should be rejected, a related notion can be fashioned and should be substituted in its place. The idea, roughly, is to treat the rule of recognition as a shared plan which sets out the constitutional order of a legal system. As I try to show, understanding the rule of recognition in this new way allows the legal positivist to overcome the challenges lodged against Hart’s version while still retaining the power of the original idea.

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»Anti-Court-Movement«

Unter dem Chief Justice Earl Warren war der US Supreme Court eine Speerspitze des Liberalismus. Inzwischen dominieren unter Rehnquist und nach dessen Tod seit 2005 unter John Roberts konservative Kräfte das Gericht, und sie kassieren Gesetze und Präjudizien, die nicht nach ihrem Geschmack sind. So jedenfalls sieht es eine wachsende Gruppe linksliberaler Rechtswissenschaftler in den USA, die deshalb auf unterschiedliche Weise die Macht des Verfassungsgerichts zurückdrängen wollen. Ihre Kritik richtet sich nicht speziell gegen die Entscheidung bestimmter einzelner Fälle, sondern sie machen geltend, dass Gericht zu viele Fälle an sich ziehe und zu wenig Entscheidungen der Politik überlasse. Anwälte und Gerichte behandelten Konflikte, die besser durch das Wahlvolk entschieden würden. In einer Rezensionsabhandlung in Law & Social Inquiry 33 (2008) 1071-1110 geht Josh Benson diesem »Anti-Court-Movement« nach. Dazu bespricht er Bücher von Larry D. Kramer (The People Themselves: Popular Constitutionalism and Judicial Review, 2004), Jeffrey Rosen (The Most Democratic Branch: How the Courts Serve America, 2006) Cass R. Sunstein (One Case at a Time: Judicial Minimalism and the Supreme Court, 1999) und Mark V. Tushnet (Taking the Constitution Away from the Courts, 1999). Diese Kritik, so Benson, habe in der politischen Öffentlichkeit eine enorme Wirkung. »Restraint« und »minimalism« seien zu neuen Leitideen geworden. Neben der ökonomischen Analyse des Rechts könnte das »Anti-Court-Movement« zum stärksten Impuls werden, der von der Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten ausgegangen sei. In seinem lesenswerten Besprechungsaufsatz geht Benson den historischen Wurzeln und den aktuellen Ausprägungen dieser Gerichtskritik nach, nicht ohne auf die Dilemmata der liberalen Minimalisten hinzuweisen: Den judicial activism des Warren Court fanden sie gar nicht so schlecht. Und der Richter John Roberts, der sich 2005 bei seiner Anhörung im Parlament als Minimalist gab, scheint sich nun doch ganz anders entwickelt zu haben.
Benson endet:

In the 1930s, the first liberal Anti-Court Movement bloomed. Its history, though tumultuous, is at least familiar. The Anti-Court idea is one liberals habe embraced before, then turned against, then embraced again. As Mark Twain observed, the past does not repeat itself, but it rhymes.

Das schöne Twain Zitat ergibt den Titel von Bensons Essay.
Hier noch zwei Internetquellen zum Thema:
In einer ausführlichen Rezension des Buchs von Larry D. Kramer, The People Themselves, haben Larry Alexander und Lawrence B. Solum dem Konzept des Popular Constitutionalism Unklarheit und Widersprüchlichkeit vorgehalten: Popular? Constitutionalism?, Harvard Law Review 118 (2005) 1594-1640. Verfügbar bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=692224.
Ob der »Roberts Court« tatsächlich als konservativ gelten muss, ist durchaus kontrovers. Dazu Jonathan H. Adler, Getting the Roberts Court Right: A Response to Chemerinsky (November 2008), verfügbar bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=1307177. Aus dem Abstract:

Reviewing the Court’s decisions over the past three years, Dean Chemerinsky concludes that the Roberts Court is the “the most conservative Court since the mid-1930s.” This is a substantial overstatement. The Roberts Court appears moderately more “conservative” than its predecessors in some contexts, but is also quite “liberal” in others. Its decisions on enemy combatants, capital punishment, and standing, among other issues, could hardly be characterized as “conservative,” however this term is defined. Furthermore, any assessment of the Roberts Court at this point is necessarily tentative. The current roster of justices have sat together for less than three full terms, and the small size of the docket means any single term provides an unrepresentative picture of the Court’s jurisprudence. While the Roberts Court may eventually show itself to be a conservative court, there is no basis at present to claim the Court is the “most conservative” in over seventy years.

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Internetquellen zur Rechtsdidaktik in den USA und in England

Eine umfassende Übersicht zur juristischen Fachdidaktik in den USA bietet die Webseite der University of Minnesota Law School: Teaching Tools for Law School Faculty, zusammengestellt von Mary Jo Norton. Leider führen die meisten Links auf die Seite von West Publishing, die nicht offen zugänglich ist. Deshalb will ich noch auf vier neuere Aufsätze hinweisen, die alle als Volltext von einem der SSRN-Server heruntergeladen werden können.
Howard E. Katz / Kevin Francis O’Neill, Strategies and Techniques of Law School Teaching: A Primer for New (And Not So New) Professors, Research Paper 07-144, Juli 2007.
John O. Sonsteng, A Legal Education Renaissance: A Practical Approach for the Twenty-First Century, William Mitchell Law Review, 34, No. 1, 2007; William Mitchell Legal Studies Research Paper No. 89 (2008).
Deborah Jones Merritt, Legal Education in the Age of Cognitive Science and Advanced Classroom Technology (August 2007). Ohio State Public Law Working Paper No. 94; Center for Interdisciplinary Law and Policy Studies Working Paper No. 63.
Merritt, Deborah Jones, Bias, the Brain, and Student Evaluations of Teaching (Januar 2007). Ohio State Public Law Working Paper No. 87.
Und nun nach England:
Transforming Legal Education: Auf dieser Seite wird ein Buch von Paul Maharg, Learning and Teaching Law in the Early Twenty-First Century, 2007, angezeigt. Die Seite enthält außerdem ein recht lebendiges Weblog sowie ein Wiki. Zum Wiki habe ich mich bisher nicht angemeldet.
The UK Centre for Legal Education an der Universität Warwick. Auch in dieser Seite habe ich nur ganz vorläufig geblättert. Für schnell Entschlossene: Am 23. und 24. Januar 2009 gibt es in Warwick eine Learning in Law Annual Conference.

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Ein Hamburger Team auf der Fährte der Rechtsdidaktik

Gestern war ich in Hamburg zu einer Exkursion in das »Lehrreich« der Fakultät für Rechtswissenschaft. In einer Veranstaltung mit Justizsenator und Vorträgen, Workshops, Podiumsdiskussion und Posterausstellung zeigte die Fakultät ihre Anstrengungen zur Evaluation und zur Verbesserung der juristischen Ausbildung vor. Bemerkenswert fand ich den kooperativen Umgang von Professoren mit Mitarbeitern und umgekehrt, der fröhlichen Teamgeist ausstrahlte. Beeindruckt hat mich das »Impulsreferat« von Judith Brockmann, Jan-Hendrik Dietrich und Arne Pilniok mit der Überschrift »Rechtswissenschaftliche Fachdidaktik: ein ungehobener Schatz?«. Es wurde von Arne Pilniok glänzend vorgetragen. Auf der Rückfahrt habe ich auch das ausgearbeitete Manuskript gelesen. Die Autoren beklagen den fehlenden fachspezifischen Zugang der Hochschuldidaktik und die Konzentration der Debatte um die Juristenausbildung auf die Systemfrage. Aber dabei bleiben sie nicht stehen. Sie sehen in den aktuellen Hochschulreformen einen Impulsgeber für die Lehre und zeigen den Weg, der zu einer rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik führen könnte: Auch wenn sie dabei auf die allgemeine Hochschuldidaktik zurückgreifen, so bleiben sie doch stets ganz nahe an den spezifischen Anforderungen des juristischen Studiums. Es ist zu hoffen, dass das Manuskript bald veröffentlich wird.
Am Rand der Veranstaltung bin ich im Multimediagarten auf eine neue Pflanze gestoßen. Zum Coffee-to-Go gibt es jetzt auch die Lecture-to-Go. Für andere ist das vielleicht ein alter Hut (vgl. http://www.insidehighered.com/news/2008/09/23/capture). Aber ich finde es nicht selbstverständlich, dass Präsenzveranstaltungen routinemäßig aufgezeichnet und den Teilnehmern und möglicherweise einem weiteren Personenkreis über das Inter- oder Intranet zugänglich gemacht werden. Der Legal McLuhanite in mir überlegt, wie es sich auf das Verhalten auswirkt, wenn die Beteiligten wissen, dass jede Geste und jedes Wort festgehalten werden. Müssen sie dabei nicht sozusagen einen performativen Widerspruch abarbeiten? Ohnehin leidet die Performanz in Präsenzveranstaltungen heute schon unter dem technischen Overhead (der auch in Hamburg nicht pannenfrei zu haben war). Und der Jurist überlegt, dass hier Persönlichkeitsrechte der Zuhörer, die ins Bild kommen, tangiert werden könnten. Ferner stellen sich urheberrechtliche Fragen, und zwar nicht nur hinsichtlich des Vortrags selbst, sondern auch hinsichtlich des möglicherweise nicht gemeinfreien Materials, dass der Vortragende zitiert.
Nachtrag vom 30. 1. 2009: Die Lecture-to-go wird anscheinend zur Übung. Aus einer Pressemitteilung der Universität Leipzig: Jede Vorlesung im Bereich Angewandte Telematik/e-Business der Universität Leipzig wird ab sofort als Video (in Form eines Screencasts) und als MP3 zum Download angeboten. Dafür werden in den Vorlesungen die Erläuterungen der Dozenten zusammen mit den Folien aufgezeichnet, für das Internet aufbereitet und zum Download oder zum online Anschauen veröffentlicht. Im Screencast können gezielt Inhalten gesucht und einzelne Kapitel beliebig wiederholt werden.

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Tamanaha über das problematische Erbe der Legal Realists

Brian Z. Tamanaha ist einer der aktivsten und interessantesten Autoren auf dem Gebiet der Rechtssoziologie und Rechtstheorie in den USA. Er versteht es immer wieder, lang eingefahrene Gedankengänge aus dem Gleis zu werfen. Im Social Science Research Network (SSRN) sind zurzeit fünf jüngere Arbeiten verfügbar. Die vollständigen bibliographischen Angaben kommen gleich ins Fundbüro. Hier nur die Titel und der Link:
A Concise Guide to the Rule of Law (2007)
The Dark Side of the Relationship between the Rule of Law and Liberalism, Januar (2008)
Law (Oxford International Encyclopedia of Legal History, 2008)
The Bogus Tale About the Legal Formalists (April 2008)
Understanding Legal Realism (Mai 2008)
The Distorting Slant of Quantitative Studies of Judging (November 2008).
In der letztgenannten Arbeit kritisiert Tamanaha die Politikwissenschaft, die sich bei ihren Untersuchungen über richterliches Entscheidungsverhalten von einem Mythos leiten lasse. Rechtssoziologie im 20. Jahrhundert wäre ohne die Legal Realists nicht denkbar. Aber sie haben ein problematisches Erbe hinterlassen, nämlich die Vorstellung, dass Juristen, Richter wie Wissenschaftler, tatsächlich selbst an das Lückenlosigkeitsdogma und das Subsumtionsdogma geglaubt hätten. Die Legal Realists haben aber nur explizit gemacht und auf die Spitze getrieben, was Juristen eigentlich immer schon wussten. Das hatte jedoch zur Folge, dass nunmehr die Vorstellung, Juristen hätten tatsächlich an die Möglichkeit einer mechanischen Jurisprudenz geglaubt, das 20. Jahrhundert beherrschte. Tamanaha spricht von einem »Bogus Tale about the Legal Formalists«. Darauf hat sich alsbald die Politikwissenschaft gestürzt, um nachzuweisen, dass im Gegenteil alles Recht politisch sei. In ihrer Fixierung auf einen Popanz habe sie dabei übersehen, dass die Wahrheit in der Mitte liege und dass eben doch juristische Entscheidungen mehr oder weniger durch Recht geleitet würden. Hier Tamanahas eigene Zusammenfassung:

One of the hottest areas of legal scholarship today involves quantitative studies of judging. This article will attempt to shift the current orientation of this work by making two basic points. The first point is that the field was born in a collection of false beliefs and misunderstandings about the formalists and the realists which has distorted how political scientists have modeled judging and how they have designed and interpreted their studies. Rather than conduct an open inquiry into the nature of judging, political scientists set out to debunk formalism by proving that judging is infused with politics, a mission that warped the development of the field.
The second point is that the results of their studies below the Supreme Court strongly confirm what judges have been saying for many decades – that their judicial decisions are substantially determined by the law. Political scientists have tended to repress this finding, however, by focusing on the wrong point: repeating time and again that their studies show that politics matters without also emphasizing that it matters very little. A balanced realism about judging accepts that – owing to the uncertainty of law and the inherent limitations of human decision makers – it is inevitable that there will be a certain (minimal) degree of political influence in judicial decision making, but this does not detract from the broader claim that judges can and usually do rule in accordance with the law.

Nachtrag vom 24. Mai 2010:
Die drei zuletzt genannten Manuskripte Tamanahas sind in sein in diesem Jahr bei Princeton University Press erschienenes Buch »Beyond the Formalist-Realist Divide« eingegangen. Auf die ersten beiden habe ich noch einmal in einem Posting vom 14. Mai 2010 Bezug genommen.

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CALI – The Center for Computer-Assisted Legal Instruction

CALI ist das Akronym für computer aided legal instruction und seit 1982 der Name eines gemeinnützigen Zusammenschlusses amerikanischer Law Schools, der E-Learning- Module entwickelt und anbietet. Die Webseite der Organisation ist insoweit eine unerschöpfliche Quelle. Ich habe noch längst keinen Überblick. Wenn ich demnächst einmal Lust und Zeit habe, mir die Seite näher anzusehen, werde ich über Details berichten. Doch schon der erste Blick gibt Anlass zu drei Feststellungen:
1. Hier ist entstanden, was in Deutschland aus juristischer Sicht fehlt, nämlich ein fachspezifisches Kompetenzzentrum für E-Learning.
2. Hier findet man, was ich in Deutschland beim E-Learning bisher noch vermisse, nämlich den planmäßigen Einbau visueller Elemente.
3. Hier findet, wer in Deutschland Grundzüge des US-amerikanischen Rechts lehren oder lernen will, Material in Fülle.

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Recht lehrreich. Wo bleibt die Rechtsdidaktik? (Teil V)

Auf der Suche nach der Rechtsdidaktik gibt es in Hamburg eine neue Spur. Der Hintergrund: Der Verbund Norddeutscher Universitäten hat sich die gemeinsame Evaluation von Studienfächern zum Ziel gesetzt. Es geht dabei um einen Prozess der Qualitätskontrolle, in dem die Lehre eine maßgebliche Rolle spielt. Eine erste Evaluation von Studium und Lehre im Fach Rechtswissenschaft fand 1999/2000 statt. Nun steht eine neue Runde an. Sie beginnt mit einer Selbstbeschreibung der Fakultäten. Darauf folgt eine Begehung durch eine Gutachterkommission und das alles mündet in einen abschließenden Bericht.

Die Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg will den Prozess der Selbstbeschreibung für ihre Mitglieder wahrnehmbar machen. Unter dem Namen »LEHRREICH« will sie dem Thema Lehre als einem Kerngeschäft der Fakultät eine Plattform zum Austausch geben. Dazu findet am 3. Dezember ein Aktionstag statt. Das Programm, an dem ich mit einem Vortrag über »Visualisierung in der Juristenausbildung« mitwirke, findet sich hier: lehrreich_einladung2.

Bei dieser Gelegenheit: Auch die Ruhr-Universität nutzt den Titel »lehrreich« (allerdings in Minuskeln) für einen kürzlich ausgeschriebenen Universitätspreis für ausgezeichnete Lehrideen. Aber beide Aktionen haben anscheinend nichts miteinander zu tun. Bemerkenswert: Auf einem Marktplatz wurden am 25. 1. 2008 51 Best-Practice-Beispiele für innovative Lehre vorgestellt. Die Juristische Fakultät war daran mit zwei Beiträgen beteiligt.

Ich habe die Präsentationen einmal durchgeblättert. Gelernt habe ich vor allem hochschuldidaktisches Kauderwelsch: Anfangsimpuls, Blended Learning, Coaching, Dropbox, eTutoring, Feedback, Helpdesk, Input-Phase, Joint-Teaching, Peer-Prüfung, Portfolioeinsatz, POL (problemorientiertes Lernen), TED-System, formative TJE (Triple Jump Exercise), Workload. Aufgefallen ist mir, wie man mit Visualisierung Seiten füllen kann, ohne viel zu sagen. Gefallen hat mir eine Idee von Sozialwissenschaftlern, einen Theorienstreit als Battle of Theories darzustellen.

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